Martin Heidegger

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    deutscher Philosoph; * 26. September 1889 in Meßkirch, † 26. Mai 1976 in Freiburg im Breisgau

    Martin Heidegger ist neben Karl Jaspers der bedeutendste Vertreter der deutschen Existenzphilosophie.

    Heidegger studierte Philosophie und katholische Theologie in Freiburg im Breisgau; von 1919 bis 1923 war er dort als Assistent von E. Husserl tätig. 1923 wurde er als Professor nach Marburg berufen; 1928 wurde er Nachfolger von Husserl in Freiburg. Da er während des Dritten Reiches mit den Nationalsozialisten sympathisierte, entzog ihm die französische Besatzungsmacht von 1946 bis 1951 die Lehrerlaubnis.

    Schlagartig bekannt wurde Heidegger mit seinem 1927 erschienenen Werk "Sein und Zeit". In einer eigens dafür geschaffenen eigenwilligen Terminologie ("Befindlichkeit", "Geworfenheit", "Sein zum Tode") stellte er die Frage nach dem Sinn des Seins. Das menschliche Dasein bezeichnet er dabei als "In der Welt sein", als Grundstimmung bestimmt er die Angst.

    Heideggers Denken geht vom Menschen aus und endet wieder bei ihm; nur er kann nach seinem Sein und dem Sinn seines Seins fragen. Er ist nicht nur Seiendes unter vielen Seienden (wie das Sandkorn oder der Regenwurm), er kann sich auch als Seiendes verstehen. Er allein ist Dasein, das sich selbst begreift und sogar die Grenzen seines Seins zu überschreiten vermag (transzendiert).

    Die Maßstäbe des Menschen sind die Existenziale. Ein solches Existenzial, eine Weise des menschlichen Seins, ist das In-der-Welt-Sein. Der Mensch begegnet der Welt nicht durch das Erkennen, sondern durch das Tun, das Hantieren, durch das "Besorgen". Das, was der Mensch herstellt, womit er umgeht, ist das "Zeug". Der Tisch, auf dem wir schreiben, das Haus, in dem wir wohnen, das Auto, mit dem wir fahren, ist Zeug, das nur insofern ist, als es für uns ist. Der Mensch findet sich aber nicht nur in der Welt, er findet sich auch zugleich mit anderen Menschen im Dasein vor. Die anderen sind mit uns da, unser Sein ist also ein Mit-Sein. Die anderen sind nicht bloß Zeug, das wir für unsere Zwecke gebrauchen könnten, sondern haben Eigenwert. Unser Verhältnis zu ihnen ist charakterisiert durch die "Fürsorge" (die Heidegger allerdings nicht im karitativen Sinn versteht, sondern ganz allgemein als menschliches Verhältnis, als Beziehung der Menschen untereinander). Das "Besorgen" der Welt und das "Fürsorgen" gegenüber dem Mit-Dasein sind zwei Arten der Sorge.

    Eine unbekannte Macht, ein Gott oder Dämon, hat den Menschen ins Dasein geworfen (Geworfenheit des Daseins). Er wurde nicht nach seinem Willen gefragt, sein Dasein enthüllt sich als eine ihm auferlegte Last. Dennoch hat er diese Last zu tragen. Das führt uns zur Existenz. Der Mensch entwirft seinen Lebensplan, er formt die Welt. Seine Entwürfe weisen ihn stets in die Zukunft. Er existiert nur insofern, als er seine eigenen Pläne verwirklicht, seine eigenen Entwürfe in die Tat umsetzt; er verzichtet auf persönliche Lebensgestaltung, wenn er lediglich ausführt, was andere von ihm verlangen.

    So wird die Freiheit zum Zentralpunkt der Philosophie Heideggers. Das Dasein wird zur Existenz, wenn der Mensch in Freiheit die Welt nach seinem Entwurf formt oder, anders ausgedrückt: aus der Immanenz in die Transzendenz vorstößt. Existenz ist also ein Vorgang, ein ständiges Transzendieren.

    Die Grundbefindlichkeit unseres Daseins ist die Angst. Wir bangen um unser Dasein. Unser Sein ist ein Sein-zum-Tode, und deswegen hat der Mensch Angst. In der unbedingten, totalen Angst zerbrechen alle Absicherungen und Versicherungen des Lebens. Sie hält uns über einen Abgrund, über das Nichts. In der Angst wird das Sein zum Nichts.

    Die gedankenlose Alltäglichkeit, die Zerstreuung, die ruhelose Hast und Jagd nach dem, was wir wichtig nennen, die Beschäftigungen sollen uns über die wahre Befindlichkeit unseres Daseins hinwegtäuschen. Unsere Lebenshypothesen sind die Krücken, mit deren Hilfe wir der Angst vor dem Tod zu entfliehen trachten. Nur wer den Mut hat, der Angst standzuhalten, findet gerade dann, wenn alles um ihn zu versinken droht, zu sich selbst und entdeckt seinen innersten Kern, die Existenz.

    Der Tod ist von allen Möglichkeiten des Daseins die eigentlichste, unbedingteste. Er ist nicht zu überspielen, nicht zu ersetzen, nicht zu überholen. Er ist uns eingepflanzt "wie der Gröps von einem schönen Apfel" (Rilke). Heidegger fasst den Tod nicht als zeitlich festlegbares Ereignis auf, das irgendwann einmal stattfindet, sondern der Tod ist mitten im Dasein, in uns, vom ersten Augenblick an da: "Der Tod ist eine Weise, zu sein, die das Dasein übernimmt, sobald es ist." Durch den Tod erhält das Leben Sinn und Begrenzung, bildet es eine Ganzheit. Ohne Tod brauchten wir gar nie anzufangen, unser Leben, die Welt zu gestalten. So aber wissen wir nicht, wann er uns auslöscht. Und gerade dadurch bekommt jede Minute unseres Daseins ihre eigentliche Bedeutung.

    Neben Platon, Aristoteles und den Vorsokratikern wurde Heidegger auch von Kierkegaard und Nietzsche stark beeinflusst. Auf die Theologie übte Heidegger durch seine spätere Unterscheidung zwischen Sein und Seiendem Einfluss aus (unter anderem auf K. Rahner). Einer seiner bedeutendsten Schüler ist H.G. Gadamer.

    Werke

    "Kant und das Problem der Metaphysik" (1929), "Was ist Metaphysik?" (1929), "Holzwege" (1950), "Einführung in die Metaphysik" (1953), "Nietzsche" (1961), "Phänomenologie und Theologie" (1970), "Erläuterungen zu Hölderlins Dichtung" (1971) u.a.