Nahostkonflikt

    Aus WISSEN-digital.de

    Mit Nahostkonflikt bezeichnet man die politische und kriegerische Auseinandersetzung zwischen Israel und den arabischen Staaten sowie den Palästinensern.

    Nach der 1948 ausgerufenen Proklamation des Staates Israel auf einem Gebiet, das schon seit Jahrhunderten von Arabern bewohnt war, kam es 1949 zum Ausbruch des ersten arabisch-israelischen Krieges. Der jüdische Staat in Palästina beanspruchte auf Grund der jahrhundertelangen Unterdrückung und Verfolgung von Juden vor allem in Europa ein moralisches Recht auf das Gebiet, während die Araber Palästina als arabisches Land ansahen, welches nur unter Fremdherrschaft der Türken, Engländer und Franzosen gestanden hatte. Sie akzeptierten den von den Vereinten Nationen erarbeiteten Teilungsplan nicht und sahen ihr Selbstbestimmungsrecht verletzt. Der Krieg endete mit einem Waffenstillstand, der eine Teilung Jerusalems, israelische Gebietsgewinne und eine Flucht von 750 000 Palästinensern zur Folge hatte. Die in Folge des Krieges entstandenen Grenzen bilden die international anerkannten Grenzen des Staates Israel.

    In den nächsten 20 Jahren kam es zu weiteren Kriegen (1956 Sinai-Krieg, 1967 Sechs-Tage-Krieg). Israel besetzte die ägyptische Sinai-Halbinsel, den von Ägypten verwalteten Gazastreifen, das jordanisch verwaltete Westjordanland, die syrischen Golanhöhen sowie Teile Ost-Jerusalems.

    1973, im Jom-Kippur-Krieg, wurde Israel von Syrien und Ägypten angegriffen. Nach anfänglichen Geländegewinnen konnte Israel die Angreifer zurückdrängen und die Oberhand erringen. Der Jom-Kippur-Krieg war für die Israelis auf Grund der anfänglichen arabischen Erfolge ein Schock. So kam es Ende 1977 zu ersten Kontakten zwischen Ägypten und Israel über eine friedliche Lösung des Konflikts; 1979 unterzeichneten der ägyptische Präsident Sadat und der israelische Premierminister Begin in Camp David den von US-Präsident Jimmy Carter vermittelten ägyptisch-israelischen Friedensvertrag; als Gegenleistung für die Zusicherung Ägyptens, Israel zukünftig nicht mehr anzugreifen, zog sich dieses aus dem besetzten Sinai zurück.

    1982 griff Israel - unter der Federführung des damaligen Verteidigungsministers Ariel Scharon - in den Bürgerkrieg im Libanon ein, indem es seine Truppen bis nach Beirut vorrücken ließ, um einen PLO-Stützpunkt zu bekämpfen. Nach der Vertreibung aus Jordanien durch König Hussein hatte die PLO (Palestine Liberation Organisation) den Libanon zu ihrer Operationsbasis gemacht. Die PLO, die politische Vertretung der Palästinenser, hatte sich die Zerstörung des israelischen Staats zum Ziel gesetzt. Sie wurde von Seiten der israelischen Regierung als Terrororganisation bezeichnet und Israel war nicht bereit, mit der PLO Verhandlungen einzugehen.

    1987 wurde ein Aufstand der Palästinenser (Intifada) im Westjordanland und Gazastreifen blutig niedergeschlagen. Die israelische Regierung verschärfte ihre Besatzungspolitik bis Anfang der 1990er Jahre. Als sich im Verlauf der 1990er Jahre die Rahmenbedingungen des Konflikts veränderten (Ende des Kalten Kriegs, Nichteingreifen beider Parteien in den Golfkrieg), kam es zu einer langsamen Annäherung. 1991 wurde auf Initiative der USA und der Sowjetunion die Friedenskonferenz von Madrid einberufen, die aber ergebnislos blieb, da weder die Intifada noch die Besiedlung besetzter palästinensischer Gebiete durch die Regierung Shamir beendet wurde.

    Geheimverhandlungen zwischen Israel und der PLO führten 1993 zu einem Durchbruch, als Israel die PLO unter der Führung von Jasir Arafat als Verhandlungspartner und Vertreter des palästinensischen Volkes anerkannte. Das Gaza-Jericho-Abkommen (auch Oslo-Abkommen I; Mai 1994) enthielt unter anderem Regelungen über den Rückzug israelischer Truppen und Selbstverwaltungsrechte für die Palästinenser im Gaza-Streifen und in Jericho. 1995 wurde die Autonomie der Palästinenser vereinbart (Oslo-Abkommen II, September 1995). Der Friedensprozess wurde von israelischen und palästinensischen Fundamentalisten mit Terrorakten weiterhin bekämpft. Im selben Jahr fiel der israelische Ministerpräsident Yitzhak Rabin einem Attentat eines extremistischen israelischen Gegners der Verständigungspolitik mit den Palästinensern zum Opfer.

    Das Ende 1998 in Wye (Maryland) unterschriebene Abkommen zwischen Palästinensern und dem damaligen israelischen Premierminister Nethanjahu stellte einen umfassenden Friedensvertrag inklusive eines teilweisen Abzugs der israelischen Truppen aus dem Westjordanland in Aussicht. Die Umsetzung ging jedoch nur schleppend voran; die von US-Präsident Bill Clinton geleiteten Friedensgespräche zwischen Arafat und dem israelischen Premier Barak in Camp David scheiterten im Juli 2000.

    Nach dem Besuch des israelischen Konservativen Ariel Scharon auf dem Tempelberg im August 2000 kam es erneut zu blutigen Zusammenstößen zwischen Israelis und Palästinensern, die sich auf palästinensischer Seite zu einer zweiten Intifada (Al-Aksa-Intifada; bis Februar 2005) ausweiteten. Die zweite Intifada war durch ein wesentlich höheres Ausmaß an Gewalt geprägt, das sich z.B. in Granatenangriffen auf jüdische Siedlungen sowie in zahlreichen Selbstmordattentaten zeigte. Durch die Wahl des Likud-Vorsitzenden Scharon im Januar 2001 zum neuen Regierungschef Israels erlitt der Friedensprozess einen weiteren Rückschlag. Die Gewalt in Israel und den besetzten Gebieten eskalierte erneut. Scharon akzeptierte Arafat nicht mehr als Verhandlungspartner, weil er diesen für die Gewalteskalation verantwortlich machte. Israel verstärkte die Übergriffe auf das palästinensische Autonomiegebiet, vor allem im Gazastreifen. Diese Übergriffe wurden als Vergeltungs- bzw. Präventivmaßnahmen für palästinensische Granatenangriffe auf israelische Siedlungen und die zunehmenden Selbstmordattentate von Palästinensern gegen Israelis gerechtfertigt. Ab Juli 2001 unternahm Israel gezielte Anschläge auf Einrichtungen von Organisationen wie Hamas und Al Fatah sowie auf mutmaßliche palästinensische Aktivisten und Terroristen. In der Folgezeit wechselten sich Phasen der Gewalt und kurze Phasen der Ruhe miteinander ab.

    Im Juni 2002 begann Israel im Westjordanland mit dem Bau eines mehrere 100 Kilometer langen Schutzzauns, um das Eindringen palästinensischer Terroristen zu verhindern. Der Verlauf des Zaunes verletzt palästinensisches Gebiet. Die Infrastruktur der Palästinensischen Autonomiebehörde wurde von der israelischen Armee zerstört und Arafat in Ramallah festgesetzt. Die internationale Gemeinschaft bemühte sich um eine Konfliktlösung. Im Mai 2003 stimmte Israel zum ersten Mal in seiner Geschichte einem internationalen Friedensplan ("Road Map") zu, der den Palästinensern einen eigenen, unabhängigen Staat zugesteht. Nach dem von der EU, Russland USA und den Vereinten Nationen (sog. Nahost-Quartett) entworfenen Plan sollen Gewalttaten eingestellt und die militärische Präsenz der israelischen Armee im Westjordanland sowie im Gazastreifen verringert werden.

    Trotzdem war kein Abreißen der Attentate auf beiden Seiten in Sicht: Neben zahlreichen zivilen Opfern starb im März 2004 auch der Gründer und religiöse Führer der islamisch-palästinensischen Terrororganisation Hamas, Scheich Ahmed Jassin, bei einem Raktenangriff. Im April 2004 gab Scharon bekannt, dass er nur einen teilweisen Rückzug aus den besetzten Gebieten beabsichtige; der Nahostkonflikt verschärfte sich erneut. US-Präsident Bushs Unterstützung für Scharons Plan wurde weltweit stark kritisiert. Im Februar 2005 schlossen Ariel Scharon und der Palästinenserpräsident Mahmud Abbas, der Nachfolger des verstorbenen Jasir Arafat, einen Waffenstillstand. Im August 2005 wurden die israelischen Siedlungen im Gaza-Streifen endgültig geräumt und gleichzeitig Planungen für einen Ausbau der Siedlungen im Westjordanland bekannt gegeben.

    2006 wurde Ehud Olmert Nachfolger Scharons im Amt des israelischen Regierungschefs. Der Sieg der radikalislamischen Hamas bei den Wahlen zum palästinesischen Legislativrat im selben Jahr rief in Israel negative Reaktionen hervor, da hierdurch eine Verschlechterung der Friedensaussichten befürchtet wurde. Im Sommer desselben Jahres kam es zum Libanon-Krieg: Nachdem die libanesische Hisbollah im Juli zwei israelische Soldaten entführt hatte, startete Israel eine Militäroperation mit Luftangriffen auf Hisbollah-Stellungen in Beirut und im Südlibanon, was schließlich zu einer Bodenoffensive führte. Auf beiden Seiten kamen Hunderte, darunter auch zahlreiche Zivilisten, ums Leben; im Libanon setzte eine Massenflucht ein. Mitte August trat der von der UN-Resolution 1701 geforderte Waffenstillstand in Kraft. Zumindest was die Waffenruhe und den Wechsel der Militärmacht im Südlibanon anbelangte, wurde die Resolution von allen Parteien eingehalten. Unterdessen setzte Israel seine Offensiven im Gazastreifen fort, bis zum Abschluss eines (brüchigen) Waffenstillstands im November 2006.

    Nach einigen gescheiterten Versuchen kam im März 2007 eine unter anderem aus Vertretern von Hamas, Al Fatah und Unabhängigen bestehende Palästinenser-Regierung zustande. Nach bürgerkriegsähnlichen Gefechten zwischen Milizen der Hamas und Al Fatah wurde in Gaza jedoch im Juni 2007 eine Notstandsregierung gebildet. Palästinenserpräsident Mahmud Abbas verbot den militärischen Arm der Hamas. Der neue palästinensische Ministerpräsident Salam Fayyad gehört keiner der beiden verfeindeten Parteien an. Da die Hamas die Notstandsregierung nicht anerkennt, existieren derzeit faktisch zwei palästinensische Gebiete: Gaza wird von der Hamas kontrolliert und das Westjordanland ist in den Händen der Al Fatah.

    In einem Abkommen vom August 2007 verpflichteten sich die USA zu Rüstungslieferungen gegenüber Israel im Wert von 30 Milliarden US-Dollar. Dies soll nach Angaben des US-Außenministeriums dazu dienen, das militärische Übergewicht Israels in der Region aufrechtzuerhalten. Die USA hatten auch Saudi-Arabien und den arabischen Golfstaaten Militärhilfe in Höhe von 20 Milliarden US-Dollar zugesagt.

    Folgende Streitpunkte im Nahostkonflikt sind nach wie vor offen: die ökonomische Entwicklung der Palästinensergebiete, die Umsiedlung der jüdischen Siedler in den besetzten Gebieten, der Status von Jerusalem und die Rückkehr der 1949 aus Israel vertriebenen Palästinenser.