Spanien (Kunst)

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    Die spanische Kunst ist geprägt durch die europäische Randlage zum mittelmeerisch-antiken und islamisch-arabischen Kunstraum; prunkvolles Dekor und Kargheit, starke Farben und tiefes Dunkel, Ekstase und Disziplin, Vision und Realismus.


    Geschichte

    Die urgeschichtliche spanische Kunst wird durch jungpaläolithische Felsbilder Nordspaniens (ca. 60 Höhlen; Altamira) vertreten, im Osten Spaniens durch Felsmalereien der mittleren Steinzeit (neolithische Kulturen, Dolmen von Antequera, Zusammenhang mit nordafrikanischer Almeria-Kultur).

    Im 1. Jh. v.Chr. phönikische und griechische Einflüsse auf die keltischen und iberischen Stadtkulturen mit figürlicher steinerner oder bronzener Plastik (Tierfiguren; "Dame von Elche", 4. Jh. v.Chr., Madrid, Archäologisches Museum; opfernde Frauen aus Cerro de los Santos, 5. bis 3. Jh. v.Chr.; "Stiere von Guisando" bei Ávila). Ab Ende des 3. Jh.s v.Chr. war die iberische Halbinsel römische Provinz (Hispania) mit entwickelter provinzialrömischer Kunst (Theater von Mérida, Aquädukte von Segovia, Tarragona, trajanische Tejobrücke in Alcántara, Orpheusmosaik im Museum Saragossa u.a.).

    Ab 5. Jh. (Völkerwanderung) wirkten die Westgoten auf die spanische Kunst; Ergebnisse sind Kirchen des 6./7. Jh.s (Baños, S. Pedro de Nave, Tarrasa, Zamora u.a.), goldene Weihekronen aus Guarrazar, die Kirchen des 9. Jh.s (S. María de Naranco, S. Miguel de Lillo bei Oviedo).

    Seit 711 unterwarfen die Araber die iberische Halbinsel (bis auf den Nordwesten), und die islamische Kunst wirkte auf die spanische Kunst: Moschee von Cordoba (785 ff., Abd Ar Rahman I.) war ein bedeutender Sakralbau dieser Zeit und die Alhambra (2. Hälfte des 14. Jh.s) ein bedeutender maurischer Profanbau (weitere Beispiele islamischen Einflusses: Aljafería-Palast, Saragossa, 11. Jh.; Minarett der Moschee von Sevilla, so genannte Giralda, 1184 bis 1195). Maurisches Kunsthandwerk, Buchmalerei und Baukunst wirkten bis ins 11./12. Jh. und wurden von christlichen Künstlern absorbiert (mozarabischer Stil; Apokalypse-Kommentare des Beatus von Luébana, 10./11. Jh.; S. Miguel de Escalada, 913 geweiht u.a.).

    Im Zusammenhang mit der mittelalterlichen Pilgerroute nach Santiago de Compostela (romanische Kathedrale, ab 1075 erbaut; europäisches Pilgerzentrum) breitete sich die Romanik in der spanische Kunst aus; romanische Sakralarchitektur sind die Kathedralen in Jaca (1054), Ávila, Zamorra (12. Jh.) u.a.; plastische Höhepunkte sind Skulpturen im Pórtico de la Gloria (Meister Mateo, 1168 bis 1211), Reliefs des Kreuzganges von S. Domingo de Silos (11./12. Jh., Provinz Burgos); romanische Malerei ist in monumentalen Wandfresken (S. Clemente, S. María in Tahull, ca. 1123) und in Wand-, Deckenmalereien (Portikus von S. Isidoro, León, 1167 bis 1188) erhalten.

    Unter Einfluss der Zisterzienser vollzog sich in sakraler Architektur der Übergang zur Gotik (Kathedralen von Cuenca, ab 1197; Burgos, ab 1221; Toledo, ab 1226; León, ab 1255), die dann in den Kathedralen von Barcelona (ab 1298), Palma de Mallorca (ab ca. 1306), Sevilla (ab 1402) einen eigenen spanischen Ausdruck fand, der sich in der Spätgotik als Isabellastil festigte (Verbindung maurischer, flämischer und deutscher Stilelemente, Karthäuserklosterkirche von Miraflores bei Burgos, ab ca. 1478; mit Hauptaltar von G. de Siloé, 1496 bis 1499; Fassaden der Klosterkirchen S. Pablo und des Colegio S. Gregorio, Valladolid, spätes 15. Jh.); spätgotische Plastik entwickelte monumentale Altaraufsätze (Kathedrale von Sevilla, 1482 bis 1525, Toledo, ab 1502), die bis ins Kirchengewölbe reichten und Retabeln des 16./17. Jh.s als Vorbild dienten.

    Die spanische Malerei des 15. Jh.s assimilierte Einflüsse der italienischen und französischen Gotik und schuf unter der Wirkung flämischer Meister (J. van Eyck u.a.) den so genannten hispano-flämischen Stil (L. Dalmau, J. Huguet in Katalonien; F. Gallego in Salamanca; P. Berreguete als Vermittler italienischer Renaissance, so im Hochaltar des Klosters S. Tomás, Ávila).

    Spanische Renaissance-Architektur bildete sich als plateresker Stil heraus (gotisch-italienisch-maurischer Mischstil, auch "Goldschmiedestil" genannt; vom Isabellastil schwer zu unterscheiden), der mit Flächenornamentik und Einbeziehung der Groteske den spätgotischen Dekor überwand (Fassaden der Universitäten von Salamanca, ca. 1525, von Alcalá de Henares, 1543, des Klosters S. Marcos, León, 1533 bis 1541).

    Etwa Mitte des 16. Jh. entwickelte sich in der spanische Kunst die klassische Renaissance, beflügelt durch Absolutismus, religiöse Mystik, Weltmachtgefühl und Glaubensfanatismus (Inquisition); Höhepunkt dieser Etappe der spanische Kunst ist der Palast Karls V. auf der Alhambra (Granada, P. Machuca, ab 1527); zentrales Moment der Gegenreformation ist das Klosterschloss El Escorial (J.B. Toledo, J. de Herrera, ab 1563), trotz klassischer Form eine typisch spanische Grundkonzeption, zwei Jahrhunderte als vorbildhaft angesehen.

    Die klassische Renaissance-Skulptur wird dominiert vom religiös-expressiven Werk A. Berreguetes; in der Malerei wirkte der europäische Manierismus, der durch den 1577 bis 1614 in Toledo arbeitenden Kreter El Greco genial mit italienischen, d.h. venezianischen Elementen zu einer expressiven, visionären, asketisch-religiösen Malerei verbunden wurde.

    In der folgenden Barockperiode wurden in der Baukunst die zentralen Plätze (plazas mayores) geschaffen (Anlagen in Madrid und in Salamanca, hier von A. Churriguera), wie die Malerei dieser Zeit Ausdruck eines "Goldenen Zeitalters" der Kunst (la edad de oro). Hergeleitet aus dem Namen der Künstlerfamilie Churriguera (aus Salamanca) wurde für den spanischen Barockstil (reiche, fantasievolle Ornamentik) der Begriff Churriguerismus geprägt.

    Bildhauer des spanischen Barock waren G. Fernández (Nordspanien) und im Süden J. Martínez Montanéz, A. Cano, P. de Mena. Naturalistisch bemalte, pathetische Skulpturen mit ausdrucksvollen Physiognomien wurden für die religiösen Prozessionen (Karwoche) geschaffen. Die Malerei des Barock nahm im europäischen Rahmen einen bedeutenden Platz ein; Künstler waren D. Rodríguez de Silva Velázquez, B.E. Murillo, J. de Ribera, F. de Zurbarán.

    Unter dem Einfluss Caravaggios entstand eine Malerei, die mit tiefen Hell-Dunkel-Kontrasten operierte (Tenebrismus), den Manierismus überwand und einen zeittypisch, freimütigen Realismus schuf. Velázquez malte höfische Themen, aber auch Historien- und Ereignisbilder, J. de Ribera ("lo Spagnoletto") Martyriendarstellungen, Murillo stellte das Volksleben dar und de Zurbarán, der für den Kartäuserorden malte, schuf stille, monumentale Gestalten mit eindringlicher Physiognomie.

    In der 2. Hälfte des 18. Jh.s breitete sich unter dem Einfluss ausländischer Künstler der Klassizismus aus. Ausnahmeerscheinung (ähnlich wie Velázquez) war F.J. de Goya y Lucientes, der, obwohl Porträtist des Hofes, in Malerei und Grafik einen schonungslosen Realismus verwirklichte und in Abkehr vom Rokoko fantastisch, visionäre, expressive Bilder schuf, eine Vorwegnahme moderner Ausdrucksmöglichkeiten der Malerei.

    Im 19. Jh. unterschied sich die spanische Kunst nicht von der übrigen Kunst Europas; klassizistische Künstler dominierten, romantische Genremalerei entstand.

    Im 20. Jh. hat die spanische Kunst wieder ihre bedeutende internationale Eigenständigkeit gewonnen, wenn auch die namhaften Künstler überwiegend in Frankreich wirkten (unter anderem als Folge des Francismus), mit Ausnahme des Architekten A. Gaudí, der seit 1878 mit seinen kühnen, subjektiven (Jugendstil-Bauten (und Kunsthandwerk) weit über Spanien hinaus bekannt wurde (ähnlich in neuerer Zeit die funktionalistische Architektur von J.L. Sert; ebenso E. Torroja, F. Candela, T. Leoz u.a.).

    Zu einem zentralen Künstler des 20. Jh.s entwickelte sich Pablo Picasso, der von der Gruppe "Les Quatre Gats" (symbolistischer, sozialkritischer Jugendstil; R. Casas u.a.) ausging; am Kubismus und Surrealismus der École de Paris waren spanische Maler (neben Picasso: J. Gris, J. Miró, S. Dali) beteiligt (als Bildhauer auch J. Gonzáles). Vor der Repression und dem traditionalistischen Pseudo-Realismus des Franco-Regimes flohen viele spanische Künstler ins Ausland. Nach 1945 gewann jedoch (neben dem Neosurrealismus) auch in Spanien die abstrakte Kunst an Einfluss (Materialkunst A. Tapiés'; A. Saura, M. Millares, die Bildhauer E. Chillida, P. Berrocal u.a.).

    Kalenderblatt - 26. April

    1925 Hindenburg wird zum Reichspräsidenten gewählt.
    1954 Eröffnung der Ostasien-Konferenz in Genf, auf der über die Koreafrage und den Frieden Indochinas beraten werden soll.
    1974 Der Bundestag stimmt über die Reform des § 218 ab und entscheidet sich für die Fristenlösung, die aber am 25. Februar vom Bundesverfassungsgericht für verfassungswidrig erklärt wird.