Geschichte: Die Kreuzzüge

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    Imperium und Papsttum trugen gemeinsam den Kampf gegen die türkische Bedrohung des Abendlandes im Mittelalter. Unter dem Namen "Türken" traten seit dem 6. Jahrhundert verbündete mongolische Nomadenstämme auf, die nach Westen vorstießen, die islamisierten Völker und Räume Persiens und des Zweistromlandes unterwanderten und sie schließlich beherrschten. Sie nahmen dabei noch im 7. Jahrhundert den Islam als Religion an und erleichterten sich damit die Beherrschung der gleichfalls mohammedanischen Unterworfenen.

    Eine geschlossene Macht entstand mit dem Aufbau des Seldschukenreiches, so genannt nach seinem Begründer Seldschuk (um 1000), einem türkischen Fürsten. Er eroberte Buchara. Unter seinem Sohn wurden große Teile Persiens und Arabiens dem Reich einverleibt. 1048 wurde Armenien erobert, 1070 unter dem Seldschukenfürsten Alp Arslan Jerusalem erstürmt. Im Jahre 1092 wurde der Seldschukenstaat in das westliche Ikonion und das östliche Reich von Bagdad geteilt; die Bedrohung des christlichen Vorderasiens und des Heiligen Landes durch die türkischen Herrscher blieb jedoch bestehen. Daher rief Papst Urban II. auf der Synode von Clermont 1095 zum Kreuzzug gegen die Türken auf.

    Die Kreuzzüge, die nach dem Willen des Papstes die Kräfte ganz Westeuropas mobilisieren sollten, hatten militärisch nur geringen Erfolg. Die zur Verfügung stehenden Heere waren meist nicht stark genug. Sie litten unter den klimatischen Verhältnissen des Kriegsschauplatzes, zu dem sie in langwierigen See- oder Landfahrten erst herangebracht werden mussten. Die militärischen Führer waren oft ungeeignet, dazu unter sich uneinig; die Streitkräfte waren nach Herkunft, Haltung und Ausbildung sehr uneinheitlich. Zusammenhalt gab ihnen nur die Vorstellung, das Reich und die Rechte Gottes gegen die unrechtmäßige Macht des Teufels zu verteidigen.

    Freilich lösten die Kreuzzüge weltgeschichtliche Wirkungen aus, die ihre Urheber nicht hatten voraussehen können. Sie zwangen das christliche Abendland zur geistigen Auseinandersetzung mit der Religion und Kultur des Islam, und das konnte für die eigene Lebens- und Weltanschauung nicht folgenlos bleiben. Die europäischen Krieger aber wurden sich im engen Zusammenleben der Feldlager erstmals ihrer nationalen Sonderart bewusst. Nicht gering waren auch die wirtschaftlichen Auswirkungen der Feldzüge; sie führten zu einem verstärkten Warenaustausch mit dem Osten über alle religiösen und politischen Schranken hinweg. Die Blüte der hoch- und spätmittelalterlichen Handelsstädte im Mittelmeerraum, insbesondere Italiens, hat hier ihre Wurzel. Eine ganz anders geartete, aber nicht weniger schicksalhafte, tief in die europäische Geschichte eingreifende Wirkung der Kreuzzüge war das Einschleppen der Pest ins Abendland. Sie wurde von den Flöhen der in den Kreuzfahrerschiffen mitgebrachten Ratten verbreitet.


    Am ersten Kreuzzug (1096-1099) nahmen französische, flandrische, normannische und lothringische Ritter teil. Die Gebiete, die sie erobern wollten, sollten als Lehen des oströmischen Kaisers (Alexios Komnenos) gelten. 1099 gelang die Eroberung Jerusalems. Der Organisator und militärische Führer des Unternehmens, Gottfried von Bouillon, Herzog von Niederlothringen, nahm den Titel "Beschützer des heiligen Grabes" an, sein Nachfolger in der Herrschaft, Baudouin I., bezeichnete sich als König von Jerusalem.

    Rückschläge durch eine türkische Gegenoffensive veranlassten den zweiten Kreuzzug (1147-1149). Er wurde unter dem Eindruck der mitreißenden Kreuzzugspredigt des Bernhard von Clairvaux von Kaiser Konrad III. und dem französischen König Ludwig VII. gemeinsam unternommen. Der Zug endete unglücklich. Die Heere erlitten schwerste Verluste, zwischen den Verbündeten entstanden Streit und Spannung. Konrads Stellung, der ohne Truppen in die inneren Wirren der Heimat (Gegensatz Staufer-Welfen) zurückkehrte, wurde dadurch stark erschüttert. Die Belagerung von Damaskus musste erfolglos abgebrochen werden. 1187 gingen alle Eroberungen der Kreuzfahrer wieder verloren und der ägyptische Sultan Saladin rückte mit seinen Truppen in Jerusalem ein.

    Zum dritten Kreuzzug (1189-1192) verbündeten sich Kaiser Friedrich Barbarossa, König Philipp II. August von Frankreich und König Richard Löwenherz von England. Die Staufer hatten im Verlauf des Feldzuges den Tod des Kaisers, der im Saleph ertrank, und seines Sohnes, des Herzogs Friedrich von Schwaben, der vor Akkon fiel, zu beklagen. 1191 geriet die Stadt in die Hand der Franzosen und Engländer.


    Im vierten Kreuzzug (1202-1204), den französische und italienische Ritter auf Betreiben des Papstes Innozenz III. unternahmen, zeigte sich deutlich, dass der religiöse Antrieb von weltlichen Eroberungs- und Machtgelüsten überlagert wurde. Auf Anstiftung des beteiligten Venedig wandten sich die Kreuzfahrer gegen Ostrom, eroberten Konstantinopel und errichteten das "Lateinische Kaisertum" unter Baudouin von Flandern, das jedoch 1261 von Ostrom wieder beseitigt wurde. Venedig nutzte die Gelegenheit zum Aufbau seiner Seemacht und brachte auf diese Weise den gesamten Levantehandel unter seine Kontrolle.

    Der fünfte Kreuzzug (1228-1229) unter Kaiser Friedrich II. sicherte durch einen Vertrag mit Ägyptens Sultan noch einmal für kurze Zeit den Besitz Jerusalems; 1244 ging es jedoch endgültig für das Abendland verloren. 1291 musste man auch die letzten Stützpunkte der Kreuzfahrer in Akkon, Tyrus, Beirut und Sidon aufgeben, nachdem der sechste Kreuzzug König Ludwigs IX., des Heiligen, 1254 mit einem völligen Fehlschlag geendet hatte.

    Die geistige und wirtschaftliche Fortwirkung der Kreuzzüge, von der schon die Rede war, wurde verstärkt und ergänzt durch das Weiterleben der Kreuzfahrer-Ritterorden wie der französischen Templer (bis 1312) und der italienischen Johanniter, die 1281 nach Zypern, 1310 nach Rhodos, 1530 schließlich nach Malta gingen und seitdem auch Malteser genannt werden. Der erfolgreichste Kreuzritterorden war jedoch der zunächst als Hospitalbruderschaft gegründete Deutsche Ritterorden, der nach Verlust der orientalischen Gebiete im Bereich der deutschen Slawenmission und Ostkolonisation einen neuen Wirkungskreis fand. Vor Akkon von Herzog Friedrich von Schwaben gestiftet, kenntlich am weißen Mantel mit schwarzem Kreuz, verlegte der Orden im Jahre 1226 unter dem Hochmeister Hermann von Salza sein Haupttätigkeitsfeld nach Preußen, wo er mit Hilfe deutscher Kolonisten die pruzzischen und slawischen Stämme unterwarf und einen Staat gründete, der erst nach der Reformation 1525 in ein protestantisches Herzogtum umgewandelt wurde.

    Der Nahe Osten war für das christliche Abendland verloren; statt dessen drang der Islam im hohen Mittelalter von Südosten her immer weiter vor.


    Unter Osman I. (1299-1326) entstand das mächtige Osmanische Reich in Kleinasien, das sich 1354 mit der Einnahme von Gallipoli erstmals auch auf europäischen Boden ausdehnte. Adrianopel wurde erobert und 1365 zur Residenz erhoben. Ein Versuch deutscher, französischer und ungarischer Ritter unter Führung König Sigismunds, dem weiteren türkischen Vordringen auf dem Balkan Einhalt zu gebieten, scheiterte mit der Niederlage bei Nikopolis 1396. Nur die Schwierigkeiten, die den Türken durch die konkurrierende Reichsbildung der asiatischen Mongolen unter Timur (1369-1405) erwuchsen, hielten sie vorübergehend vom weiteren Vordringen in Europa ab. In der Mitte des 15. Jahrhunderts nahmen sie ihren Vormarsch jedoch wieder auf und vernichteten 1453 die Reste des oströmischen Reiches durch die Eroberung Konstantinopels unter ihrem Sultan Mohammed II. (1451-1481). 1483 drangen die Türken in die Herzegowina ein, 1526 nahmen sie nach ihrem Sieg bei Mohacs den größten Teil Ungarns in Besitz. Seitdem bildeten sie die größte Gefahr, die das christliche Abendland jemals von außen her bedrohte.