Nigeria Geschichte

    Aus WISSEN-digital.de

    Mittelalter bis 19. Jahrhundert

    Auf dem Gebiet des heutigen Nigeria gab es viele verschiedene Königreiche: Im 8. Jahrhundert ließ sich das Volk der Haussa im Norden nieder und errichtete eigene Staaten, unter ihnen das mächtige Königreich von Kanem-Bornu, das islamisch geprägt war. Ab dem 10. Jahrhundert entstanden im Süden die Königreiche der Edo (Benin), der Yoruba (Ife, Oyo) und der Ibibio und Ibo.

    Im 15. Jahrhundert waren es die Portugiesen, die sich in Lagos in der Buch von Benin niederließen und mit dem Königreich Benin Sklavenhandel betrieben. Mitte des 19. Jahrhunderts vertrieben die Briten die Portugiesen und eroberten im Laufe der nächsten Jahrzehnte das gesamte Gebiet des heutigen Nigeria.

    Britische Herrschaft

    1900 bildete Großbritannien die Protektorate Süd- und Nordnigeria, die 1914 zur "Colony and Protectorate of Nigeria" zusammengeschlossen, jedoch wegen der ethnischen Unterschiede und Spannungen zwischen Nord und Süd weiterhin getrennt verwaltet wurden. Auch innerhalb des südlichen Nigeria kam es wiederholt zu Spannungen zwischen den Völkern der Ibo im Südosten und den Yoruba im Südwesten.

    Unabhängigkeit

    Nach dem Zweiten Weltkrieg wurden in Nigeria Regionalparlamente eingerichtet und der Bevölkerung mehr politische Selbstverwaltung zugestanden. Im Oktober 1960 erlangte Nigeria die Unabhängigkeit von Großbritannien innerhalb des Commonwealth, 1963 wurde die Republik ausgerufen. Erster Premierminister und damit Regierungschef wurde Abubakar Tafawa Balewa (1959 bis 1966) der Partei "Northern People’s Congress". Von Anfang an hatte der neue Staat mit starken ethnischen Spannungen zwischen den vier großen Volksgruppen (Fulbe, Yoruba, Haussa, Ibo) zu kämpfen.

    Bürgerkrieg

    Als Folge eines Militärputsches 1966 und der proklamierten Politik kam es im Norden des Landes zur Ermordung von Tausenden von Angehörigen des Ibo-Volkes. Auch unter der Führung von Oberst Yakubu Gowon (1966 bis 1975), der wiederum durch einen Putsch an die Macht kam, nahm das Morden kein Ende. Daraufhin wurde von den Ibo unter ihrem Führer Odumegwa Ojukwu im Südosten Nigerias eine eigene Republik namens Biafra ins Leben gerufen. Ein drei Jahre währender Bürgerkrieg, der schließlich mit der Auflösung von Biafra endete, war die Folge. Die Zahl der Toten wurde auf rund zwei Millionen geschätzt, wobei viele Menschen, vor allem Kinder, an den Folgen von Hunger und Unterernährung starben. Unter Oberst Gowon gelang eine rasche Wiedereingliederung des Ibo-Volkes.

    Neuere Entwicklungen

    1958 waren in Nigeria erste Erdöl-Vorkommen entdeckt worden, die seit 1969 von internationalen Gesellschaften gefördert wurden. Nigeria hatte auf Grund des Erdöls beträchtliche Staatseinnahmen, die jedoch durch Korruption im Verwaltungsapparat nicht dem Großteil der Bevölkerung zugute kamen. Ende der 1970er Jahre konnten politische Parteien wieder ihre Arbeit aufnehmen: 1979 wurde nach allgemeinen und freien Wahlen eine zivile Regierung eingesetzt. Staatspräsident wurde der Zivilist Shehu Shagari, der 1983 im Amt bestätigt wurde, doch wirtschaftliche Missstände führten noch im gleichen Jahr zu einem erneuten Putsch und zu einer erneuten Herrschaft des Obersten Militärrats (bis 1993). Von 1993 bis 1998 war General Sani Abacha Staatspräsident Nigerias. Die von ihm angeordneten Hinrichtungen von Oppositionellen und Andersdenkenden (wie z.B. des Schriftstellers Ken Saro-Wiwa) riefen weltweite Empörung hervor. Unter dem Präsidenten Abdulsalam Abubakar (1998 bis 1999) begann ein Prozess der Demokratisierung. Anfang 1999 kam es erstmals wieder zu freien Wahlen. Staatspräsident wurde Olusegun Obasanjo, der schon in den 1970er Jahren als General für drei Jahre an der Macht war, stärkste Partei wurde die reformorientierte PDP (Demokratische Volkspartei).

    Im Mai 1999 trat eine neue Verfassung in Kraft, die unter anderem der Bevölkerung des Nigerdeltas eine Beteiligung an den staatlichen Öleinnahmen zusagte. Seit Jahren kam es in diesem Gebiet zu blutigen Auseinandersetzungen zwischen den einzelnen Gruppen, bei denen es immer wieder um angebliche wirtschaftliche Vorteile bzw. Bevorzugung ging. Wiederholt wurden auch Angestellte der großen Ölkonzerne als Geiseln genommen und erst gegen hohes Lösegeld wieder freigegeben. Denn ausgerechnet in dem Landesteil, der dem Staat durch die Ölförderung die meisten Einnahmen bringt, leben die Menschen in großer Armut. Die Zusage einer 13-prozentigen Beteiligung an den Einnahmen führte zu neuen Aufständen und Konflikten im Nigerdelta, da die Völker dort eine höhere Beteiligung verlangten. In den letzten Jahren verloren Hunderte von Menschen ihr Leben bei dem Versuch, auf eigene Faust am schwarzen Gold zu verdienen: sie bohrten Löcher in die Pipelines und füllten Öl und Benzin in tragbare Behältnisse ab, um diese auf dem Schwarzmarkt zu verkaufen. Immer wieder kam es dabei zu Explosionen, die viele Menschenleben forderten.

    Ein weiterer Konflikt, der Nigeria auch im neuen Jahrtausend weiter beschäftigen wird, ist die anhaltende Fehde zwischen den christlichen Yorubas und den islamischen Haussas: Mehrere tausend Menschen fielen den blutigen Auseinandersetzungen im Jahr 2000 zum Opfer. Der Konflikt hatte sich zugespitzt, als bei den Wahlen 1999 mit Olusegun Obasanjo ein Mitglied des Volkes der Ibo an die Macht kam, während in den Jahren der Militärherrschaft davor das Volk der Haussa die wichtigsten Positionen inne hatte. Die Lage eskalierte Mitte 2000, als in einigen nördlichen Bundesstaaten Nigerias die islamische Scharia als gültiges Recht eingeführt wurde, entgegen den Verordnungen der Regierung. Inzwischen ist in rund einem Drittel der 36 Lokalregierungen Nigerias - vorwiegend im Norden - die Scharia ausgerufen worden.

    2007 ging Umaru Musa Yar’Adua als Sieger aus den Präsidentschaftswahlen hervor. Sowohl diese Wahlen wie auch die kurz zuvor stattfindenden Gouverneurswahlen waren von Gewalt überschattet. Außerdem kam es zu Manipulationen. So hatten in einigen Gebieten die Wahllokale erst erheblich verspätet oder gar nicht geöffnet. Obwohl sämtliche Beobachter und politische Analysten die Wahlergebnisse als unglaubwürdig anzweifelten, wurde Yar’Adua als Präsident vereidigt.