Jean-Paul Sartre

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    französischer Schriftsteller und Philosoph; * 21. Juni 1905 in Paris, † 15. April 1980 in Paris


    Jean-Paul Sartre gilt als Gründer des Existenzialismus.

    Leben

    Der Sohn eines Marineoffiziers verlor mit zwei Jahren seinen Vater. Er berichtet in "Die Wörter" über die ihm widerstrebende Erziehung durch seinen Großvater, einen Deutschprofessor und Onkel von Albert Schweitzer.

    Nach ihrer Wiederverheiratung zog die Mutter mit jungen Sartre nach La Rochelle. In den Jahren dort, in denen er sich etwa in der Situation Baudelaires empfand, wie er sie später analysierte, bildete sich Sartres antibürgerlicher Affekt heraus. Nach dem Lycée in La Rochelle und in Paris besuchte er von 1924 bis 1929 die École Normale Supérieure in der Rue d'Ulm in Paris. Hier freundete er sich mit Raymond Aron, Paul Nizan und vor allem mit Simone de Beauvoir an.

    Nach dem Militärdienst 1929-1931 war Sartre bis 1939 Gymnasiallehrer in Le Havre, Laon und Paris, unterbrochen 1933/34 durch einen Aufenthalt als Stipendiat des Institut Français in Berlin. 1936 erschien seine erste philosophische Arbeit "L' imagination", 1938 der Roman "Der Ekel". Er schrieb Chanson-Texte für Juliette Gréco.

    Bei Kriegsausbruch 1939 einberufen, geriet er in Kriegsgefangenschaft, wurde aber im April 1941 entlassen. 1941-1944 war Sartre wieder Gymnasiallehrer in Paris. Als er sich mit seinen schriftstellerischen Arbeiten erfolgreich durchsetzte, gab er 1945 den Lehrberuf auf, wurde freier Schriftsteller und gründete im gleichen Jahr die Zeitschrift "Les Temps Modernes".

    Ein Versuch mit einer eigenen Partei - "Rassemblement Démocratique Révolutionnaire" - schlug fehl. 1952-1956 näherte er sich in seiner politischen Haltung der Kommunistischen Partei Frankreichs an. Nach den ungarischen Ereignissen 1956 nahm er scharf gegen das sowjetische Vorgehen Stellung, doch erst nach dem russischen Einmarsch in die Tschechoslowakei brach er endgültig mit den Kommunisten.

    Sartre lehnte 1964 den Nobelpreis ab.

    Philosophie

    Jean-Paul Sartre knüpfte insbesondere an die Gedanken Husserls und Heideggers an. Sein philosophisches Hauptwerk, "Das Sein und das Nichts" (1943), zeigt ihn als einen Denker mit präziser, streng logischer Gedankenführung. Die komprimierte Ausdrucksform macht dieses Schlüsselwerk des französischen Existenzialismus schwerer zugänglich als Sartres dichterische Arbeiten.

    Der Ausgangspunkt Sartres ist keine rationale Überlegung, sondern eine Grundgestimmtheit: der Ekel. Die Welt ist eine Ansammlung von Schmutz und Unrat, widerlich, stinkend, erbärmlich. Sie ist nicht harmonisch, sondern ungeordnet, chaotisch; sie ist nicht friedlich, sondern voll Hass und Streit; sie bietet nicht Ruhe und Sicherheit, sondern sie ist ruhelos, abgründig, sinnlos, absurd.

    Das Sein manifestiert sich in zweifacher Weise:

    1. als In-sich-Sein (zu verstehen etwa als die Welt der Dinge, Sachen). Das Seiende ist in sich, ruht in sich; es ist weder aktiv noch passiv, will nichts, erstrebt nichts, tritt nicht in Beziehung zu anderen Seienden, liegt außerhalb der Zeitlichkeit. Es ist das, was es ist: beharrend, massiv, starr. Schließlich suchte sich dieses grundlose In-sich-Sein zu begründen, trat aus sich heraus ins Nichts, um schließlich wieder in sich selbst zurückzukehren.

    Dadurch entstand: 2. das Für-sich-Sein, das spezifisch menschliche Sein. Es trägt das Nichts in sich wie der Apfel den Wurm. Dieser Verlust des ruhenden In-sich-Seins ist das große Ereignis, das dem Sündenfall unserer Ahnen gleicht. Als sie das Paradies verloren, gingen ihnen die Augen auf, und sie merkten, dass sie nackt waren. So gewahrt das Für-sich-Sein, dass es das Nichts in die Welt mitgebracht hat. Und so versucht es, abermals aus sich herauszutreten, sich zu rechtfertigen. Dies geschieht durch drei Ekstasen (griechisch: ekstasis, "aus sich gestellt sein").

    Die erste Ekstase ist die Tendenz zum Nichts. Der Mensch plant, er wirft sich auf die Zukunft, weil er seine Vergangenheit "nichten" will. Er strebt nach etwas, was noch nicht ist. Er ist Entwurf, eine Summe von Möglichkeiten, die er verwirklichen kann. Darin liegt seine Unbestimmtheit. Seine Taten liegen im Kommenden. Er hat die Freiheit, sie zu tun. Aber er hat Angst vor der Zukunft. Er flieht die Angst und will der Freiheit, zu der er verdammt ist, er will der Zukunft, die er in sich trägt, aus dem Weg gehen. Doch niemals kann er die Angst loswerden, denn er selbst ist diese Angst. So ist er in seiner ersten Ekstase zum Scheitern verurteilt.

    Die zweite Ekstase ist die Tendenz zum Anderen. Der Mensch versucht sein Für-sich-Sein zu wandeln in ein Für-den-anderen-Sein. Wir begegnen dem anderen, aber wir versuchen aus ihm einen Gegenstand in unserer Welt zu machen, ihn zu gebrauchen, statt für ihn dazusein. So führt dieser Versuch nicht zu einem echten Wandel, nicht zur Erlösung des Für-sich-Seins, sondern nur zur Beherrschung der fremden Freiheit. Das Für-den-anderen-Sein wird so zum Konflikt, zu einem Aneinanderprallen, und damit scheitert die zweite Ekstase.

    Schließlich erstreben wir in der dritten Ekstase, der Tendenz zum Sein, das In-sich-Sein, also die Rückkehr zum Ausgangspunkt. Das aber ist unmöglich. Ein In-sich-für-sich-Seiendes ist ein Widerspruch. Wir müssten Gott sein, um das zu vollbringen. Aber Gott ist unmöglich. Das Nichts grinst uns wie eine Teufelsfratze entgegen. So irrt der Mensch friedlos und hoffnungslos auf seiner Suche nach dem Sein, das nichts als ist und in sich ruht, problemlos und ohne Verantwortung. Das aber ist Verrat am eigenen Wesen, das Bewusstsein und Freiheit, Einsicht und Gestaltung heißt. Und so flüchtet der Mensch in den Selbstbetrug; das Leben zwingt ihn dazu. Er tut so, als ob ihm das Leben wirklich Spaß machen würde. Die Welt wird zum Theater, in dem keiner wirklich das ist, was er mimt. Deswegen verläuft sein Leben in einer absoluten Sinnlosigkeit. "Es ist sinnlos, dass wir geboren wurden, es ist sinnlos, dass wir sterben, es ist absurd, dass wir leben."

    Werke

    Sartre schuf Romane ("Der Ekel"), Essays und besonders Dramen ("Die Fliegen", "Hinter geschlossenen Türen", "Die ehrbare Dirne", "Die schmutzigen Hände"). Sein philosophisches Hauptwerk ist "Das Sein und das Nichts" (1943).

    Zitat

    Kalenderblatt - 19. April

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