Geschichte: Der Zusammenbruch des Ostblocks

    Aus WISSEN-digital.de

    Es war das Jahr, als Westeuropa und die USA das 200-jährige Jubiläum der Französischen Revolution feierten, und es wurde ein Jahr wie jenes: ein Schicksalsjahr, von dem eine neue Epoche der Weltgeschichte ausging.


    Der Aufstand begann in Polen, wo die Kommunisten im Juni bei der ersten halbfreien Wahl eine vernichtende Niederlage einstecken und die Macht mit der sieben Jahre lang verfemten Solidarnosc teilen mussten. Er setzte sich fort in Ungarn, dessen führende Partei sich unter dem Druck der Reformer auflöste und ein Mehrparteiensystem samt Marktwirtschaft ansteuerte. Dann sprang der Funke in die DDR über: Die Vierzigjahrfeier des SED-Staates am 7. Oktober war schon mehr ein Requiem als ein Jubelakt; der Ruf "Wir sind das Volk" fegte erst Erich Honecker hinweg, bald auch seinen kraftlosen Nachfolger.

    Die Bulgaren warfen die Herrschaft Todor Schiwkows ab. Tschechen und Slowaken erhoben sich gegen Jakes und Husák - Alexander Dubcek, der Mann des Prager Frühlings, und Václav Havel, seit langen Jahren das Gewissen und die Stimme des tschechoslowakischen Widerstandes, führten das Land der neuen Freiheit entgegen.

    Von dieser Freiheit Gebrauch machend bildeten die beiden Teile des Landes die unabhängigen Republiken Tschechien und Slowakei. Schließlich stand auch das geschundene Rumänien auf. Sein größenwahnsinniger Diktator Ceausescu versuchte, die Erhebung in Blut zu ersticken; die Gräuel von Temevar übertrafen noch das Massaker auf dem Tienanmen-Platz in Peking, mit dem China die ins Reich der Mitte übergeschwappte "östliche Weltrevolution" fürs erste bändigte. Dem Conducator gelang das nicht - er wurde hingerichtet.

    Beim Treffen Gorbatschows mit Bundeskanzler Kohl und Außenminister Genscher im Kaukasus im Juli 1990 wurden die letzten außenpolitischen Hürden auf dem Weg zur Wiedervereinigung Deutschlands genommen. Am 3. Oktober wurde die alte DDR ein Teil der Bundesrepublik, der NATO und der Europäischen Gemeinschaft. Warschauer Pakt und COMECON lösten sich auf.


    Ein Gleiches der UdSSR zu ersparen war fortan das Ziel Gorbatschows, des Friedensnobelpreisträgers von 1990. Sein Instrument dafür sollte ein neuer Unionsvertrag sein, mit dem die alte imperiale Union in eine demokratische Föderation umgewandelt werden sollte. Die reaktionären Kommunisten in Staat und Partei versuchten am 19. August 1991, die Uhr zurückzudrehen. Der Zusammenbruch des Putsches und die herausragende Rolle, die der russische Präsident Boris Jelzin, Gorbatschows mächtigster Rivale im Lager der Reformer, dabei gespielt hatte, bedeuteten das Ende für die KPdSU und für die Sowjetunion selbst - und für Gorbatschow, an dem der Zug der Zeit von der erneuerten Union zur Gemeinschaft Unabhängiger Staaten (GUS) mit Jelzin an der Spitze vorbeizog.

    Über dem Kreml ging die rote Fahne nieder und wurde die alte russische Trikolore aufgezogen. Leningrad gab sich wieder den altehrwürdigen Namen Sankt Petersburg. Die 70-jährige Geschichte der Sowjetunion war zur Episode in der über 1000-jährigen Geschichte Russlands geschrumpft. War Gorbatschow gescheitert? Er hatte das Undenkbare und Unmögliche Wirklichkeit werden lassen, er hatte der Freiheit zwischen Berlin und Wladiwostok den Weg geebnet. Und er hatte dafür gesorgt, dass sich das östliche Imperium nicht mit einem lauten Knall verabschiedete, sondern nur mit einem leisen Seufzer.

    Kalenderblatt - 18. April

    1521 Martin Luther erscheint zum zweiten Mal vor dem Wormser Parteitag, verteidigt sich vor Kaiser und Reich und lehnt den Widerruf ab.
    1951 Frankreich, die Bundesrepublik Deutschland, Italien, die Niederlande, Belgien und Luxemburg schließen ihre Kohle- und Stahlindustrie in der Montanunion zusammen und verzichten auf ihre nationalen Souveränitätsrechte über diese Industriezweige.
    1968 Die tschechoslowakische Nationalversammlung wählt Josef Smrkovský zu ihrem neuen Präsidenten, der als einer der populärsten Politiker des "Prager Frühlings" die volle Rehabilitierung der Opfer der Stalinzeit und die Sicherung eines wirklich freien politischen Lebens zu seiner Aufgabe erklärt.