Geschichte: Die letzten Tage des Krieges

    Aus WISSEN-digital.de


    Noch bevor amerikanische Verstärkungen das Kräfteverhältnis endgültig zu Ungunsten Deutschlands verändern würden, sollte die Schlacht geschlagen werden. Im März 1918 standen sich die feindlichen Heere im Westen ungefähr gleich stark gegenüber. Im Osten durch den Frieden von Brest-Litowsk den Rücken frei, sollten jetzt 192 Divisionen mit mehr als 3,5 Millionen Mann ? dazu kamen während der Offensive noch 28 Divisionen von der Ostfront ? den Sieg erkämpfen, den man schon 1914 angestrebt hatte.

    Waffen und Munition standen den Deutschen in genügender Menge zur Verfügung. Der schwache Punkt in General Ludendorffs Offensive war die "Beweglichkeit". An Gespannen und Lastkraftwagen herrschte empfindlicher Mangel. Dennoch setzte Ludendorff alles auf eine Karte. Die Frage, was denn geschehe, wenn die Offensive scheitern würde, beantwortete er in militärischer Kürze: "Dann muss Deutschland eben zugrunde gehen."


    Am 21. März 1918 waren 63 deutsche Angriffsdivisionen mit über 6 000 Geschützen zum Angriff bereit. Nur fünf Stunden dauerte das einleitende Trommelfeuer der Artillerie. Dann stürmten die deutschen Divisionen gegen den überraschten Feind. An der Nahtstelle zwischen französischen und englischen Truppen gelang der Durchbruch auf einer 50 km breiten Front. In nur sieben Tagen stießen die deutschen Truppen 60 km vor. Doch dann hatten sich die Kräfte der Angriffsdivisionen verzehrt. Nun fehlten die beweglichen Reserven, um eine eindeutige Entscheidung zu erzwingen. Am 9. April versuchte es Ludendorff mit einem zweiten Schlag ? abermals vergeblich. Ein dritter Schlag führte die deutschen Truppen bis auf fünf Tagesmärsche an Paris heran. Die Marne war wieder erreicht. Deutsche Ferngeschütze beschossen Paris. Hiermit aber war die Kampfkraft der deutschen Soldaten endgültig erschöpft. Frische französische und amerikanische Kräfte in großer Zahl zwangen die deutschen Truppen zum Rückzug.

    Am 8. August durchbrachen englische Truppen mit Hunderten von Panzern die deutsche Front. Nach Ludendorff war das der "schwarze Tag" des deutschen Heeres. Auch er musste nun die Hoffnung auf den militärischen Sieg begraben: "Der 8. August stellte den Niedergang unserer Kampfkraft fest und nahm mir bei den gegebenen Ersatzmöglichkeiten die Hoffnung, eine strategische Aushilfe zu finden, welche die Lage wieder zu unsern Gunsten festigte. Der Krieg war zu beendigen."

    "In Wahrheit war nicht etwa bloß die Aussicht auf den Sieg, sondern es war auch der ganze Krieg militärisch endgültig verloren", fasste General Otto von Moser die katastrophale Lage zusammen, "denn mit einem Heere, das zahlenmäßig dauernd sank und dessen Seelenstärke erschüttert war, war gegenüber einem an Zahl dauernd wachsenden und durch Erfolge moralisch gehobenen Gegner auf keine Verbesserung der Lage mehr zu hoffen."

    In der Tat war die Kampfstärke des deutschen Westheeres seit Beginn der deutschen Offensive um eine Million Mann zurückgegangen, während die Zahl der amerikanischen Truppen an der Westfront im gleichen Zeitraum auf 1,8 Millionen gestiegen war.

    In dieser militärisch hoffnungslosen Lage hatten nun die Politiker das Ende der Kämpfe herbeizuführen. Ihre Hoffnungen, trotz der katastrophalen Situation doch noch annehmbare Bedingungen erzielen zu können, beruhten auf den vom amerikanischen Präsidenten Wilson am 8. Januar 1918 verkündeten "14 Punkten", die einer künftigen, gerechten Friedensregelung zugrunde liegen sollten. Gedrängt von der Obersten Heeresleitung, umgehend einen Waffenstillstand herbeizuführen, eröffnete der letzte kaiserliche Reichskanzler, Max Prinz von Baden, mit einer Note vom 5. Oktober 1918 an Wilson die Verhandlungen.

    Doch Verhandlungen sollte es nicht geben. Im Notenwechsel mit dem amerikanischen Präsidenten verlangte dieser indirekt die Abdankung des Kaisers und die Umwandlung Deutschlands in eine parlamentarische Demokratie. Außerdem könne nur ein Waffenstillstand abgeschlossen werden, "der die Vereinigten Staaten und die mit ihnen assoziierten Mächte in einer Lage lassen würde, in der sie jeder Abmachung, welche getroffen werden müsste, genügend Kraft beizusetzen vermögen, um eine Wiederaufnahme der Feindseligkeiten seitens Deutschlands unmöglich zu machen".


    Der Wunsch der deutschen Regierung, Verhandlungen über einen Waffenstillstand einzuleiten, wurde somit von Wilson mit der Forderung nach der militärischen Kapitulation Deutschlands beantwortet.

    Als die deutsche Waffenstillstandskommission im Wald von Compiègne die harten Bedingungen des Waffenstillstands vorgelegt bekam, fragte ihr Leiter, Matthias Erzberger, bei der Obersten Heeresleitung an, ob diese Bedingungen denn wirklich angenommen werden müssten. Hindenburg riet zwar, in zahlreichen Punkten Erleichterungen anzustreben, aber "gelingt die Durchführung dieser Punkte nicht, so wäre trotzdem abzuschließen". Die Kampfhandlungen wieder aufzunehmen, hatte militärisch gesehen keinen Sinn mehr. Über kurz oder lang wäre das deutsche Heer vom Feind geschlagen worden.

    Am 11. November 1918 wurde der Waffenstillstand unterzeichnet. Die Mittelmächte hatten den Krieg verloren, Deutschland war auf Gedeih und Verderb den Siegermächten ausgeliefert.