Moderne (Musik)

    Aus WISSEN-digital.de


    Die Moderne in der Musik hat ihre Wurzeln in einer quer durch die Musikwelt geführten Ästhetikdebatte im ausgehenden 19. Jahrhundert. Dabei war die Auffassung ausschlaggebend, musikgeschichtliche Entwicklung müsse von bestehenden Werten und Werken ableitbar sein, und darin ruhende Denkansätze müssten zu neuen Ausdrucksformen weiterentwickelt werden.

    Für die Komponisten des 19. Jahrhunderts gab es dabei vor allem einen unbestrittenen Ausgangspunkt: Die Symphonik L. van Beethovens.

    Diese war auch für R. Wagner und J. Brahms Dreh- und Angelpunkt ihrer künstlerischen Auseinandersetzung, doch wurden die daraus resultierenden Werke von den Zeitgenossen so unterschiedlich bewertet, dass zeitweise offener Streit darüber ausbrach, wer das Erbe Beethovens für sich beanspruchen könne.

    Hauptredner der gegen die "Wagnerianer" polemisierenden "Brahmsianer" war der Musikkritiker E. Hanslick, dem Wagner mit der Figur des Sixtus Beckmesser in seiner Oper "Die Meistersinger von Nürnberg" ein bleibendes, aber wenig schmeichelhaftes Denkmal gesetzt hat.

    Im 20. Jahrhundert wurde das Schaffen Brahms' und Wagners oft als Beginn der Moderne verstanden, und in der Tat sind die Einflüsse Friedrich von Schlegels, der den Begriff der Moderne mit geprägt hat, auf das Musikleben deutlich zu erkennen. Es ist also nicht verwunderlich, dass junge Komponisten Ende des 19. Jahrhunderts Brahms und Wagner entweder in offener Ablehnung gegenübertraten, oder ihr Werk ausdrücklich darauf bezogen.

    Als einer der ersten schuf C. Debussy eine Musik, die sich bewusst von der Sprache Brahms' und Wagners absetzte: den Impressionismus. Auch wenn Wagners neuartige Klangschöpfungen wie etwa der "Feuerzauber" oder das Vorspiel von "Parsifal" hörbare Spuren in Debussys Musik hinterließen, stellte dieser der von musikdramatischer Logik getragenen Musik ab etwa 1890 die ersten reinen Klangkompositionen gegenüber. Eine Richtung, der auch andere französische Komponisten folgten, darunter M. Ravel, der impressionistisches Kolorit wieder mit thematischer Arbeit verband, E. Satie und später D. Milhaud, A. Honegger und F. Poulenc.

    Eine andere Richtung wiesen die Werke G. Mahlers. Mahler brach Strukturen klassischer Symphonik mehr und mehr auf und führte die Harmonik an die Grenzen der Tonalität. Ausgangspunkt für diese Dekonstruktion war Wagners "Tristan", dessen unendliche Vorhaltsketten zum ersten Mal die Frage nach der Tonalität formulierten. Einer der ersten Komponisten, die tatsächlich die Tonalität sprengten, war der junge R. Strauss. In seinen Opern "Salome" und "Elektra" nutzte Strauss die Atonalität als Ausdrucksmittel. Doch ist Atonalität hier Folge harmonischer Verdichtung, die Musik im Ganzen durchaus an Tonarten gebunden.

    Anders verhält es sich mit den freitonalen Werken der Wiener Schule, der die Komponisten A. Schönberg, A. Berg und A. v. Webern angehörten. Die Atonalität ist hier nicht Affekt, sondern bestimmt das Material der gesamten Komposition. Um zu gewährleisten, dass die Gleichwertigkeit aller zwölf Töne der chromatischen Skala permanent gewahrt bleibt, entwickelte Schönberg um 1924 die Zwölftontechnik.

    Schönbergs Bezugspunkt für sein musikalisches Denken waren dabei Beethoven, Brahms und Wagner. Er betrachtete die Zwölftontechnik als Konsequenz der motivischen Arbeit, und sich selbst damit als Ausgangspunkt für die weitere musikgeschichtliche Entwicklung. Die kommenden 100 Jahre der Kompositionsgeschichte seien gesichert, glaubte Schönberg, und der Philosoph Theodor W. Adorno festigte ab den 1940er Jahren Schönbergs Position durch heftige Polemik gegen Komponisten, wie P. Hindemith oder I. Strawinsky.

    Beide setzten sich in ihrer Musik mit vorromantischen Traditionen auseinander, Hindemith besonders mit der Kontrapunktik J.S. Bachs.

    Strawinskys kompositorische Natur gleicht in vielem der Pablo Picassos. Beider Werk lässt sich in mehre Phasen einteilen und beide hatten die Gabe, mit den unterschiedlichsten Vorlagen durch intelligente Synthese Neues zu schaffen.

    Dabei kam Strawinsky insbesondere seine russische Abstammung zu Gute. Ähnlich wie die Ungarn Z. Kodaly und B. Bartòk konnte Strawinsky auf einen volksmusikalischen Hintergrund zurückgreifen, der gerade in der abendländischen Musik bis dahin Unerhörtes zu Gehör brachte. So entwickelte Strawinsky eine Technik, die ähnlich der russischen Volksmusik musikalische Elemente in variabler Reihenfolge hintereinander aufreiht, ohne diese thematisch miteinander zu verknüpfen, wie es die Abendländische Musiktradition vorsieht, und wie es auch Schönberg mit Blick auf Beethoven, Brahms und Wagner forderte.

    Durch Adornos Einwirken wurde Schönbergs Forderung derart Nachdruck verliehen, dass sie apodiktisch verstanden eine weitere Steigerung der in der Zwölftontechnik festgelegten Determinisierung nach sich zog. Mit der Klavierkomposition "Mode de valeurs et d'intensités" regte der Franzose O. Messiaen die Serielle Musik an, ohne sich selbst jedoch daran später zu beteiligen.

    Die Serielle Musik legt nicht nur Tonhöhe jeder Note von vorn herein fest, sondern auch Tondauer, Tonstärke und unter Umständen auch Instrument und Klangfarbe. Die wichtigsten Vertreter waren K. Stockhausen, L. Nono, P. Boulez und G. Ligeti. Letzterer ließ sich dann in den 1960er und 70er Jahren durch die Vokalpolyphonie der Niederländer zu Klangflächenkompositionen anregen, die mit ihrer "Mikropolyphonie" international größte Aufmerksamkeit erregten. Dabei näherte sich Ligeti mit Stücken wie "Continuum" gelegentlich der Minimal Music, ihrer Motorik und dem Spiel mit so genannten Submelodies, wie sie die Musik S. Reichs oder P. Glass' kennzeichnen.

    Um eine große Menge Daten verarbeiten und neue Klänge verwirklichen zu können, rückten Komponisten wie Stockhausen die elektronische Musik zeitweise in den Mittelpunkt ihrer Arbeit. Doch erlebte der Wunsch nach totaler Organisation auch bald den künstlerisch kritischen Widerspruch. Vor allem die Aleatorik eines J. Cage war es, die den Zufall zur Methode machte.

    In den 1980er und 90er Jahren wurde dann die "Neue Einfachheit" zum Schlagwort der Neuen Musik. Der Begriff sollte den Wunsch einer Komponistengeneration um Wolfgang Rihm und Hans-Jürgen v. Bose widerspiegeln, sich wieder emotional auszudrücken.

    Mit bedingt durch die Öffnung des Europäischen Ostens standen sich in den 90er Jahren unüberschaubar viele Stile gegenüber, von denen sich jedoch die meisten noch aus den Gedanken der klassischen Avantgarde der 60er Jahre speisen.

    Kalenderblatt - 19. März

    1921 Russland und Polen unterzeichnen einen Friedensvertrag.
    1953 Der Bundestag billigt die deutsch-alliierten Verträge, die später Deutschlandvertrag genannt werden. In ihnen wird das Ende des Besatzungsstatus und die Wiedererlangung der Souveränität geregelt.
    1956 Die Bundesrepublik erlässt das Soldatengesetz, in dem die Forderungen an eine demokratische Armee dargelegt werden.