Orgel

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    (griechisch-lateinisch)


    Die Orgel ist das größte Musikinstrument. Sie besteht aus einer Klaviatur sowie Pedalen und zylindrischen, senkrecht stehenden (nur in kleineren Orgeln auch liegenden) Orgelpfeifen, die je nach Tonhöhe wenige Zentimeter bis mehrere Meter lang sind.

    Die Orgelpfeifen sind aus Metall (z.B. Zinn) oder Holz, oben offen oder aber "gedackt" (gedeckt), d.h. geschlossen, wodurch die Frequenz halbiert wird, die Pfeife also nur halb so lang sein muss, um einen Ton der Frequenz einer doppelt so langen offenen Pfeife zu erzeugen. Die gedackten Register sind klanglich etwas dumpfer und weicher.

    Die für das Spiel notwendige Luft bzw. der erforderliche Wind wurde früher über einen mechanischen Blasebalg (vom Kalkanten getreten), später durch einen elektrisch betriebenen Balg oder ein Gebläse erzeugt.

    Der Orgelspieler spielt mit beiden Händen auf einem oder mehreren (d.h. übereinander liegenden) Klaviaturen und tritt mit den Füßen das Pedal (eine Tastatur aus hölzernen Fußtasten). Der Orgelton klingt dabei so lange, wie eine Taste gedrückt wird. Über mehrere verschiedene Register (Sätze von Orgelpfeifen derselben Bauweise und desselben Klanges) kann der Spieler eine Reihe verschiedener Kombinationen auswählen, in der Regel mit dem Ziel, entweder die Stimmen deutlich voneinander zu trennen und so für den Hörer kenntlich zu machen (z.B. bei Triosonaten, Fugen etc.), oder um einen möglichst orchestralen Gesamtklang zu erzeugen (z.B. zur Interpretation symphonischer Orgelwerke). Auch eine Koppelung zweier Manuale aneinander, oder die des Pedals an ein Manual ist möglich (siehe Koppel).

    Die Register stehen in unterschiedlichen Oktav-Verhältnissen zur jeweils gespielten Taste auf dem Manual: ein 8´(sprich Achtfuß) Register klingt in gleicher Lage wie notiert, 16' und 32' ein bzw. zwei Oktaven tiefer. Für den Diskant oder hohe Pedalstimmen können 4' und 2' gewählt werden, die eine bzw. zwei Oktaven höher klingen. Besondere Register sind die Mixturregister, die z.B. zum gespielten Ton die Quinte mitklingen lassen, wodurch der Klang besonders farbig wird.

    Die meisten Register sind nach den Instrumenten benannt, deren Klang sie imitieren, oder die ihrem Klang ähnlich sind (z.B. Flöte, Dulcian, Gambe, Nachthorn, Posaune etc.). Die jeweils am besten für eine Komposition geeigneten Instrumente entstammen nicht selten etwa der Zeit, in der auch die Komposition selbst entstanden ist, d.h. man findet auf Barock-Orgeln in der Regel die Register, die zur Darstellung barocker Musik geeignet sind, wobei hier eher die Güte eines Pfeifensatzes im Vordergrund steht als die Quantität der Register, wie sie eine romantische Orgel aufweist. Die ältesten erhaltenen und spielbaren Orgeln stammen aus dem 16. Jh. in Italien (z.B. in Mailand).

    Die Orgel war schon bei den Römern ein beliebtes Hausinstrument, etwa in der Größenordnung späterer Truhenorgeln, Portative oder Positive, und wurde erst im Laufe des Mittelalters zur Begleitung der christlichen Liturgie eingesetzt.

    Bis ins 19. Jh. findet man kaum Orgeln in Profanbauten, und auch die Orgelmusik greift immer wieder liturgische Musik auf, die sie als Ausgangspunkt für kontrapunktische Arbeiten (Ricercare, Fugen, Choralfantasien) nahm, und auch viele der Orgelkonzerte waren zur Aufführung im Gottesdienst bestimmt. Die Orgeln wurden in den Kirchen meist auf den Emporen platziert, wo auch Chor und Orchester aufgestellt werden konnten, und sind in der Regel mit einem (mitunter reich verzierten) Prospekt verkleidet, der den Großteil der Pfeifen dem Blick entzieht. In den meisten Fällen ist der Spieltisch nahe oder direkt am Instrument, die elektrische Ansteuerung ermöglicht heute auch Spieltische am anderen Ende das Kirchenraumes oder Konzertsaales.

    Das Innere der Orgel ist für Wartungsarbeiten und Reparaturen zugänglich und muss gelegentlich auf mehrere Stockwerke überbrückenden Leitern erklommen werden.

    Als einer der ersten Komponisten auf dem Gebiet der Orgelmusik ist G. Frescobaldi zu nennen. Im Barock und Hochbarock erreichte die Orgelmusik mit Froberger, Muffat, Schein, Buxtehude, G.F. Händel und J.S. Bach einen musikgeschichtlichen Höhepunkt. Ab ungefähr 1700 entstanden erste große Orgelwerke von J.S. Bach: Fantasie G-Dur, BWV 572; Toccata E-Dur, BWV 566; Präludium und Fuge a-Moll, BWV 551 u.a. Diese Werke sind teils frei komponiert, teils Choralpartiten und Orgelchoräle.

    Ende des 18. Jh.s verlor die Kirchenmusik an Bedeutung (Orgelwerke der Wiener Klassik von J. Haydn und W.A. Mozart), dafür wurden automatisierte Instrumente mit Walzenmechanik zunehmend beliebter (auch Mozart komponierte für Walzeninstrumente), und das 19. Jh. brachte die Orgel in die Konzertsäle, machte sie zu einem Virtuoseninstrument (z.B. F. Liszt).

    Es entstand der Typus der symphonischen Orgelmusik (Reubke, Widor, C. Franck, C. Saint-Saëns), dem der Orgelbau mit Instrumenten antwortete, deren Umfang keine Grenze zu kennen schien. Zwar steht die größte Orgelpfeife nach wie vor in einem Sakralbau (Dom zu Passau), doch begann im 19. Jh. die Jagd nach Rekorden in der Anzahl der Pfeifen.

    In einer Mischung aus Symphonik und Kontrapunkt formulierte M. Reger um die Jahrhundertwende eine Bachrenaissance. Im 20. Jh. macht sich vor allen anderen Komponisten O. Messien um die Orgelmusik verdient. Einige eigenwillige Stücke stammen von G. Ligeti.

    Abzweigungen des klassischen Orgelbaus stellen die Wurlitzer-Orgeln (mit Schlagzeugen und zahlreichen Effekten), die Kino- und Hammondorgeln dar. Eine schon ältere Variante einer mechanisch betriebenen Automaten-Orgel ist auch die Drehorgel, bzw. der Leierkasten.