Stadtbaukunst

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    architektonisch-künstlerische Gestaltung der Stadt unter Berücksichtigung von Fläche, Raum, Landschaft und ihrer funktionellen (Wohnen, Verkehr usw.) und sozialen Struktur. Gestaltungselemente sind Bauwerke, Stadtzentrum, Wohngebiete, Arbeitsstätten, Verkehrsadern, Plätze, Grünanlagen usw. Das Aussehen und die Entwicklung einer Stadt ist abhängig vom Wachstum, den Finanzen, den Industrien und den geografischen und geologischen Gegebenheiten. So hat eine Hafenstadt eine andere Struktur als eine Verwaltungs- oder Universitätsstadt, und eine Stadt wie Rom, die historisch gewachsen ist, hat eine andere Bebauung als eine Stadt, die auf dem Reißbrett geplant wurde, wie Brasilia.

    Geschichte

    Stadtähnliche Siedlungen gab es seit dem 8. Jt. v.Chr. (Jericho; früheste Anlagen in Mesopotamiens Wasserbaukulturen). Seit dem 5. Jt. entwickelten sich städtische Hochkulturen in den fruchtbaren Tälern von Nil, Indus und Yangtsekiang sowie im Zweistromland zwischen Euphrat und Tigris. Städte waren oft Verwaltungs-, Militär- und Handelszentren. Bereits die altägyptische Stadt kannte ein ästhetisches, einheitliches Gebäude- und Befestigungssystem (Theben, Tanis).


    Im europäischen Bereich begann die Entwicklung des Städtebaus am östlichen Mittelmeer (2. Jt. v.Chr.) und erreichte im 1. Jt. n.Chr. den Rhein. Der griechische Städtebau (Polis) entwickelte einen festen Stadtorganismus mit Akropolis (Fluchtburg), Tempel, Agora (öffentlichem Platz) und Stadtmauern. Die Grundlage der griechischen Stadt war die von Hippodamus von Milet entwickelte rechtwinklige Stadtanlage, wie sie in Piräus, Priene oder Selinus verwirklicht wurde: Haupt-, Nebenstraßen, ausgesparte Bauplätze, Verwaltungsbauten, Theater, Gymnasium, Stadion, Bäder an öffentlichen Plätzen.

    Unter griechischem und etruskischem Einfluss entwickelte die römische Stadt ein Schema mit einem Achsenkreuz von Tor- und Hauptstraßen (Ost-West-Achse: decumanus maximus, Nord-Süd-Achse: cardo maximus), ergänzt durch weitere parallele "decumani" und "cardines". Die Römer verfügten bereits über eine relativ hoch entwickelte Stadttechnik (Pflasterung, Wasserversorgung (Aquädukte), Kanalisation). Sie gründeten zahlreiche Garnisons- und Verwaltungsstädte und brachten dadurch z.B. ihr gleichmäßiges Straßensystem in ihre besetzten Gebiete ein.


    Die mittelalterliche europäische Stadt war stark durch die Antike geprägt. Wenn sie aber nicht an das Althergebrachte anknüpfen konnte, hatte sie einen unregelmäßigen Grundriss. Am Verlauf der Straßen lassen sich heute noch Städte dieser Zeit erkennen (meist in der heutigen Altstadt). Wichtige europäische Stadtlandschaften entstanden in Oberitalien (autonome Stadtstaaten), zwischen Seine und Rhein, in England, im Hanseraum und in Süddeutschland. Neben gewachsenen Städten finden sich Gründungsstädte (seit 11./12. Jh., Hochphase im 13./14. Jh.). Einheitliche Grundstrukturen fehlten, und die Stadtbaukunst orientierte sich an den topografischen Voraussetzungen (Bern, Langzeilenpläne; Brügge, Radialpläne; Worms, Quadratpläne). Im Wesentlichen gruppierte sich die befestigte mittelalterliche Stadt um Kirche, Rathaus, Zunfthäuser und Kaufhallen im Zentrum. In der Blütezeit mittelalterlicher Stadtbaukunst (14./15. Jh.) wurden Türme (Machtsymbole, besonders in Italien) gebaut, der architektonische Aufwand gesteigert (Stadttore, Schaufassaden u.Ä.), Straßen gepflastert, Brunnen angelegt.

    Der Städtebau der Renaissance entwickelte ein neues Konzept der Stadt als Gesamtkunstwerk, gestaltete durch Regelmäßigkeit, Symmetrie, Harmonie. Man ging beim Bau nun konkret unter architektonischen Aspekten vor. Als Folge neuer Waffentechnik (Feuerwaffen) entstanden konzentrierte (runde) Grundrisse, wie etwa Filaretes Idealstadt mit strahlenförmigen Straßen, zentralem Platz (Paradeplatz) oder Zentralbau. Daneben existierten auch Rechtecksysteme. Die Stadt wurde mit einer Befestigung umgeben. Auch nach Rückgang der militärischen Funktion (aber Zunahme der Bedeutung für Wirtschaft und Verwaltung) blieb das radiale System der Renaissance Muster für Stadtneugründungen oder -erweiterungen: Das Schloss wurde Zentrum radialer Straßenanlagen, die Fassadengestaltung wurde einheitlich geregelt.

    Die klassizistische Stadtbaukunst übernahm von der Renaissance die Regelmäßigkeit, ließ aber für das Einzelbauwerk mehr Autonomie zu. Erhalten blieb die Zusammenfassung des städtischen Raumes durch große Achsen mit einzelnen Blickpunkten und mit der Abgrenzung der Stadt zum Umland (Randstraßen, Torhäuser).

    Die Industrielle Revolution im 19. Jh., verschiedene politische Ereignisse und die damit verbundene Proletarisierung der Bevölkerung schufen ein neuartiges Stadtbild mit Mietskasernen, modernen Verkehrssystemen und neuen Bebauungsplänen, die die Herausforderungen der modernen Zeit berücksichtigten. Zunehmende Verstädterung stellt die Stadtplanung und -verwaltung vor große Probleme. Bis in die 30er Jahre des 20. Jh.s entwickelten sich die Städte mehr oder weniger nach den Erfordernissen der Industrie. Nach dem Zweiten Weltkrieg entstanden in den Citybereichen moderne Hochhaus- und Verwaltungsbauten und eine Konzentration der Geschäfte, wogegen durch die Wohnbebauung das Umland größerer Städte immer mehr zersiedelt wurde (Reihensiedlung). Durch diese Hochhäuser erhielten die größeren Städte ein völlig neues Aussehen. Da dort Arbeitnehmer in Massen untergebracht wurden, waren diese Gebiete sozial nicht angesehen. Es zog die Arbeitnehmer dann raus aus der Innenstadt in die Randgebiete, was zu einer Entleerung der City von ihren Bewohnern führte.

    In der modernen Großstadt ist die Trennung von Arbeits- und Wohnstätten inzwischen weit fortgeschritten (Trabantenstädte). Die Stadtviertel werden mit aufwändigem Straßen- (Stadtautobahn) und Brückenbau verbunden. Diese Entwicklung hat einen sozial verträglichen Städtebau fast unmöglich gemacht. Zentrale, regionale und kommunale Instrumentarien (Raumordnungsgesetz, Städtebauförderungsgesetz, Bundesbaugesetz, Landesbauordnungen, Flächennutzungspläne u.a.) sollen die Probleme einer Großstadt lösen helfen. Dies bezieht sich hauptsächlich auf die uns bekannten Städte in den Industrieländern. Die (Groß-)Stadt in Entwicklungsländern oder in Ländern mit anderen kulturellen (historischen), industriellen und sozialen Präferenzen hat z.T. völlig andere Strukturen. So gibt es in zahlreichen chinesischen Millionenstädten so gut wie keine Hochhäuser. In Großstädten der Entwicklungsländer kommt es häufig durch die Landflucht zur Entstehung von Slums. Ein generelles Problem der Städte ist die Regelung des Verkehrs. Städte sind oft wichtige Verkehrsknotenpunkte. Die wissenschaftliche Untersuchung des Verkehrs ist die Aufgabe der Verkehrsgeografie. Weitere Schwierigkeiten bereiten die Müllabfuhr, die Wasserbeschaffung, die Abwasserbeseitigung: Neben den ökologischen gibt es dann auch noch die finanziellen Probleme, die die Kommunen zu bewältigen haben.