Die Option Schwarz-Grün

    Aus WISSEN-digital.de

    Schon länger mahnen vereinzelte Grünen- und Unionspolitiker eine Öffnung zur jeweils anderen Partei an, um sich nach der nächsten Bundestagswahl mehr Koalitionsmöglichkeiten zu eröffnen. Aus wahltaktischen Gründen ist diese Annäherung durch das veränderte Parteiensystem Deutschlands zwar geboten, wahrscheinlich ist eine schwarz-grüne Koalition in nächster Zukunft allerdings nicht.

    Regierungsbildung in einem Fünf-Parteien-System

    Seit dem Einzug der Grünen in den Bundestag Anfang der 1980er hat sich das Parteiensystem Deutschlands nachhaltig verändert. Die Grünen waren nach Unionsparteien, SPD und FDP die vierte politische Kraft, die sich im Parlament dauerhaft etablieren konnten. Seitdem die aus der SPD hervorgegangene WASG mit der PDS zur Linkspartei fusionierte und nun bereits seit zwei Legislaturperioden im Bundestag vertreten ist, hat sich in Deutschland ein stabiles Fünf-Parteien-System herausgebildet.

    Damit hat sich das linke Parteienspektrum inzwischen in drei verschiedene Parteien ausdifferenziert, wodurch die Koalitionsmöglichkeiten aller Parteien variationsreicher geworden sind. Koalitionsbildungen werden damit umso komplexer, je offener Parteien auf Koalitionsangebote aus dem jeweils anderen politischen Lager reagieren. Begleitet und begünstigt wird diese Entwicklung von einem steten Verlust an Wählerstimmen der Volksparteien CDU und SPD. Während sich deren Wahlergebnisse bis in die 1980er Jahre hinein regelmäßig bei knapp 50 Prozent der abgegebenen Stimmen einpendelten, überschreiten sie heute nur mit Mühe die 40-Prozent-Marke – und die SPD kommt Umfragen zufolge momentan sogar nur auf gut 20 Prozent.

    Als Konsequenz aus dieser Entwicklung müssen sich alle Parteien für neue Koalitionen öffnen, da zukünftig vermehrt Drei-Parteien-Bündnisse notwendig sein werden, um eine stabile Regierungsmehrheit zu erreichen. Die Grünen erreichen allerdings seit Wochen konstant hohe Umfragewerte, bei denen die Partei teilweise bei weit über 20 Prozent steht. Daher ist seit Kurzem viel von einer möglichen schwarz-grünen Koalition die Rede, bei der Union und Grüne auf eine komfortable Mehrheit zählen könnten. Bei einem genaueren Blick erkennt man aber: Die Option Schwarz-Grün ist unter allen möglichen Koalitionen die unwahrscheinlichste.

    Die Parteibasis als wichtigstes Hindernis für Schwarz-Grün

    Triebfeder dieser Gedankenspiele ist die wahltaktisch missliche Lage der Union: Mit der in ein desolates Umfragetief gestürzten FDP bricht der CDU/CSU der jahrzehntelange natürliche Koalitionspartner weg, eine erneute Wiederholung der großen Koalition mit der SPD ist wenig erstrebenswert und die inhaltliche Entfernung zur Linkspartei könnte größer kaum sein – da bleibt als einzige Alternative nur ein Bündnis mit den Grünen. Durch den inzwischen nur noch formal im Parlament zu beschließenden Atomausstieg Deutschlands bis zum Jahr 2022 scheint nun auch ein gewichtiges Hindernis für ein schwarz-grünes Bündnis beiseite geräumt. Und trotzdem müsste sich schon einiges bewegen, damit die nächste Bundesregierung gemeinsam von Union und Grünen gebildet wird.

    In beiden Parteien sind die Vorbehalte an der Parteibasis trotz einiger weniger kommunaler und regionaler Vorzeigeprojekte zu groß, als dass eine weitere Annäherung so einfach durch die Parteiführung beschlossen werden könnte. In der Union werden schon seit längerer Zeit Stimmen laut, die vor einer weiteren Abflachung des einst scharfen Profils warnen. Auf diese Weise lassen sich vielleicht Stimmen in der politischen Mitte der Gesellschaft gewinnen, gleichzeitig droht aber ein Stimmenverlust an den Rändern. Der enorme Stimmenverlust der Union an die FDP bei der letzten Bundestagswahl dürfte auf diesen Effekt zurückzuführen sein. Es gibt daher auch immer wieder Bemühungen von Unionsmitgliedern, sich durch "Negative-Campaigning" klar gegen die Grünen abzugrenzen (Siehe den Parteiwerbespot der CSU im Video oben oder auch den von der CDU ins Leben gerufenen Online-Auftritt die-dagegen-partei.de).

    Bei den Grünen hingegen hat der Parteitag von vergangenem Samstag erst wieder gezeigt, welch großes Mißtrauen die Parteibasis der Union unter Angela Merkel entgegenbringt. Einfach wäre ein Bündnis aus Union und Grünen also sicherlich nicht zu schmieden. Zunächst gilt es aber sowieso erst einmal, die nächste Bundestagswahl abzuwarten. Wer weiß, ob die Grünen dann überhaupt noch der attraktive Mehrheitsbringer sind, der sie momentan zu sein scheinen. Aber selbst wenn sie ihr aktuelles Umfragehoch im Jahr 2013 tatsächlich in Wählerstimmen ummünzen können, ist eine Koalition aus SPD und Grünen, vielleicht auch aus Grünen und SPD wie derzeit in Baden-Württemberg, weitaus wahrscheinlicher als Schwarz-Grün.

    Kalenderblatt - 26. April

    1925 Hindenburg wird zum Reichspräsidenten gewählt.
    1954 Eröffnung der Ostasien-Konferenz in Genf, auf der über die Koreafrage und den Frieden Indochinas beraten werden soll.
    1974 Der Bundestag stimmt über die Reform des § 218 ab und entscheidet sich für die Fristenlösung, die aber am 25. Februar vom Bundesverfassungsgericht für verfassungswidrig erklärt wird.