Sierra Leone Geschichte

    Aus WISSEN-digital.de

    Mittelalter bis Neuzeit

    Ab dem 8. Jahrhundert n.Chr. wurde das Gebiet des heutigen Sierra Leone von den Viehzucht und Ackerbau betreibenden Bulom besiedelt . Im Laufe der Jahrhunderte wanderten die Völker der Temne, Sosso, Limba, später die Mende, Fulbe und die Malinke ein.

    Der Portugiese Pedro de Cintra betrat 1462 als erster Europäer das Gebiet des heutigen Sierra Leone. Wenig später gründeten die Portugiesen an der Küste erste Niederlassungen und nahmen Handelsbeziehungen mit den Mende auf (gehandelt wurde mit Gold, Elfenbein und Sklaven). Im 16. Jahrhundert wurde die Küste Sierra Leones zum Zentrum des Sklavenhandels, an dem sich nacheinander die Portugiesen, die Niederländer und die Engländer beteiligten. 1787 erwarb eine in England gegen die Sklaverei entstandene Gesellschaft um den Philanthropen Granville Sharp eine Handelsniederlassung auf der Halbinsel Sierra Leone und gründeten dort die Stadt Granvilletown. Die Gesellschaft erklärte dieses Gebiet zum Siedlungsgebiet für freigelassene Sklaven (Großbritannien verbot 1808 offiziell die Sklaverei im englischen Hoheitsgebiet). Granvilletown wurde 1799 in Freetown umbenannt und in der Folgezeit zum Ausgangspunkt im Kampf gegen den Sklavenhandel.

    19. und frühes 20. Jahrhundert

    1808 wurde die Stadt Freetown britische Kronkolonie. Im Laufe der nächsten Jahrzehnte wurden rund 50.000 ehemalige Sklaven rund um Freetown angesiedelt, es kam zu einer teilweisen Vermischung mit den ansässigen Völkern. Die aus den ehemaligen Sklaven entstandene Volksgruppe der Kreolen spielte bei der Erschließung des Hinterlandes eine bedeutende Rolle. 1896 erklärte Großbritannien das Landesinnere zum britischen Protektoratsgebiet, das getrennt von der Kronkolonie Freetown an der Küste verwaltet wurde.

    Nach mehreren Aufständen der kreolischen Bevölkerung im Protektoratsgebiet, die mehr Verantwortung und Beteiligung an der Regierung in der Kronkolonie forderten, erhielten beide Gebiete 1951 eine gemeinsame Regierung mit beschränkter Selbstverwaltung. Erster Generalgouverneur Sierra Leones Mitte der 50er Jahre wurde Milton Margai von der antikolonial und antikreolisch eingestellten "Sierra Leone People‘s Party" (SLPP). 1958 erhielt Sierra Leone die volle innere Autonomie, 1961 wurde das Land unabhängig bei Mitgliedschaft im britischen Commonwealth.

    Neuere Entwicklungen

    Milton Margai wurde erster Premierminister von Sierra Leone, ihm folgte 1964 sein Sohn Albert Margai. 1967 gewann die oppositionelle Partei All People’s Congress (APC, 1960 gegründet) unter Siaka Stevens die Wahlen, doch noch im gleichen Jahr putschte das Militär, der neugewählte Premier wurde abgesetzt. Dem Putsch unter General David Lasana folgte schon nach einigen Tagen ein Gegenputsch, in dessen Folge die politischen Parteien aufgelöst, die Verfassung außer Kraft gesetzt wurden und ein Nationaler Reformrat (National Reformation Council, NRC) unter der Führung des Kreolen Oberst Juxon-Smith die politische Macht in Sierra Leone übernahm. Auch im Laufe des Jahres 1968 folgten wiederum mehrere gewaltsame Regierungswechsel, im April 1968 wurde Siaka Stevens erneut zum Premierminister erklärt. Die anhaltenden innenpolitischen Auseinandersetzungen verschlechterten die schon miserable wirtschaftliche Lage des Landes weiter, Misswirtschaft und Korruption sorgten für Lebensmittelknappheit und teilweise drastische Preisanstiege.

    1971 rief Siaka Stevens die Präsidialrepublik aus und erklärte sich zum Staatspräsidenten. Mit Unterstützung des Militärs regierte Stevens autoritär, ließ Oppositionelle verfolgen und inhaftieren und orientierte sich außenpolitisch in Richtung der sozialistischen Staaten und des arabischen Lagers. 1978 wurde eine neue Verfassung erlassen, in der das Einparteiensystem - mit der APC als einziger legaler Partei - festgelegt und das Amt des Premierministers abgeschafft wurde. Gegen die Unruhen im Land, ausgelöst durch die schlechte wirtschaftlichen Lage, ging die Regierung wiederholt mit Waffengewalt vor.

    1985 übernahm Joseph Saidu Momoh die Staatsführung.

    Anfang der 1990er Jahre kam es in den Diamantenfördergebieten im Südosten Sierra Leones (Diamanten stellten neben Bauxit und Rutil das wichtigste Exportgut des Landes dar) zu schweren Kämpfen zwischen Regierungstruppen und der linksextremen "Revolutionary United Front" (Revolutionäre Vereinigte Front, RUF) unter Foday Sankoh, die zu einer Flüchtlingswelle unter der Zivilbevölkerung führte. Joseph Saidu Momoh wurde 1992 nach einen Militärputsch von Valentine Strasser als Staatspräsident abgelöst. Auch Strasser versprach wie sein Vorgänger demokratische Reformen innerhalb eines bestimmten Zeitraums, auch ihm gelang es jedoch nicht, mit der Rebelleorganisation RUF Frieden zu schließen. Ein landesweiter Bürgerkrieg zwischen den Regierungstruppen als Anhängern der Militärregierung und den Anhängern der RUF, die die Diamantenfördergebiete kontrollierten und durch den Verkaufserlös der Edelsteine im benachbarten Liberia Waffen kauften, brach aus. (Liberianische Truppen unter dem Rebellenführer Charles Taylor, späterer Präsident Liberias, hatten schon seit Ende der 1980er Jahre wiederholt Überfälle auf die Diamantenminen in Sierra Leone verübt).

    Strasser wurde durch einen Putsch des Militärs im Januar 1996 abgesetzt, unter seinen Nachfolger Hauptmann Julius Maada Bio fanden freie Parlaments- und Präsidentschaftswahlen statt. Stärkste Partei wurde die SLPP mit über 36 % der Stimmen, ihr Vorsitzender Ahmad Tejan Kabbah, ehemaliger UN-Diplomat, wurde neuer Staatspräsident Sierra Leones. Kabbah gelang noch im selben Jahr die Unterzeichnung eines Friedensvertrages mit der Rebellenbewegung RUF, dennoch endeten die Kämpfe auch in den nächsten Jahren nicht. Bereits im Mai 1997 wurde Präsident Kabbah durch einen erneuten Militärputsch wieder gestürzt. Selbsternannter Staatschef wurde Major Johnny Paul Koroma, der gewählte Präsident Kabbah floh nach Guinea, von wo aus er versuchte, eine militärische Intervention Guineas und Nigerias in Sierra Leone zu erreichen. Tatsächlich schickten Nigeria, Guinea und Ghana 1997 Truppenverbände nach Sierra Leone, mussten diese aber wieder zurückziehen. Daraufhin verschärften die Staaten das bereits seit dem Putsch vom Mai 1997 verhängte Wirtschaftsembargo gegen das Land, was zu einer dramatischen Verschlechterung der Ernährungslage in der Zivilbevölkerung führte. Im November 1997 rückte erneut ein Truppenverband mehrerer westafrikanischer Länder (ECOMOG) gegen Sierra Leone vor. Nach blutigen Kämpfen mit den Regierungstruppen Koromas nahmen die ECOMOG-Truppen die Hauptstadt Freetown ein und verhafteten einen Großteil der Putschisten. Der gewählte Präsident Ahmad Tejan Kabbah kehrte ins Land zurück. Er konnte 1999 einen neuen Waffenstillstandsvertrag mit der Rebellenorganisation RUF schließen, die zu diesem Zeitpunkt fast die gesamten Diamantenminen des Landes unter Kontrolle hatte; die Rebellenorganisation wurde im November dieses Jahres unter dem Namen Revolutionary United Front Party (RUFP) als Partei anerkannt. Die Einhaltung des Abkommens sollte durch den Einsatz einer UN-Friedenstruppe (UNAMISIL) gewährleistet werden. Der zu diesem Zeitpunkt seit knapp zehn Jahren anhaltende Bürgerkrieg hatte bereits mehrere tausend Menschenleben gekostet, die Rebellen der RUF waren wegen ihres grausamen Vorgehens gegen die Zivilbevölkerung gefürchtet. Aber die Versuche, die Situation in Sierra Leone zu beruhigen, scheiterten. Die RUF-Rebellen kontrollierten, unterstützt vom benachbarten Liberia, nach wie vor den Großteil der Diamantenvorkommen in Sierra Leone. Vorübergehend befanden sich mehrere hundert UN-Soldaten in Gewalt der Rebellen (Mai 2000). Die UN-Truppen (zurzeit ist in Sierra Leone die weltweit größte UN-Friedenstruppe stationiert) konnten ihrer Aufgabe nicht gerecht werden. Im April 2001 erklärte sich die RUF erneut zu Friedensverhandlungen mit der Regierung und zur Entwaffnung bereit. Das Entwaffnungsprogramm wird von 17 000 UN-Blauhelmsoldaten überwacht. Trotzdem kommt es weiterhin zu Übergriffen der Rebellen gegen Zivilisten. Im Juli 2001 wurde der Abbau von Diamanten im Osten Sierra Leones verboten, um die Geldquelle der Rebellen zu untergraben. Im Mai 2002 wurde Kabbah als Präsident bestätigt; bei den Parlamentswahlen ging die RUFP leer aus.

    Durch Misswirtschaft, die Folgen des Wirtschaftsembargos und ein rapides Bevölkerungswachstum trotz vollkommen unzureichender medizinischer Versorgung kommt es immer wieder zu Versorgungsengpässen und Hungersnöten bei der Bevölkerung. Neben einer AIDS-Infektionsrate von geschätzten 7 % (Stand 2001) sind Malaria, Gelbsucht und Cholera weit verbreitete Krankheiten.