Geschichte: Sumer, Babylon, Akkad

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    In Mesopotamien - dem "Land zwischen den Strömen", also zwischen Euphrat und Tigris - erlebte die kulturelle Entwicklung der Menschheit ihre erste Hochblüte. Hier sind bereits für die Zeit um 9000 v.Chr. Jäger und wandernde Hirtenvölker und um 5000 die ersten Siedlungen nachweisbar, lange bevor in der zweiten Hälfte des 4. Jahrtausends die Sumerer - niemand weiß bis heute, woher sie kamen - in das südliche Mesopotamien einwanderten.


    Sie besiedelten das Gebiet von der Mündung der beiden Ströme, die damals noch getrennt in den Persischen Golf flossen, bis etwa zum Mittellauf des Strompaares. Ab 2900 entstanden die großen sumerischen Stadtstaaten, die sich heftig untereinander befehdeten: Eridu, Nippur, Kisch, Lagasch, Uruk und Ur. Führend wurde Uruk (in der Bibel Erech genannt); als Sitz der Muttergöttin und Himmelsherrin Inanna wurde die Stadt zum kultischen Mittelpunkt des Reiches. Sie war "Besitzerin des Landes", ihr irdischer Vertreter war Lugal, der "große Mensch" und Herr ihres Tempels. Dieser Tempel war nicht nur religiöse Stätte, sondern zugleich Regierungssitz, Priesterwohnung und Priesterschule sowie das Stapelhaus für die staatlichen Vorräte, die von den Dienern der Gottheit, den Bauern und Handwerkern, für sie gewonnen, gesammelt und von Beamten verwaltet wurden. Dafür gewährte die Göttin durch ihren Beauftragten Lugal Schutz gegen Angriffe fremder Staaten und dämonischer Mächte und garantierte die Ordnung im Innern.

    Der Tempel, auf einer Fläche von 60 mal 40 Metern errichtet, umschloss einen Innenhof in Form eines Rechtecks. Seine Außenseiten waren durch große Türme gegliedert, andere Monumentalbauten schlossen sich an. Das Material der ältesten Bauten waren riemchenartige kleine Ziegel, die mit Lehm verputzt wurden. In den Verputz waren weiß-, schwarz- und rotgefärbte Nägel eingelassen, die ein schmückendes Muster textiler Wirkung ergaben. Später wurden plankonvexe Ziegel verwandt. Auch Stadtbefestigungen und Kanalbauten großen Ausmaßes sind durch Grabungen bezeugt. Berühmt ist der Bericht über die Erneuerung der Stadtmauern von Uruk um 2600 im Gedicht von König Gilgamesch. In der nach Uruk bedeutendsten Stadt Lagasch finden wir als Tempelherrn den Ensi, das heißt den "Statthalter" der Landesgottheit.

    Die sumerische Schrift (Keilschrift), neben der großen Architektur der Tempelbauten wohl die bedeutendste Leistung diese Hochkultur, ist ursprünglich eine Begriffszeichenschrift. Sie entwickelte sich jedoch im Lauf der Zeit zur Lautschrift. Als Erfindung der Priester diente sie zunächst den Bedürfnissen der Tempelwirtschaft, schließlich der staatlichen Verwaltung. Die ältesten Aufzeichnungen enthalten Angaben übe Vorräte und Arbeiter.


    Daneben berichten die Bilder der Rollsiegel, die, in Walzenform gestaltet und auf weichem Ton abgerollt, eine neuartige Siegelform überhaupt darstellen, von den gottesdienstlichen und kriegerisch-staatlichen Handlungen des Lugal, des Herrschers, von dem Leben der Göttin Inanna, vom Dasein der Hirten und Jäger, vom Geliebten der Göttin, dem König Dumuzi (später Tammuz genannt), der durch seine alljährlich wiederkehrende Hochzeit mit der Göttin das Leben erneuert.

    Aus der Zeit um 2600 v.Chr. stammt die Weihekeule des Königs Mesilim von Kisch, einer Stadt in der Nähe von Babylon. Sie wurde in Lagasch gefunden und zeigt die voll entwickelte Keilschrift und den abstrahierenden Stil in der Darstellung von Tieren (z.B. von Löwen), der sich vom Naturalismus der früheren Rollsiegelkunst wesentlich unterscheidet. Ob für diese Entwicklung bereits der zunehmende semitische Einfluss syrischer Einwanderer verantwortlich ist, bleibt dunkel. Aber eine allgemeine Tendenz deutet sich hier schon an: Die sumerische Hochkultur wurde allmählich zur semitisch-sumerischen Mischkultur, bis während der Herrschaft der Akkader das semitische Element die Oberhand gewann.

    In der Stadt Ur erreichte die Architektur um 2500 einen Höhepunkt in den gemauerten Grabkammern der Königsgräber. Die Könige oder Königinnen wurden mit ihrem gesamten Gefolge, das ihnen freiwillig in den Tod folgte, in diesen großartigen Grabanlagen beigesetzt.

    Die Geschichte der sumerischen Stadt Lagasch zeigt, wie sich neben der Macht des Königs die der Priester entwickelte. Es gelang schließlich dem obersten Priester, die altangestammte Dynastie abzulösen und eine eigene zu begründen. Als "Ensi", Statthalter der Gottheit, beherrschte er vor allem das arme und niedere Volk. Der Ensi Urukagina versuchte, die Rechte und den Besitz des Volkes zu schützen und seine Ausbeutung zu verhindern. Unter seiner Regierung vollzog sich die erste Sozialreform, die wir aus der Weltgeschichte kennen.

    Eine Inschrift Urukaginas spricht von Ningursu, dem Stadtgott von Lagasch, von Ellil, dem Herrn der Erde, Gott von Nippur: "Für Ningursu, den Krieger Ellils, hat Urukagina, König von Lagasch, erbaut den Palast Tirasch ... Für Nanse hat er gebaut den Kanal ... Er hat dessen Wasserbecken gleich gemacht dem Innern des Meeres. Er hat erbaut die Mauern von Girsu (Zentrum von Lagasch). Die Rinder der Götter wurden benutzt bei der Bewässerung der dem Ensi verliehenen Ländereien, die guten Felder der Götter bilden das Lehen, die Freude des Ensi. Das Korn verteilten die Priester den Leuten des Ensi ... Kleider ... Stoffe ... Bronzegegenstände brachten die Priester als Abgabe dar."

    Im Louvre, dem berühmten Pariser Museum, ist noch heute die Stele des Königs Eannatum zu bewundern, ein Denkmal von 1,5 Meter Höhe und 1,3 Meter Breite. Sie ist oben abgerundet und zeigt ein Bild des Gottes Ningursu, wie er dabei ist, seine Feinde wie Fische in einem Netz einzufangen. Auch sein Streitwagen ist zu sehen.


    Die schon erwähnte Sozialreform des Urukagina (um 2400) war der auf Dauer erfolglose Versuch, die alte sumerische Staatsordnung zu sichern. Nach 2350 begann die Herrschaft der Semiten über den sumerischen Raum. Sargon von Akkad nannte sich "Herr der vier Weltteile" und begründete das akkadische Weltreich (etwa 2350-2150). Die 3. Dynastie von Ur (2065-1955), die den Sumerern die Freiheit noch einmal zurückgewann, konnte dann den endgültigen Aufstieg der Semiten nicht mehr verhindern. Die Sumerer gingen auch als Volk im Strom der Einwanderer unter. In einer Dichtung jener Zeit heißt es: "Die Zeit der guten Herrscher ist dahin. In Trümmern liegen nun des Landes Städte. Das Wasser der Kanäle wurde bitter. An fremdem Ort steht nun der Königssitz. Wo mag man da gerechten Schicksalsspruch finden? Oh Sumer, Land der Furcht, da Menschen zagen: Der König ging und seine Kinder klagen."

    Das Reich der semitischen Akkader, nach der Hauptstadt Akkad am Mittellauf des Tigris benannt, entstand, nachdem sich König Sargon zuvor (etwa 2350 v.Chr.) die Herrschaft im alten, sumerischen Kisch gesichert hatte. In seinem Reich wurde der König zum Gott und zum alleinigen Besitzer der Tempel. Eine straffe Zentralverwaltung unterwarf alles Leben im Lande seinem Willen. Um 1800 wurde durch eine Dynastie des semitischen Stammes der Amoriter Babylon gegründet. Damit wurde der Grundstein für eines der bedeutendsten und langlebigsten der frühen Reiche in Vorderasien gelegt. Ein Jahrhundert später gelang dem babylonischen König Hammurabi die Unterwerfung aller Teilherrscher. Das großbabylonische Reich, das fast das gesamte Flussgebiet des Tigris sowie den Mittel- und Unterlauf des Euphrat umfasste, entstand. Hammurabi, der sich selbst nicht als Gott verehren ließ, gestaltete unter Anlehnung an ältere, sumerische und semitische Überlieferungen sein berühmtes Gesetzeswerk. In der großartigen Einleitung wird die Rolle des königlichen Herrschers in Staat und Welt verherrlicht: Der Wahrer des Rechts und Schöpfer aller Ordnung, der den Schwachen vor dem Mächtigen schützt, ist der König, der als Berufener handelt im Auftrag der großen Götter, wenn er die inneren und äußeren Feinde siegreich abwehrt.

    Das Gesetzeswerk des Hammurabi, dessen Text ihm der Sonnengott Schamasch, der schon den Sumerern als oberster Richter über Gut und Böse galt, überreicht hatte, wie eine Stele verkündet, war für diesen Kulturkreis und seine Rechtsentwicklung von großer Bedeutung und wirkte über ihn hinaus. In ihm finden sich harte Strafen für Diebstahl und Hehlerei. Wer Tempel- oder Königsgut antastete, verfiel der Todesstrafe. Vorherrschend war auch der Gedanke des Schadenersatzes, den auch die Gemeinschaft dem Einzelnen schuldete. Andererseits wurde die Erziehung des Einzelnen zum Eintreten für die Gesamtheit erstrebt. Im Zivilrecht herrschte der Grundsatz "Auge um Auge, Zahn um Zahn".

    Das Eherecht Hammurabis war sehr durchgebildet. Kinderlosigkeit galt als Scheidungsgrund, jedoch musste die weichende Ehefrau in Höhe ihrer Mitgift und des Brautpreises voll entschädigt werden. Eheähnliche Bindungen, die nicht auf der Grundlage eines Vertrages eingegangen waren, galten nicht als rechtmäßige Ehen.

    Der König herrschte in einem zentralisierten Verwaltungsstaat mit Hilfe seiner Beamten. Im Lande spielten Großgrundbesitzer die führende Rolle, die Masse der Bauern waren ihre Pächter. Zahlreiche kleine und größere Städte blühten auf, in denen bürgerliche freie Handwerker neben Kaufleuten wohnten, die unter der Führung eines Oberkaufmanns in Gilden zusammengeschlossen waren. Für die Regierung der Städte sorgte unter königlicher Aufsicht ein Rat der Alten. Den Stadtbewohnern und Bauern oblag die Kriegsdienstpflicht, eine Leistung, die ihnen durch Belehnung mit einem kleinen Bauerngut abgegolten wurde. Großgrundbesitzer und reiche, freie Bürger waren von dieser Pflicht befreit. Die größten Güter gehörten dem König und den Tempeln der einzelnen Stadtgötter. Die Tempel und Tempelgüter waren Herrschafts- und Machtbereiche der Priesterschaft, die, wie in alten sumerischen Zeiten, die leitende geistige und wirtschaftliche Stellung im Lande hatte und oft genug im Gegensatz zum Königtum stand, dessen gefährlichster Wettbewerber sie war. Zunächst dominierten die Naturgottheiten, die in ihrer höchsten Dreiheit Arm, Enkel und Enki den Himmel, die Erde und den Ozean darstellten, der Sturmgott Adad und die Fruchtbarkeitsgöttin Ischtar, die Nachfolgerin der sumerischen Muttergöttin Inanna. Zur Zeit Hammurabis trat der Gott Marduk in den Vordergrund. Ursprung und Ordnung der Welt, auch der Götterwelt, wurden ihm zugeschrieben.

    Ganze Berufsstände, wie die so wichtigen Hirten und Fischer, arbeiteten auf Rechnung und im Dienst des Königs und der Tempelherrschaften, die auch große Warenhäuser unterhielten und Kaufleute beauftragten, mit den dort gestapelten Waren Handel zu treiben. Die Einfuhr ausländischer Waren war königliches Monopol, das durch Staatskarawanen wahrgenommen wurde. Der Handel entwickelte sich vom Tausch- zum Geldhandel. Zahlungsmittel waren Gold- und Silberstäbchen. Es gab ausgedehnte Kreditspekulation mit Zinssätzen bis zu zwanzig Prozent.

    Im Staatswesen und der Kultur des Hammurabi-Reiches sind die Grundlagen der alten sumerischen Hochkultur gewahrt geblieben. Sie wirkten auch weiter hinein in die Zeit des Assyrischen Reiches, das im 8. und 7. Jahrhundert v.Chr. das Erbe Altbabylons antrat.

    Allerdings nicht für lange Zeit, denn Nabupolassar (626-605) begründete bald das Neubabylonische Reich, das auch das Chaldäische genannt wird. Sein Sohn Nabuchonodosor II. (607-562) ist der biblische Nebukadnezar, der Jerusalem 587 eroberte und die Juden deportieren ließ ("Babylonische Gefangenschaft").

    Die letzten Könige Babylons, Nabonid und Belsazar, verstrickten sich in Auseinandersetzungen mit der Priesterschaft, die mit den Persern konspirierte, sodass gegen die persische Besetzung des Reiches, die 539 erfolgte, kaum mehr Widerstand geleistet wurde.

    Die Architektur des Babylonischen Reiches gipfelte in den Stufentempeln. Die Erzählung vom Turmbau zu Babel hält die Erinnerung daran lebendig.

    Religiöse Dichtung, mythische Berichte, Gesetzestexte wurden in königlichen und Tempelbüchereien sorgfältig gesammelt. Scheu vor den Göttern erfüllt die Hymnendichtung und Furcht vor ihrem Zorn, den ein Hymnus von Adad im Stile der Psalmen des Alten Testaments schildert:

    "Wenn der Herr zürnt, zittert der Himmel vor ihm, Wenn Adad grollt, bebt die Erde vor ihm."

    Den Grund des Zornes bildet die Sünde der Menschen:

    "Ich, dein Knecht, in schlimmen Leiden rufe zu dir.

    Wer mit Sünde behaftet ist, du nimmst sein Flehen an.

    Wen du freundlich anblickst, dieser Mensch genest.

    Sprich mein Erlösungswort, dein Herz versöhne sich mit mir."

    Im berühmten Gilgameschepos, das in seinen Anfängen bis in die sumerische Epoche zurückreicht und das im Laufe der Zeit verschiedene sprachliche Fassungen (sumerisch-akkadisch) erlebte, werden die Taten König Gilgameschs von Uruk verherrlicht. Die auch in das Alte Testament aufgenommene Sintflutsage ist in dieser Dichtung erstmalig überliefert: "Verwahrtes sah er (Gilgamesch) und Verdecktes öffnete er, brachte Kunde von der Zeit vor der Sintflut; schrieb dann auf eine Steintafel die ganze Mühsal.

    Er ließ machen die Mauer des umfriedeten Uruk, vom heiligen Eanna, dem reinen Tempel, legte er das Fundament, dessen Festigkeit wie Erz ist."

    Das Weltschöpfungsepos schildert den Sieg Marduks über die Tiamah, die furchtbare Urmutter und Herrin des Salzmeeres. Die große fortdauernde Leistung der Reiche von Sumer, Akkad und Babylon lag auf dem Gebiet der Mathematik und insbesondere der Astronomie, die für die Astrologie verwertet wurde. Astronomische Observatorien waren in den Tempeltürmen errichtet.