Sumerer

    Aus WISSEN-digital.de

    Die Sumerer waren ein nichtsemitisches, nichtindogermanisches Kulturvolk, das um etwa 3100 v.Chr. in Südmesopotamien feststellbar ist und dessen Herkunft ungeklärt ist.


    Umstritten ist auch, ob die Sumerer bodenständig (autochthon) waren oder über den Seeweg aus dem Gebiet jenseits des Kaukasus oder jenseits des Kaspischen Meeres eingewandert waren. Wenn sie autochthon waren, so wären sie die Gestalter der vor 3000 v.Chr. ("vor der großen Flut") in Südmesopotamien nachgewiesenen Uruk-Kultur mit den Hauptfundplätzen Uruk (biblisch: Erech), Ur, Lagasch, Kisch. Wenn sie eingewandert waren, so hätten sie die Uruk-Kultur vorgefunden, sie zerstört und sich allmählich unter Übernahme der Kulturelemente Uruks aus einem Nomaden- zu einem Kulturvolk von nachwirkender Eigenart entwickelt. Diese Theorie ist am wahrscheinlichsten, denn die späteren Heldenepen und -lieder deuten auf eine große Wanderzeit und eine lang dauernde Auseinandersetzung mit wirtschaftlich und militärisch starken Gegnern hin, der eine Periode des Verfalls folgte.

    Für die Zeit um 3100 v.Chr. kann mit Sicherheit von einer eigenständigen sumerischen Kultur gesprochen werden, die am Unterlauf der damals noch getrennt in den Persischen Golf mündenden Ströme Euphrat und Tigris wurzelte.

    Die Erfindung der ersten bekannten Schrift der Welt (Bilderschrift) um 3000 v.Chr., die sich später zur Keilschrift entwickelte und vermutlich auch den Anstoß zur Ausbildung der ägyptischen Hieroglyphen gab sowie Hunderte erhaltene tönerne Bildschrifttäfelchen aus der Zeit um 3000 v.Chr. und der folgenden Zeit, lassen auf einen schnell hoch entwickelten Kulturstand mit geordneten Städtestaaten ("parlamentarische" Räte der Ältesten, Räte der Waffenträger) und Wirtschaftsplanung schließen: Kanäle, Hochwasserschutzdämme, Bewässerungsanlagen wurden wiederhergestellt oder neu geschaffen, in den entstehenden sumerischen Stadtfürstentümern (Nippur, Uruk, Ur, Lagasch u.a.) wuchsen Paläste und Hochtempel (Zikkurats) mit verputzten oder mosaikbedeckten Wänden, es wurden Gefäße aus Blei, Silber, Kupfer und Gold sowie steinerne Tier- und Menschenfiguren gefertigt (1939 bzw. 1958 wurden in Uruk ein lebensgroßer Marmorkopf einer Priesterin und eine Alabasterstatue eines betenden Priesterfürsten aus den Anfängen des 2. Jt.s v.Chr. gefunden).

    Ackerbau und Viehzucht standen auf hoher Stufe, der größte Teil des Landes war im Besitz der städtischen Tempelpriesterschaften, deren höchste Gebieter die Stadtgötter in den Hochtempeln waren, ihre weltlichen Vertreter waren die Könige oder Fürsten, die sich im Land den Rang streitig machten und sich mehrmals einem Oberkönig beugen mussten. Aus den Naturgöttern der Nomadenzeit wurden vermenschlichte Götter: der Hauptgott Enlil, der Herr des Himmels An, der Gott des Meeres und der Weisheit Enki, der Vegetationsgott Tammuz und die Mutter- und Fruchtbarkeitsgöttin Nunmah sowie zahlreiche Lokalgötter und tier- und tiermenschengestaltige Dämonen, die das Dasein verfinsterten und deren man sich durch Schutzzauber zu erwehren suchte.

    Das bis heute fortlebende Zahlensystem beruht auf der Zahl 60 ("Sechziger"- oder "Sexagesimalsystem"): Kreiseinteilung in 360 Grade, Jahr mit 360 Tagen usw.; ab 2700 v.Chr. wurde die Bilderschrift zur rein phonetischen Schrift weiterentwickelt, die im Laufe der Zeit von fast allen Kulturvölkern des Vorderen Orients übernommen wurde; um 2500 v.Chr. gab es zahlreiche Schreibschulen und Tempelschreiber in der Verwaltung der Tempelgüter.

    Um 2500 v.Chr. hob sich überragend die 1. Dynastie von Ur hervor (reich gestaltete Königsgräber, z.T. mit dem Todesgefolge der Diener und Dienerinnen, Beterstatuen, szenische Mosaikbilder, Porträtbüste der Königin Schub-ad von Ur); wenig später wurden Ur und Teile des Nordgebietes von dem König von Lagasch (im Süden Sumers) erobert, der die Führung über Sumer übernahm. Der letzte König der Lagasch-Dynastie, Urukagina (um 2440 v.Chr.), galt als Sozialreformer (Kampf gegen schmarotzende Beamte, ungetreue Steuereinnehmer und Aufseher, gegen Wucherer und Straßenräuber, Wiederherstellung der Freiheit der Bürger). Urukagina rühmte sich, alle Länder zwischen dem Persischen Golf und dem Mittelmeer zu beherrschen.

    Alle sumerischen Stadtstaaten erlagen um 2350 v.Chr. dem Semiten Sargon I. (Scharrukin; 2350-2294 v.Chr.) von Kisch, dem ehemaligen Mundschenk des semitischen Fürsten von Kisch; Sargon unterwarf Sumer, Elam (West-Iran), Assur (Assyrien), Nordsyrien, Teile Kleinasiens und weitere Teile der Mittelmeerküste; Agade (Akkad) in der Nähe des späteren Babylon wurde Residenz Sargons, der göttliche Verehrung forderte und den Anspruch erhob, Herr der Welt zu sein (Akkad-Sumer ist das erste "Weltreich" der Geschichte).

    Danach folgte die Einschmelzung der sumerischen Kultur und die Ablösung der sumerischen durch die semitisch-akkadische Sprache als Amtssprache (erste akkadische Inschriften), v.a. unter Sargons Enkel und Nachfolger, dem "Gottkönig" Naramsin (2770-2233 v.Chr.), der das Reich weiter ausdehnte (Sieg über iranische Bergvölker, Unterwerfung Nippurs) und Handel mit Indien trieb. Schließlich verdrängte die akkadische Göttin Ischtar den sumerischen Göttervater Enlil und die Priesterbeamten wurden durch weltliche Beamte ersetzt. Die wichtigsten Städte des akkidischen Reiches waren Akkad, Kisch, Barsiv, Sippen Opis und das aufstrebende Babili (Babylon).

    Der akkadischen Herrschaft machten die wahrscheinlich aus dem Iran einbrechenden Gutäer ein Ende, die Akkad zerstörten und Sumer verheerten. Fast unabhängig hielt sich der Stadtstaat Lagasch, dessen Fürst Gudea (um 2060 v.Chr.) bedeutende Zeugnisse der Literatur und Kunst (klassische Königsstatuen) hinterließ. Nach Vertreibung der Gutäer wurde Ur erneut führend im Vorderen Orient (Gründung der 3. Dynastie von Ur durch Ur-Nammu um 2050 v.Chr., von dem der älteste bekannte Gesetzestext der Welt stammt); und beherrschte jetzt auch Elam und Assyrien, die alten Hochtempel wurden wiederhergestellt und erhöht, außerdem wurden Prunkgräber für die "Gottkönige" angelegt.

    Um etwa 2000 v.Chr. setzte die "Sumerische Renaissance" ein: In dieser Zeit wurden die bis in das schriftlose Heldenzeitalter zurückreichenden Heldenepen der Könige Gilgamesch (fünf Fassungen), Enmerkar und Lugalbanda auf Tontafeln geschrieben; erhalten sind auch Unterrichtstexte, hymnische Dichtungen, theologische, naturkundliche, mathematische, grammatikalische und sprachkundliche Tontafelschriften und unzählige kaufmännische und verwaltungstechnische Dokumente; vielerorts bestanden Abschreibzentralen, in denen literarische Werke vervielfältigt wurden.

    Dennoch verstärkte sich die Semitisierung Sumers seit dem Einbruch der semitischen "Ostkanaanäer", die zur politischen Führerschicht wurden. Sumer wurde politisch bedeutungslos, Babylon übernahm um 1750 v.Chr. unter Hammurabi die Herrschaft. Um 1500 v.Chr. ging das sumerische Reich unter; seine Weisheitslehren, Kosmologien, Mythen, Epen und seine Kunstformen wirkten in der geistigen Welt Babyloniens, Assyriens, der Churriter, Hethiter und Israeliten nach.