Paraguay Geschichte

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    Kolonialzeit

    Bevor die Spanier in den 30er Jahren des 16. Jh.s von Nordwesten her kommend das Gebiet des heutigen Paraguay eroberten, lebten hier Indianerstämme als Halbnomaden. 1537 gründeten die Spanier die Stadt Nuestra Señora Santa María de la Asunción am Río Paraguay (in der Guaraní-Sprache "Papageienfluss"). Die Jesuiten begannen mit der Christianisierung der einheimischen Indianer: Dafür bauten sie ab 1604 eigene Dörfer auf, so genannte Reduktionen, zu denen nur Angehörige des Ordens und Indianer Zutritt hatten. Obwohl diese Dörfer offiziell der spanischen Kolonialverwaltung unterstanden, besaßen sie eine eigene Verwaltung und isolierten sich nach außen. 1767 wurden die Jesuiten aus dem Land vertrieben und die Reduktionen aufgelöst.

    Bis 1580 Buenos Aires an der Atlantikküste im heutigen Argentinien gegründet und Zentrum des spanischen Kolonialreiches im Südosten des Subkontinents wurde, hatte Asunción diese Rolle für einige Jahrzehnte inne. Die Kolonialherren förderten die Vermischung der spanischen Einwanderer mit den einheimischen Indianern, aus der Vermischung beider Völker entstanden die Mestizen, die heute über 90 % der Bevölkerung Paraguays ausmachen.

    Unabhängigkeit von Spanien

    Bis 1776 war Paraguay Bestandteil des spanischen Vizekönigreichs Peru, ab diesem Zeitpunkt gehörte es dem neugegründeten Río de La Plata an (mit Buenos Aires als Zentrum). Als dort um 1810 der Widerstand gegen die spanischen Kolonialherren in eine Revolution gipfelte, nahm auch der Widerstand in Paraguay Formen an. Im Mai 1811 erklärte das Land seine Unabhängigkeit von Spanien und auch von Argentinien. 1813 wurde die Republik ausgerufen und von Spanien anerkannt. Führer der neuen Regierung wurde José Gaspar Rodríguez de Francia (bis 1840). Dieser schottete sein Land zunächst gegen Argentinien und auch die anderen Nachbarländer ab, um deren Einfluss zu vermindern und förderte die Vermischung der Weißen und Indianer im Land. 1816 wurde José Gaspar Rodríguez de Francia zum Diktator auf Lebenszeit berufen (El Supremo). 1844 kam Carlos Antionio López, ein Neffe von Ex-Diktator Francia, an die Macht und öffnete das Land wieder gegenüber der Außenwelt. Bereits unter Francia hatte sich die Wirtschaft des Landes (vor allem die Landwirtschaft) enorm entwickelt, nun führte der vermehrte Warenverkehr mit den anderen Ländern zu einem neuerlichen Aufschwung. Doch der außergewöhnliche Wohlstand des Landes hielt nicht lange an: Francisco Solano López, der 1862 nach dem Tod seines Vaters die Macht in Paraguay übernommen hatte, stürzte das Land in einen Krieg gegen Brasilien, Argentinien und Uruguay (1964-70), der unzählige Menschenleben forderte und die Wirtschaft des Landes ruinierte. Paraguay stand bis 1876 unter brasilianischer Besatzung und verlor etwa die Hälfte seines Territoriums. Zur Erfüllung der Reparationsforderungen mussten weite Teile des Landes an ausländische Investoren verkauft werden.

    Bis Anfang des 20. Jh.s wechselten sich verschiedenen diktatorische Staatsführungen ab, während der Wiederaufbau des Landes weitgehend stagnierte. Zu den wichtigsten politischen Kräften des Landes kristallisierten sich die konservative Colorado-Partei (Asociación Nacional Republicana) und die Liberale Partei ("Azules") heraus. Unruhen und Aufstände bestimmten die innenpolitische Lage. Erst unter der Führung von Eduardo Schaerer als neuem Staats- und Regierungschef (1912-16) begann sich die Lage zu beruhigen und erste Erfolge wurden beim Aufbau der Wirtschaft erzielt. 1929 brach zwischen Paraguay und Bolivien der so genannte "Chaco-Krieg" (bis 1935) aus um große Gebiete des Gran Chacos, in denen reiche Erdölvorkommen vermutet wurden. Paraguay siegte und konnte große Teile des Chaco Boreal zum Staatsterritorium erklären, die Hoffnungen auf Erdölvorkommen erfüllten sich allerdings nicht.

    Paraguay unter Stroessner

    Eine Verfassungsänderung 1940 baute die Machtposition des Präsidenten weiter aus, der nun nicht nur Staats- und Regierungschef, sondern auch noch Oberbefehlshaber der Streitkräfte war. 1945 putschte sich General Afredo Stroessner, Sohn eines Deutschen und einer Indianerin, an die Macht und regierte das Land bis 1989. Unter ihm wurde die konservative Colorado-Partei zur Einheitspartei erklärt, alle Personen in leitenden Positionen mussten Parteimitglied sein. Eine echte Opposition konnte sich trotz der alle fünf Jahre abgehaltenen Präsidentschaftswahlen nicht etablieren.

    In den 60er Jahren holte die Staatsführung gezielt Japaner und Deutsche ins Land, um das Chaco-Gebiet zu besiedeln und zu kultivieren.

    1975 kam es zu einem Freundschafts- und Kooperationsabkommen mit Brasilien, ein Jahr später begannen beide Staaten mit dem Bau des riesigen Itaipú-Staudamms am Fluss Paraná (1982 fertig gestellt). Die Wirtschaft des Landes verzeichnete allmählich wieder bessere Wachstumsraten, was sowohl auf staatlich geförderte Infrastrukturmaßnahmen als auch auf Drogenhandel und Geldwäsche beruhte.

    Demokratisierung

    1989 kam durch einen erneuten Putsch General Andrés Rodríguez an die Macht, der eine Demokratisierung des Landes einleitete. 1992 wurde eine neue demokratische Verfassung proklamiert, die unter anderem eine unmittelbare Wiederwahl des Staatspräsidenten verbot. Bei den ersten demokratischen Wahlen 1993 setzte sich die konservative Colorado-Partei erneut gegenüber den anderen Parteien durch, ihr Vertreter Juan Carlos Wasmosy Monti wurde neuer Staats- und Regierungschef des Landes. Monti - selbst Multimillionär - sah sich in den folgenden Jahren wiederholt mit Korruptionsvorwürfen konfrontiert und wurde zum Rücktritt aufgefordert. Bei den Präsidentschaftswahlen 1998 setzte sich wieder ein Vertreter der Colorado-Partei durch, Raúl Cubas Grau wurde neuer Staatschef Paraguays. Gegen ihn lief binnen kurzer Zeit ein Absetzungsverfahren, da er beschuldigt wurde, an der Ermordung seines eigenen Vizepräsidenten, Luis Maria Argaña, beteiligt gewesen zu sein. Im März 1999 trat Raúl Cubas Grau von seinem Amt zurück. Sein Nachfolger wurde Luis Gonzales Macchi, der bis zu diesem Zeitpunkt Präsident des Senats war. Im Mai 2000 kam es zu einem Putschversuch gegen Macchi, im Juli 2002 fanden gewalttätige Demonstrationen gegen ihn statt. Die Regierung beschuldigte den im brasilianischen Exil lebenden Ex-General Lino Oviedo, treibende Kraft der Proteste zu sein. Im August 2003 trat Macchis Parteikollege Nícanor Duarte Frutos an die Spitze des Landes. Unter seiner Präsidentschaft lebte weiterhin der Großteil der Bevölkerung Paraguyas in Armut, während die Erlöse aus den Agrarexporten nur wenigen zugute kamen. Zum Ende seiner Amtszeit hin versuchte Duarte, sich mit Hilfe einer Verfassungsänderung erneut zur Wahl zu stellen. Dagegen gab es breite Proteste, angeführt vom "Bischof der Armen" Fernando Lugo. Mit dem Sieg des ehemaligen Bischofs und Befreiungstheologen, der an der Spitze eines Mitte-Links-Bündnisses steht, bei den Präsidentschaftswahlen im April 2008 wurde die konservative Colorado-Partei zum ersten Mal seit 61 Jahren abgelöst. Lugo kündigte unter anderem eine Agrarreform an.