Geschichte: Glaubenskämpfe

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    Die Auseinandersetzung zwischen Frankreich und Habsburg um die Vormachtstellung in Europa hatte schon in den Zeiten Kaiser Maximilians I. begonnen. Nach dessen Tod (1519) nahm ganz Europa Anteil an der Kaiserwahl. Der französische König Franz I. (regierte 1515-1547) hatte seinem Land durch die Eroberung Oberitaliens eine europäische Stellung gesichert. Er galt als großer Kriegsheld und besaß in ganz Europa den Ruf eines "ersten Ritters der Christenheit". Neben ihm standen Heinrich VIII. von England und der Enkel Maximilians, Karl, zur Wahl. Gewählt wurde der Habsburger Karl (als Kaiser Karl V., 1530-1556). Den Ausschlag gab das Geld der Fugger, von dem der Kaiser in der Auseinandersetzung mit seinen Gegnern abhängig blieb.


    Der zweite Reichstag von Speyer 1529 verbot die Wiedertäufer, erklärte sich aber auch gegen die Reformation. Gegen diese Beschlüsse erhoben die evangelischen Stände mit der berühmten "Protestation" vom 19. April 1529 Einspruch, die dem Protestantismus den Namen gab. Auch der Augsburger Reichstag von 1530 brachte nur eine Versteifung der Fronten, die in der "Confessio Augustana" der evangelischen Stände und der katholischen "Widerlegung" (Confutatio) zum Ausdruck kam, obwohl Philipp Melanchthon als Verfasser der protestantischen Grundsätze weit über das von Luther gewünschte Maß hinaus Konzessionen an die alte Lehre gemacht hatte.

    Die Unnachgiebigkeit der kaiserlichen Politik wurde 1531 mit der Gründung des Schmalkaldischen Bunds der Protestanten (unter Beteiligung Kursachsens, Hessens, Lüneburgs und mehrerer protestantischer Reichsstädte) beantwortet. Aber erst 1546/47 entlud sich der konfessionelle und politische Gegensatz zwischen Reichsführung und Protestantismus im Schmalkaldischen Krieg. Denn erst jetzt hatte Karl V. durch seine militärischen Erfolge im Kampf mit seinen europäischen Gegnern die Hände frei für die Abrechnung mit seinen Widersachern in Deutschland. Auch hier war der Kaiser, nachdem Herzog Moritz von Sachsen sich zur Neutralität verpflichtet und damit den Schmalkaldischen Bund entscheidend geschwächt hatte, militärisch erfolgreich und konnte daher auf dem "geharnischten Reichstag" zu Augsburg 1548 im so genannten kirchenpolitischen Interim seine Bedingungen diktieren: Von kleinen Zugeständnissen wie Laienkelch und Priesterehe abgesehen, liefen sie auf eine Restauration der alten Lehre hinaus.

    Die damit gewonnene Machtstellung des Kaisers hätte wahrscheinlich die endgültige Niederlage des Protestantismus zur Folge gehabt, wenn sie nicht auch den Argwohn der katholischen Fürsten geweckt hätte. Als Karl V. schließlich seinen Sohn Philipp von Spanien als seinen Nachfolger durchsetzen wollte, kam es zum Aufstand der Fürstenopposition. Im Vertrag von Chambord 1552 und unter Führung des wieder zur protestantischen Gegenpartei des Kaisers übergegangenen Kurfürsten Moritz von Sachsen verbündete sie sich (zur Wiedererringung der Freiheit Deutschlands), "pro Germaniae libertate recuperanda", mit Frankreich und sicherte sich gegen die Überlassung des Reichsvikariats über Metz, Toul und Verdun die Hilfe des französischen Thrones gegen den Kaiser.

    Der Kampf für die "deutschen Libertäten" endete mit der Flucht des Kaisers von Innsbruck nach Villach in Kärnten (1552) und dem völligen Zusammenbruch seiner Politik. Die Regierung in Deutschland wurde seinem Bruder Ferdinand übertragen (den Karl V. bereits 1530, nach seiner Kaiserkrönung, zum Römischen König hatte wählen und krönen lassen) während sein Sohn Philipp die Herrschaft über die Gebiete von Neapel, die Niederlande, Burgund und Spanien bekam. Ferdinand erhielt schließlich auch die Kaiserwürde (als Ferdinand I., 1556-1564), und alle Rechte in Österreich. Kaiser Karl V. trat im September 1556 ab und verbrachte die letzten beiden Jahre seines Lebens im spanischen Kloster San Jeronimo de Yuste. Er starb 1558. Das politische und religionsgeschichtliche Ergebnis dieser Niederlage Karls V. war einerseits der endgültige Zusammenbruch einer universalen kaiserlichen Macht, wie sie dieser Herrscher wohl noch einmal verwirklichen wollte, andererseits aber die Gleichberechtigung der protestantischen Stände, wie sie in den Bestimmungen des Augsburger Religionsfriedens von 1555 festgelegt wurde. Damit war die konfessionelle Spaltung endgültig zu einer auch institutionell sanktionierten historischen Tatsache geworden. Dass hier nicht die Glaubensfreiheit des Einzelnen gesiegt hatte, sondern die protestantischen Landesherrn und Reichsstände, zeigt aufs deutlichste der Augsburger Grundsatz "Cuius regio, eius religio" (Wer die Herrschaft hat, bestimmt die Religion).

    Die verfassungsgeschichtlichen Auswirkungen der Reformation lagen in einer Komplizierung der Entwicklung. Sie beschleunigte im Reich den Prozess der Aushöhlung der kaiserlichen Machtposition, so dass die Spannung auf dieser Ebene schwand, andererseits verlangsamte sie die analoge Entwicklung innerhalb der Territorien. Das Landesfürstentum zeigte sich noch nicht stark genug, die Idee des absolutistischen Staats den Landständen gegenüber durchzusetzen. Bis ins 17. Jahrhundert hinein dauerte der Zustand eines Gleichgewichts- und Vertragsverhältnisses zwischen beiden Gewalten in Deutschland. In Westeuropa - von der Sonderentwicklung in Russland zu schweigen - hatte sich zu dieser Zeit die neue Staatsform längst durchgesetzt. Frankreich jedoch hatte die Macht, "die deutschen Angelegenheiten unter der Hand in den größtmöglichen Schwierigkeiten zu halten" (Marillac).


    Traten in Deutschland die Landesfürsten das Erbe der kaiserlichen Machtstellung an, so war es in Europa das Spanien Philipps II. (1556-1598). Anders als sein Vater Karl, der in Wesen und Haltung burgundische Aristokratie verkörpert hatte, vertrat Philipp spanische Nationalität und Katholizität. Er wurde der erste Repräsentant des Absolutismus in Europa. In seinem Staat wurden zum ersten Mal die ständischen Organisationen ihres politischen Einflusses beraubt: Die kastilischen Cortes (die Ständeversammlungen) sanken zu königlichen Befehlsempfängern herab. Der Hochadel wurde in die Rolle eines politisch machtlosen Hofadels gedrängt; dem niederen Adel blieb die Möglichkeit, sich in Offiziers- und Beamtenstellen zu betätigen. Gestützt auf ein Heer und eine Flotte aus Söldnern, auf einen zentralistisch ausgerichteten Beamtenapparat und auf einen allgegenwärtigen Spionagedienst, beherrschte der Souverän die Kronländer ebenso absolut wie die Kolonien. Die Untertanen waren zwar ohne Einfluss, erfreuten sich aber des Schutzes einer sauberen Rechtspflege und Verwaltung und der wirtschaftlichen Förderung durch eine staatlich gelenkte Produktions- und Monopolwirtschaft. In den Kolonien wurde die Ablösung der alten Ausbeuterpraxis der Konquistadoren durch eine geordnete Kolonialverwaltung besonders wohltuend empfunden. Gleichzeitig aber erlebte Spanien unter Philipp II. einen traurigen Höhepunkt des religiösen Fanatismus. Er offenbart sich im Kampf gegen jegliche Form der Ketzerei mit dem Instrument der Inquisition ebenso wie in der Ausrottung der Reste der arabischen Bevölkerung in Spanien (Moriscos, 1568-1571) und in der Vertreibungspolitik gegenüber den Juden.

    Nach Siegen über Frankreich und die Türkei (Seeschlacht von Lepanto 1571) befand sich Spanien auf dem Höhepunkt seiner Macht. Jedoch setzte schon bald im Kampf mit den Niederlanden der Abstieg ein.

    Philipp scheiterte hier bei dem Versuch, das ständische Mitbestimmungsrecht zu beseitigen und den Protestantismus zu unterdrücken. Angesichts der Brutalität des königlichen Statthalters, des Herzogs von Alba, wuchs der Widerstandswille von Adel und Bürgertum, geführt von Wilhelm von Nassau-Oranien (gelebt 1533-1584). Ergebnis des Kriegs war die Loslösung Hollands und Seelands von Spanien im Jahre 1575; im Jahre 1576 bildeten sie die erste niederländische Republik. 1579 schlossen sich in der Utrechter Union auch die übrigen nördlichen Provinzen an; nur die südlichen, katholisch gebliebenen Provinzen mit wallonischer Bevölkerung hielten sich nach ihrem Friedensschluss mit dem König dem Bündnis fern. Mit Hilfe Englands, das 1588, unterstützt von Sturm und Unwetter, die mächtige spanische Hochseeflotte (Armada) in einer Reihe von Seegefechten vernichtete, gelang den Bundesgenossen nach wechselvollen Kämpfen im Waffenstillstand des Jahres 1609 die endgültige Loslösung von Spanien. Damit hatten die Niederländer die volle politische Unabhängigkeit und die wirtschaftliche und religiöse Freiheit gewonnen.

    Neben den innenpolitisch-deutschen und den außenpolitisch-europäischen Folgen der Reformation sind die religiösen Tiefenwirkungen bedeutsam. Die Reformation bestimmte nun das kirchliche Leben in weiten Teilen Deutschlands und zwang auch ihre Gegner zur Überprüfung ihres ethischen Standorts und zur Besinnung auf frühere Reformbestrebungen. Die Folgen zeigen sich in den katholischen Reformbemühungen des Konzils von Trient und in der Entstehung und Entfaltung des Jesuitenordens. Das Konzil von Trient (1545-1563), auch "Tridentinum" genannt, leistete Bedeutendes auf dem Gebiet der inneren Kirchenreform. Das verweltlichte Bischofsamt wurde wieder auf seine geistlichen Pflichten zurückgeführt, die gründliche Erziehung und Ausbildung des Priesternachwuchses in Konvikten und Seminaren wurde geregelt und der Missbrauch des Ablasses verboten. Doch die entscheidenden protestantischen Forderungen nach Aufhebung der Klöster, Priesterehe und Laienkelch lehnte das Tridentinum unnachgiebig ab. Der Katechismus, den es entwarf, vertiefte daher die Kluft zwischen beiden Lagern und trug zur Ausprägung echter gegensätzlicher Konfessionen wesentlich bei. Das Konzil bekannte sich auch zur Tradition der Scholastik und stärkte durch seine Forderung nach Gehorsam gegenüber den kirchlichen Oberen bis hinauf zum Papst die Machtstellung der Hierarchie.

    Die Festigung der Standpunkte der beiden konfessionellen Lager und ihre politische und militärische Aufrüstung mussten naturgemäß die Spannung erhöhen. Diese entlud sich schließlich im 30-jährigen Krieg. Das Kaisertum aber verfolgte im Verlauf des Kampfs beiden Lagern gegenüber das Ziel, durch Ausschaltung der ständischen Machtpositionen einen imperialen Absolutismus zu errichten. Hier lag auch der Ansatzpunkt für die Interventionen ausländischer Mächte, vor allem Schwedens und Frankreichs.