Smart Home & Co.: Wie intelligent ist die digitale Intelligenz?

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    Neue Anglizismen sind schon lange Symbol für Modernität und Fortschritt. Heute ist alles irgendwie "smart" und das Smarte ist dann auch noch intelligent und wird nunmehr beim Vornamen angesprochen: Alexa, Siri und Bixby erobern unseren Alltag und dominieren die einschlägigen Diskurse. Doch wie intelligent sind diese vielbeschworenen, "disruptiven" digitalen Technologien wirklich? Wie intelligent ist die digitale Intelligenz?

    Smarte Geräte - was steckt dahinter?

    Als "smart" galten früher nur Menschen. Das Adjektiv als solches könnte man mit so etwas wie "clever", "geschickt" oder "schlau" übersetzen. Mittlerweile hat es als Anglizismus jedoch auch unübersetzt Eingang ins Deutsche erhalten und kann nun ebenfalls auf Objekte angewandt werden. Heute scheint alles "smart" zu sein, was über eine Internetverbindung verfügt oder sich zumindest mit einem Internetfähigen Gerät verbinden lässt: Uhren, Fitnessarmbän-der, Telefone, Babyphones, Kühlschränke, Kaffeemaschinen, Lautsprecher, Fernseher oder gar Heizungsanlagen. Hinzu kommen sprachgesteuerte Schnittstellengeräte wie Alexa oder Siri, die ebenfalls "am Netz hängen" und über die sich andere Geräte steuern lassen.

    Wer heute ein bestimmtes Album hören oder die Heizung aufdrehen möchte, nimmt nicht einfach nur die Fernbedingung des CD-Players in die Hand oder dreht nicht einfach nur am Thermostat der Heizung, sondern sagt so etwa wie: "Alexa, spiel‘ mir Bob Dylans The Times They are a-Changin‘" oder "Alexa, erhöhe die Raumtemperatur um 5 Grad". Das ist praktisch, denn man kann mit Befehlen um sich schmeißen - das ansonsten obligatorische, lästige "Bitte" entfällt da natürlich -, sich auf der Höhe der Zeit und trotz seines kreditfinanzierten Eigenheims wie ein Hollywood-Schauspieler fühlen, der mit einem Cocktail in der Hand und im Bademantel durch sein riesiges Anwesen streift und seine Umgebung per Dekret nach Belieben dirigiert.

    Was soll’s auch: Wer den ganzen Tag entfremdet auf der Arbeit verbringt, der braucht eben wenigstens nach Feierabend - zumal in den eigenen vier (oder ein paar mehr) Wänden - das Gefühl von Kontrolle, Selbstbestimmung und Freiheit. Und genau dieses Gefühl geben ihm die Technik und auf ihr basierende moderne Connectgeräte.

    Technik ist weder "smart" noch "stupid"

    Diskurse, das hat etwa der Philosoph Michel Foucault betont, sind nicht einfach nur "heiße Luft", sondern Komplexe von Macht und haben daher eine strukturbildende Kraft. Einmal in eine bestimmte Richtung gelenkt und auf ein gewisses Begriffsinventar geeicht, prägen sie unser Denken, Wahrnehmen und Handeln im Alltag. Und so ist auch der Diskurs um angeb-lich smarte bzw. intelligente Geräte bereits von einer bestimmten Deutungsperspektive durch-tränkt: Wer oder was "smart" und/oder "intelligent" ist, ist wie selbstverständlich positiv be-setzt, und was positiv klingt, lässt sich natürlich gut auf dem Markt veräußern. Dabei könnte man die vielen neuen Gerätschaften, die unhinterfragt den Ritterschlag solch positiver Labels erhalten, jedoch genauso gut auch als "stupid" bezeichnen.

    Denn Technik, egal, ob sie über eine Internetverbindung verfügt oder sich über Sprache steu-ern lässt, ist für sich genommen weder "smart" noch "stupid". Sie ist auch überhaupt nicht in-telligent. Menschen sind "smart", "stupid" oder "intelligent", nicht aber Dinge bzw. Objekte. Insofern sind diese so wohlklingend daherkommenden Kategorien im Grunde genommen überhaupt nicht als Bezeichnungen für technische Objekte geeignet. Letztere sind zum einen nur so "dumm" oder "schlau", wie ihre Entwickler und Programmierer.

    Zum anderen sind sie selbst dann, wenn sie nach den besten und modernsten Standards der Technik sowie Regeln der Programmierkunst angefertigt worden sind, nicht fähig zur Autonomie, was Attribute wie "smart" oder "intelligent" aber durchweg suggerieren. Sie sind ganz einfach Maschinen bzw. Akkumulationen von Codes und Algorithmen, die überhaupt nicht denken oder handeln kön-nen. Sie verfügen, wie der Philosoph John Searle in seinem berühmten "Chinese Room-Experiment" zeigen konnte, nicht über die nur dem Menschen eigene Fähigkeit zur Operation des Verstehens von semantischen Gehalten. Smart Watches oder Smart TVs "verstehen" rein gar nichts, sondern tun nur das, was man ihnen durch Programmierung beigebracht hat.

    Insofern bleibt festzustellen, dass die sogenannten smarten Geräte natürlich ihre Vorzüge und nützlichen Seiten haben; sie können ohne jeden Zweifel unseren Alltag erleichtern. Gleich-wohl sollte man immer bedenken, dass in letzter Instanz es doch immer noch wir Menschen sind, die über die ganzen technischen Neuerungen bestimmen und nicht umgekehrt. Der Herr oder die Frau im Haus, sind nicht Alexa, Siri oder Bixby, sondern Felix, Ulrike oder Petra.

    Kalenderblatt - 19. April

    1521 Kaiser Karl V. verhängt über Martin Luther die Reichsacht.
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    1977 Zum Entsetzen seiner Fans wechselt Franz Beckenbauer in den amerikanischen Fußballverein Cosmos. Der Dreijahresvertrag ist auf ca. sieben Millionen DM festgesetzt.