Tschad Geschichte

    Aus WISSEN-digital.de

    Anfänge

    Felszeichnungen aus dem Tibesti-Gebirge bezeugen, dass diese Gegend bereits in der Jungsteinzeit besiedelt war. Vermutlich ab dem 4. Jt. vor Beginn der christlichen Zeitrechnung begannen verschiedene negroide Völker die Gegend um den Tschadsee zu besiedeln, die als Vorfahren der heutigen schwarzen Bevölkerung des Landes gelten (unter anderem Sara, Sao, Haussa).

    Ab dem 8. Jh. wurde das Gebiet um den Tschadsee ein Knotenpunkt für die Karawanen, die sich zwischen dem bereits islamisierten Nordafrika (Ägypten, Sudan) und den schwarzafrikanischen Gebieten in West- und Zentralafrika bewegten und als Haupthandelsgüter Golf, Salz und Sklaven mit sich führten. Das Königreich Kanem kristallisierte sich zur dominanten Macht in der Tschadregion heraus, seine Führer traten Ende des 11. Jh.s zum Islam über. Seine größte Ausdehnung hatte das Kanem-Reich vermutlich im 13. Jh. Um 1390 musste die Hauptstadt des Reiches aufgrund der ständigen Bedrohung durch arabisch-berberische Stämme verlegt werden nach Bornu im Südwesten des Tschadsees (heute Nigeria).

    Ab dem 16. Jh. verlor das Reich Gebiete an die entstandenen Reiche Bagirmi (im Südwesten der heutigen Republik Tschad) und Ouadaï im Osten. In der zweiten Hälfte des 19. Jh.s gelang es dem arabischen Sklavenhändler Rabeh Zubair, das Gebiet um den Tschadsee zu besetzen und die dort lebenden Stämme zu unterwerfen.

    Kolonialzeit

    Europäer hatten bereits in der ersten Hälfte des 19. Jh.s begonnen, die Region zu erforschen. Im Zuge der europäischen Kolonialpolitik wurde Afrika unter den Großmächten aufgeteilt, die Grenzen der bestehenden Königtümer und Stammesgebiete wurden dabei weitgehend nicht berücksichtigt. Große Gebiete der heutigen Republik Tschad fielen an Frankreich, im April 1900 mussten die Truppen des Sklavenhändlers Rabeh Zubair den Franzosen weichen (Schlacht bei Kousseri, das heute in Kamerun liegt). Die französisch besetzten Gebiete wurden zum Protektorat erklärt, drei Jahre später zur französischen Kolonie. 1910 wurde das Gebiet des heutigen Tschad Teil von Französisch-Äquatorialafrika. 1920 wurde das Gebiet eine eigenständige Kolonie, 1930 erweitert, und nach der Einbeziehung des Tibesti-Gebirges erhielt das Land seine heute noch gültigen Grenzen.

    Nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs wurde der Tschad als Überseeterritorium Teil der Französischen Union, 1958 eine autonome Republik innerhalb der Französischen Gemeinschaft.

    Im Land selbst wurden ab den 40er Jahren erste politische Parteien gegründet, Gabriel Lisette von der "Parti Progressiste Tchadien" (PPT) wurde erster Regierungschef des Landes. Er repräsentierte mit seiner Partei die christliche Bevölkerung im Süden des Landes und wurde von den Moslems im Norden des Landes überwiegend abgelehnt. Das traf ebenso auf seinen Nachfolger François Tombalhaye (PPT) zu, der das Amt nur ein Jahr später übernahm.

    Unabhängiger Staat

    Im August 1960 wurde die Republik Tschad endgültig unabhängig. Tombalhaye wurde erster Staatspräsident der Republik (bis 1975). Er verfolgte einen pro-französischen Kurs und besetzte alle wichtigen Ämter mit PPT-Mitgliedern. Die Interessen des islamischen Teils der Bevölkerung wurden dadurch zurückgedrängt, nach Unruhen im Land ließ Tombalhaye alle Parteien außerhalb der regierenden PPT (die ab 1965 Einheitspartei wurde) verbieten. Oppositionelle Politiker wurden verfolgt und inhaftiert.

    1966 bildete sich die von Libyen unterstützte Widerstandsfront "Front de Libération Nationale du Tchad" (FROLINAT), die den Kampf gegen die Regierung aufnahm. Tombalhaye musste französische Truppen zu Hilfe nehmen, um an der Macht zu bleiben, trotz deren Unterstützung gelang es ihm aber nicht, die Widerstandsbewegung zu besiegen. Nachdem Frankreich seine Truppen 1971 aus dem Tschad abgezogen hatte, proklamierte Regierungschef Tombalhaye die "nationale Versöhnung": inhaftierte Oppositionelle wurden aus dem Gefängnis entlassen, man bemühte sich um Friedensgespräche mit der FROLINAT bzw. mit Libyen. Nach der Einstellung der Unterstützung der Rebellengruppe besetzten libysche Truppen im Gegenzug den rund 115 000 Quadratkilometer großen Aozou-Streifen im Norden des Tschad.

    1973 startete die Regierung Tombalhaye eine so genannte "Kulturrevolution", um sich gegen die wachsenden Widerstände weiter an der Macht zu halten: Aus der PPT wurde die "Mouvement National pour la Révolution Culturelle et Sociale" (MNRCS), christliche Namen und Städte wurden geändert (die bisherige Hauptstadt Fort Lamy hieß nun N'Djamena). 1975 wurde Tombalhaye bei einem Militärputsch ermordet, sein Nachfolger wurde General Félix Malloum (bis 1979). Auch mit der von ihm verkündeten Politik der nationalen Einheit gelang es nicht, die Widerstandsbewegung FROLINAT, die inzwischen große Teile des Landes besetzt hatte, zu stoppen. 1976 vollzog sich in der Führungsspitze der schon seit längerem zerstrittenen Rebellenbewegung ein Wechsel, der FROLINAT-Führer Hissène Habré wurde durch Goukouni Queddei abgelöst.

    1979 kam es zur Friedenskonferenz von Kano (in Nigeria), bei der sich die insgesamt elf beteiligten Bürgerkriegparteien des Tschad auf die Bildung einer "Regierung der Nationalen Union" einigten. Neuer Staatschef wurde Goukouni Queddei. Konflikte zwischen Queddei und Habré, der Außenminister war, und deren jeweils verbündeten Armeen führten Anfang der 80er Jahre zu blutigen Kämpfen, in die auch libysche Truppen eingriffen.

    Trotz internationaler Vermittlungsversuche und einer im Land stationierten Friedenstruppe der OAU (Organization of African Unitiy) beherrschte der Bürgerkrieg auch weiterhin das Land. 1983 griffen erneut französische Truppen in das Geschehen ein. 1986 einigten sich Goukouni Queddei und sein Rivale Hissène Habré und rückten gemeinsam gegen die libyschen Truppen vor, die im Norden Teile des Tschad besetzt hielten. 1987 erklärte Libyen den Kampf mit dem Tschad für beendet, beanspruchte aber weiterhin die Aozou-Region für sich (Abzug der libyschen Truppen im Februar 1994).

    Die 1990er Jahre und das neue Jahrtausend

    1989 erhielt die Republik Tschad eine neue Verfassung, die am Einparteiensystem festhielt. Habré wurde erneut Staatspräsident, nur ein Jahr später aber von Oberst Idriss Déby gestürzt. 1992 wurden politische Parteien wieder zugelassen, 1994 kam es zu einem Friedenschluss zwischen den Bürgerkriegsparteien. Im Juli 1996 wurden die ersten freien Wahlen seit Erreichen der Unabhängigkeit 1960 durchgeführt, die Déby im Amt des Staatspräsidenten bestätigten. Seine Partei MPS (Mouvement Patriotique du Salut) ging eine Koalition mit der UNDR (Union Nationale pour le Développement et le Renouveau) ein, Regierungschef des Tschad wurde Nassour Ouado (bis 1999, Nachfolger Nagoum Yamassoum). Trotz umfangreicher internationaler Entwicklungshilfsprogramme zählte die Republik Tschad Ende 2000 immer noch zu den ärmsten Ländern weltweit. Ethnische Konflikte und die schlechte wirtschaftliche Lage führen dazu, dass über 60 % der Bevölkerung in großer Armut leben. Im Mai 2001 wurde Déby als Staatspräsident erneut bestätigt; seit Juni 2003 war Moussa Faki bis zu seinem Tod im Februar 2007 Regierungschef. Sein Nachfolger ist Delwa Kassiré Koumakoye.

    Tschad warf dem Sudan vor, Rebellen zu unterstützen, und im Dezember 2005 kam es zu Konflikten mit der sudanesischen Provinz Darfur, die offiziell in einem "Zustand der Feindseligkeit" gipfelte. Im April 2006 kam es zum Bürgerkrieg mit den Rebellen, die nur mit französischer militärischer Unterstützung an der Einnahme der Hauptstadt N'Djamena gehindert werden konnten, und Tschad brach die diplomatischen Beziehungen zum Sudan ab. Im Februar 2008 lieferten sich Rebellen heftige Schusswechsel mit Regierungstruppen in der umkämpften Hauptstadt N'Djamena. Eine EU-Friedenstruppe ist seit März 2008 im Tschad und in Zentralafrika stationiert. Es befinden sich über 230 000 Flüchtlinge aus Darfur im Tschad, die eine neue Heimat suchen. Die Zahl der Flüchtlinge aus dem Tschad selbst liegt bei etwa 180 000.