Geschichte: Preußen und Österreich

    Aus WISSEN-digital.de


    Die tiefsten Wandlungen erfuhr Deutschland im Zeitalter des Absolutismus. Während des Dreißigjährigen Krieges waren weite Teile verwüstet worden. Ehemals blühende Städte und die aufstrebende Wirtschaft waren schwer getroffen, die Bevölkerungszahl auf etwa die Hälfte zurückgegangen. Politisch war das Reich als Ganzes nach dem Verlust wertvoller Grenzräume im Westen - Niederlande, Schweiz - ständig durch die französische Politik im Elsass, in Lothringen und am Ober- und Mittelrhein bedroht.

    Die politische Gewalt lag im Deutschland nach 1648 praktisch bei den Landesstaaten, die in ihrer überwiegenden Mehrzahl zu klein und zersplittert waren, um neben Österreich einen außenpolitischen Faktor von Bedeutung darzustellen.

    Um so bedeutsamer wurde es daher für die deutsche Entwicklung, dass sich in der absolutistischen Epoche durch den Aufbau moderner Verwaltungen und Militärorganisationen in den Ländern Bayern, Württemberg, Baden, Hessen-Kassel, Braunschweig-Lüneburg, Sachsen und Brandenburg-Preußen Machtzentren herausbildeten. Preußen wurde zum bedeutenden europäischen Machtfaktor neben dem Kaiserstaat Österreich. Sachsen, zeitweise verbunden mit Polen, und Braunschweig-Lüneburg, zum Kurstaat Hannover erhoben, konnten in der europäischen Politik eine Rolle spielen, das Haus Hannover durch seine Personalunion mit England. Kursachsen, das durch seine Größe, seine in Bergbau, Handel und Manufaktur blühende Wirtschaft und seine straffe Verwaltung bisher die führende Macht in Norddeutschland gewesen war, wurde nun durch die Entwicklung Brandenburg-Preußens überflügelt.

    Mit dem Erwerb des Herzogtums Preußen als polnisches Lehen waren die Kurfürsten von Brandenburg in die Reihe der bedeutenden Fürsten Europas eingetreten. Der Westfälische Frieden hatte ihnen beachtliche Gewinne eingebracht; nun war ihr Streben auf die Abrundung und Vereinigung ihres zwischen Memel und Niederrhein weit gestreuten Besitzes gerichtet. Friedrich Wilhelm, der Große Kurfürst (1640-1688), verfolgte dieses Ziel systematisch, unter geschickter Ausnutzung aller, oft wechselnder Bündnischancen. Er schweißte die nach Rechtstradition und Kulturniveau sehr unterschiedlichen Bestandteile des brandenburgisch-preußischen Staats zu einer Einheit zusammen. Zugleich brach er die Selbstherrlichkeit der Stände und nahm ihnen das Mitspracherecht, wobei er je nach den Umständen hart oder behutsam zugriff. So musste er den selbstbewussten niederrheinischen Ständen noch manches Privileg belassen, wie das der Steuerverwaltung und der landeseigenen Beamtenberufung, während er im Kernland das absolutistische Fürstenregiment durchsetzte. Die Außenpolitik freilich nahm er völlig in die Hand. Deshalb wurde der Widerstand der ostpreußischen Landstände brutal gebrochen, die Rückhalt bei der polnischen Krone gesucht hatten. 1675 begann mit dem Sieg über Schweden in der Schlacht bei Fehrbellin der Aufstieg Preußens zur militärischen Großmacht. Alle diese Erfolge waren nur möglich durch die Schaffung eines stehenden Heeres von anfangs 8000 und schließlich 23 000 Mann.

    Der landesfürstliche Absolutismus stützte sich auf die von Friedrich Wilhelm geschaffene Zentralverwaltung mit dem Geheimen Rat an der Spitze. Durch Trennung von Hof- und Staatshaushalt, durch Einführung der direkten Kopf- und Grundsteuer und der indirekten städtischen Steuer (Akzise genannt) brachte der Fürst auch die Finanzen des Staats in Ordnung. Am besten kam dabei der Adel weg, der mit fast völliger Steuerfreiheit und weitgehenden Patrimonialgerichtsbefugnissen für den Verlust seines politischen Mitbestimmungsrechts entschädigt wurde. Die Aufnahme der hugenottischen Handwerker brachte schließlich auch neue Impulse für das im Merkantilsystem wirtschaftlich geförderte Bürgertum. Straßen, Deich-, Kanalbauten verbesserten die Verkehrs- und Wirtschaftslage. Die Bauern standen - soweit sie Hintersassen und Leibeigene der adligen Grundherrschaft waren- wirtschaftlich und gesellschaftlich auf der untersten Stufe der sozialen Hierarchie. Aber auch ihnen gegenüber bewies der Große Kurfürst Verständnis, indem er den auf Staatsdomänen eingesetzten Bauern durch Hilfe mit Gerät, Saatgut und Gespannen die Notlage nach dem Dreißigjährigen Krieg überwinden half; so entwickelten sich mit der Zeit staatliche Musterwirtschaften.


    Die Versuche des Kurfürsten, an der afrikanischen Goldküste (Fort Großfriedrichsburg) Kolonien zu erwerben, blieben freilich nur eine Episode der preußischen Politik. In der stürmischen Aufwärtsentwicklung Preußens bedeutete die Regierungszeit Friedrichs I. (1688-1713) eine Art Ruhepause. Er erwarb durch die Königsberger Krönung 1701 seinem Hause den Königstitel, der zunächst zwar auf das Herzogtum Preußen beschränkt blieb, durch Gewohnheit aber allmählich für das gesamte Staatsgebiet Geltung gewann. Friedrich I. und besonders seine Gemahlin Sophie Charlotte wollten ihre Residenz zum Kulturmittelpunkt entwickeln und gründeten, beraten von Leibniz, die Akademie der Wissenschaften. Sie förderten mit dem Baumeister Andreas Schlüter die barocke Architektur und die Ausgestaltung der neugegründeten Universität Halle zur Hochburg der norddeutschen Aufklärung.

    Eine Rückkehr zum Primat der Politik brachte die Regierungszeit Friedrich Wilhelms I. (1713-1740), des Vaters und Vorgängers Friedrichs II., des Großen. Der finanziellen Notlage des Staats trug Friedrich Wilhelm mit strenger Sparsamkeit der Hofhaltung Rechnung. Alle Staatsausgaben wurden eingeschränkt; das Verwaltungssystem wurde durch Ausbildung von Ressorts verfeinert, denen seit 1722 eine oberste Verwaltungsbehörde, das Generaldirektorium, übergeordnet war. Vier Provinzialdepartments, von Ministern geleitet, waren für die einzelnen Provinzen zuständig; die unteren Verwaltungsbehörden bildeten die Kriegs- und Domänenkammern, denen wiederum die Kreisdirektoren (Landräte) unterstanden.

    Der Fürst persönlich, in großen Zügen Sachkenner der militärischen und zivilen Aufgaben, war die oberste Entscheidungsinstanz, deren Anordnungen von einem zu Pflichtbewusstsein und unbedingtem Gehorsam erzogenen Berufsbeamtentum peinlichst beachtet wurden. Der Adel wurde im Offizierskorps eines nach hartem Exerzierreglement ausgebildeten, schlagkräftigen Heers eingesetzt. Mit dem Zugang zu den oberen Verwaltungsstellen fand der Adel auch eine neue staatspolitische Bedeutung. Durch systematische Anwendung merkantilistischer Planwirtschaftsmethoden förderte Friedrich Wilhelm I. die bürgerliche Wirtschaft wie die bäuerliche Siedlung, vor allem im kriegs- und pestgeplagten Ostpreußen. Die Urbarmachung ungenutzter Landstriche, der großen Bruchlandschaften und die Wiederbesiedlung entvölkerter Landesteile nahm dann Friedrich der Große in den Friedensjahren nach dem Siebenjährigen Krieg erneut auf und führte sie erfolgreich zu Ende.

    Auf festen Fundamenten ruhte der preußische Staat, als Friedrich der Große 1740 die Zügel der Staatsführung in die Hand nahm. Der gleichzeitige Regierungsantritt Maria Theresias löste eine schwere politische Krise aus, da eine Reihe europäischer und deutscher Mächte sich über ihr früheres Zugeständnis einer weiblichen Erbfolge in Österreich, wie es in der Pragmatischen Sanktion (1713) festgelegt war, rücksichtslos hinwegsetzten und bayerischen und sächsischen Erbansprüchen Gehör schenkten. Friedrich gedachte die günstige Situation auszunützen. Unter dem Vorwand von Erbverträgen mit den Piasten aus dem Jahre 1537 erhob er Anspruch auf die strategisch und wirtschaftlich bedeutsamen schlesischen Herzogtümer Liegnitz, Brieg, Wohlau und Jägerndorf. Als Gegenleistung bot er Maria Theresia Waffenhilfe gegen ihre Widersacher in der Erbfolgefrage an. Marias Ablehnung führte zum ersten Schlesischen Krieg von 1740-1742. Frankreich, Spanien, Sachsen und Bayern traten auf Preußens Seite. Damit weitete sich der Konflikt zum Erbfolgekrieg (1740-1748) aus. Um den Rücken frei zu bekommen, trat Maria Theresia im Breslauer Frieden von 1742 Schlesien an Preußen ab, das daraufhin den Krieg einstellte. Nun wandte sie sich, inzwischen von Ungarn, England, Sachsen und Holland unterstützt, ihren Hauptgegnern Bayern und Frankreich zu.


    Das Kriegsglück wendete sich bald zu Gunsten Maria Theresias. Bayern war bereits besetzt, als Friedrich, aus Furcht um das eben gewonnene Land, erneut eingriff und im zweiten Schlesischen Krieg (1744/1745) die Gegnerin zum Frieden von Dresden (1745) zwang, dem der Aachener Friede mit den übrigen Mächten (1748) folgte. Der Ausgang der Kämpfe hatte Maria Theresia die Anerkennung in der österreichischen Erbfolge gebracht und ihr Gemahl, Franz I., wurde als deutscher Kaiser gleichfalls anerkannt. Schmerzlich war freilich der Verlust einer so blühenden Provinz wie Schlesien. Friedrich aber erreichte damit die organische Abrundung seines Staats im Osten. Seit 1768 beauftragte er ein neugeschaffenes Bergwerksdepartment mit der wirtschaftlichen Entwicklung des neugewonnenen Großraumes.

    Der Verlust Schlesiens ließ Maria Theresia nicht ruhen. Sie betraute ihren Staatskanzler, den Grafen Kaunitz, mit der Bildung einer antipreußischen Koalition zur Vorbereitung eines erneuten Kriegs gegen Friedrich, den sie als "königlichen Räuber" bezeichnete. Kaunitz erfüllte meisterhaft die gestellte Aufgabe. 1746 schon brachte er ein geheimes Defensivbündnis mit Russland zu Stande. Seine größte Leistung bestand jedoch darin, Frankreich aus seiner alten antihabsburgischen Frontstellung herauszuführen und als Bundesgenossen Österreichs zu gewinnen. Er erreichte dies durch Zusagen hinsichtlich der österreichischen Niederlande, die der Schwiegersohn Ludwigs XV. gegen unbedeutende Zugeständnisse in Italien erhalten sollte.

    Friedrich war die Wandlung der Lage nicht entgangen. Er parierte die diplomatische Entwicklung mit dem Westminsterabkommen von 1756, das England-Hannover auf seine Seite führte. Die wachsende, kolonialpolitisch bedingte Spannung zwischen Frankreich und England wirkte sich damit auch in Europa aus - ganz abgesehen davon, dass es der englischen Balance of Power entsprach, dem neuen österreichisch-französisch-russischen Block an der Seite des schwächeren Preußen entgegenzutreten. Friedrich hatte gehofft, mit dem Westminstervertrag die Lage ins Gleichgewicht zu bringen und einen langwierigen Waffengang zu verhindern. Dies misslang: Er trieb Frankreich in das Kriegsbündnis mit Österreich (im Vertrag von 1757) erst hinein und vereitelte so seine Absicht, durch den im August 1756 begonnenen Präventivkrieg (Einfall in Sachsen) eine schnelle Entscheidung zu seinen Gunsten herbeizuführen. So begannen die großen Kämpfe der Jahre 1757-1760, die in einem Auf und Ab von Erfolgen und Niederlagen (Siege von Prag, Roßbach und Leuthen 1757, Niederlagen von Kolin 1757, von Hochkirch 1758 und Kunersdorf 1759, Erfolge von Liegnitz und Torgau 1760) Friedrichs große strategische und taktische Kunst, zugleich aber auch die Unterlegenheit seines Staats gegenüber der feindlichen Koalition offenbarten.

    Nur die mangelhafte politische und militärische Zusammenarbeit seiner Gegner und schließlich der Tod der Zarin Elisabeth retteten den König, den England schon 1761 im Stich gelassen hatte. Neben dem Thronwechsel in Russland 1762 kam ihm aber auch die Kriegsmüdigkeit Frankreichs zugute. Maria Theresia musste angesichts großer Finanznöte und der zerfallenden Koalition auf ihre ursprünglichen Ziele verzichten und fand sich im 1763 abgeschlossenen Frieden von Hubertusburg mit dem Vorkriegszustand ab.

    Als die bisher führende Macht im Reich war Österreich damit weitgehend aus Deutschland zurückgedrängt; aber das Bündnis mit Frankreich und Russland, das trotz aller Schwankungen bis zur Französischen Revolution erhalten blieb, sicherte Österreich die Stellung als mitteleuropäische Großmacht. Seine Interessen verlagerten sich in der Folgezeit nach Osten und Süden, was später weltpolitische Auswirkungen haben sollte. Die Bedeutung des Siebenjährigen Kriegs lag jedoch zunächst in der kontinentalen Bindung Frankreichs als des großen kolonialen Gegners Englands, der in dem parallelen Seekrieg mit England die entscheidende Niederlage einstecken musste.

    Im Siebenjährigen Krieg hatten Preußen und Österreich ohne Gewinn für sich selbst den Entscheidungen der Weltpolitik gedient und dabei ihre Kräfte überfordert. So mussten ihre Fürsten nach dem Friedensschluss erst einmal daran gehen, die inneren Schäden des Kriegs zu heilen. Friedrich legte großes Gewicht auf die innere Kolonisation, der Warthe-, Oder- und Netzebruch wurden trockengelegt, Straßen und Kanäle gebaut, etwa 900 Dörfer neu errichtet und an die 300 000 Kolonisten angesiedelt. Neben landwirtschaftlichen Förderungsmaßnahmen (Fruchtwechsel, Kartoffelanbau, Verbesserungen in der Viehzucht, Baum- und Forstpflege) trieb er auch die Industrialisierung des Lands voran (Seidenindustrie, Leinenwebereien, Porzellan-, Glasmanufakturen). Eine konsequente Steuerpolitik (Erhebung der Verbrauchssteuer) und die Errichtung eines Tabak- und Kaffeemonopols brachten die Konsolidierung der Staatsfinanzen. Die vielleicht wichtigste und folgenreichste Neuerung aber war die Umorganisation der Verwaltung nach dem Departementsystem (Einteilung nach Sachgebieten).

    Zu großen sozialreformerischen Anstrengungen kam es nicht. Die Bauernbefreiung blieb auf die königlichen Domänen beschränkt. Eine spürbare Erleichterung brachte indes das Verbot des Bauernlegens und die Milderung der Frondienste. Die bevorzugte Stellung des Adels als Träger der Staatsgesinnung in Heer und Verwaltung blieb bestehen. Letztlich beschränkte sich Friedrich auf wirtschaftliche Förderungsmaßnahmen unter Bewahrung der alten Untertanenverhältnisse, schuf aber in Fortsetzung der von Justizminister Heinrich Cocceji eingeleiteten Rechtsreform auch die Voraussetzung für eine rechtsstaatliche Entwicklung mit grundsätzlicher Anerkennung freier Rechtsprechung. Diese fand 1795 im Preußischen Landrecht ihren Niederschlag.

    Friedrich II. wurde zweifelsohne entscheidend durch seine Jugend geprägt, die aus der Rebellion gegen den strenggläubig protestantischen Vater und dessen gewalttätigen Erziehungsmethoden bestand. Sein Fluchtplan, seine Gefangennahme und die Hinrichtung seines Vertrauten Hans Hermann von Katte (1730) haben seine Entwicklung entscheidend geprägt. Friedrich übernahm früh eine Haltung der beherrschten Rationalität, der Irreligiosität und der Menschenverachtung. Auch die aufgezwungene Ehe mit Elisabeth Christine von Braunschweig-Bevern stand unter keinem guten Stern.

    All dies formte einen verantwortungsbewussten, unabhängigen Mann, dessen Geisteshaltung sich einer streng rationalen, von Skrupeln unbeeinflussten Beweglichkeit des innen- und außenpolitischen Planens und Handelns offenbarte. Die Rezeption der Werke englischer und französischer Philosophen und Staatsdenker wie Morus, Bodin, Descartes, Hobbes, Locke und Voltaire, sowie - auf dem Umweg über die klassische französische Literatur der Zeit Ludwigs XIV. - der Gedankenwelt der Antike, ließ Friedrich zum Repräsentanten eines aufgeklärten Humanismus werden.

    Friedrich glaubte zeitlebens an das Wirken einer göttlichen Weltintelligenz oder Weltvernunft, die keine echte persönliche Handlungsfreiheit entstehen ließ. Die Aufgabe des Herrschers sah Friedrich als eine schicksalhafte Verpflichtung, den großen kulturellen und politischen Aufgaben der Epoche für seinen Staat gerecht zu werden und dabei die humanitären Ideale seines aufgeklärten Vernunftglaubens in die politische Praxis umzusetzen. Die strikte Ausrichtung aller Maßnahmen auf Nutzen und Machtzuwachs des Staats indes ließen Friedrich von einer Verwirklichung seiner Aufklärungsideale weit entfernt bleiben.

    Völlig anders waren Weg und Wesen Maria Theresias geartet. Obwohl ihre Erziehung im Familienkreis das spanische Hofzeremoniell betont hatte, war sie erfüllt von echter Menschlichkeit und Herzenswärme. Maria Theresia heiratete aus freier Wahl 1736 ihren Jugendfreund Franz I. Stephan von Lothringen. Aus dieser Ehe gingen 16 Kinder hervor. Bei Maria Theresia verbanden sich tiefe Gläubigkeit mit Lebensfreude und Weltoffenheit. Ihre eher unkonventionelle Neigung, sich mehr auf ihre eigene Menschenkenntnis als auf ihre Berater zu verlassen, war weit bekannt. Ihr politisches Selbstverständnis war verankert in der habsburgisch-katholischen Reichstradition. Aufklärerische Ideen lagen ihr fern. Sie sah in der Monarchie eine gottgesetzte Ordnung und verstand ihre Aufgabe religiös. Wo sie mit rationaler Planung die Vereinheitlichung ihres Staats betrieb und mit Hilfe einer fachlich gegliederten Zentralverwaltung das Auseinanderstreben der verschiedenartigen Reichsteile zu überwinden suchte, handelte sie aus reinen Zweckmäßigkeitserwägungen. Humanitären Gesichtspunkten entsprangen ihre Bemühungen um eine rechtliche und soziale Besserstellung der Bauern; die Aufhebung der Leibeigenschaft konnte sie allerdings nur auf den Krongütern erreichen. Mit der Gründung von Volksschulen erstrebte Maria Theresia eine Hebung der Volksbildung, mit der Einrichtung einer Wirtschaftsbehörde, dem Kommerzdirektorium, suchte sie in merkantilistisch-physiokratischem Sinn die Entfaltung von Industrie und Handel voranzutreiben. Die Abschaffung des kirchlichen und adligen Privilegs der Steuerfreiheit passte ganz in den Rahmen ihrer volksnahen, humanitären Staatsreform und war nicht nur durch die permanenten Finanznöte des Wiener Hofes motiviert. Auch zur Kodifizierung des herrschenden Landrechts hat Maria Theresia einen entscheidenden Schritt getan; 1768 erließ sie ein gemeinsames Strafgesetz für alle Erb-Länder, die "Nemesis Theresiana".

    Diese rege reformerische Tätigkeit der Kaiserin hat mit Recht hohe Anerkennung gefunden. Einzig ihre starre Haltung in Fragen der religiösen Toleranz wirft einen Schatten auf das Bild der großen Regentin. Um so fragwürdiger, umstrittener blieb das Bild ihres großen Gegners Friedrichs II. Das friderizianische Preußen erschien den einen als vollendeter Idealstaat, den andern als unmenschliche politische Zwangsanstalt. Ebenso schwankend ist auch das Urteil über den großen König - von seinem ersten großen Bewunderer Mirabeau bis zu den Kritikern der Nachkriegsepoche seit 1945, die in Friedrich den Anfang einer zur Katastrophe führenden preußisch-deutschen Aggressionspolitik sahen. Im konservativ-romantischen wie im liberalen Lager meldeten sich schon im 19. Jahrhundert kritische Stimmen zur Person und zum Werk Friedrichs - so etwa Novalis, Arndt, Hegel, Stein, Stadion, Clausewitz, Boyen und Gneisenau. Viele von ihnen versuchten freilich, dennoch der persönlichen Größe des Herrschers gerecht zu werden. Die kleindeutsche Geschichtsschreibung der Johann Gustav Droysen und Heinrich von Treitschke beging dann den Fehler der Heroisierung Friedrichs des Großen zum nationalen und liberalen Volkshelden.