Geschichte: Der Dreißigjährige Krieg

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    In der Regierungszeit der beiden Kaiser Ferdinand I. (1555-1564) und Maximilian II. (1564-1576) herrschte eine Atmosphäre des Ausgleichs zwischen den konfessionellen Parteien. Anders wurde es, als mit Rudolf II. (1576-1612) ein von spanischen Jesuiten erzogener Herrscher den Thron bestieg. Die Ausbreitung des Protestantismus erreichte in diesen Jahren ihren Höhepunkt. Hatten Ferdinand I. und Maximilian nichts gegen diese Entwicklung getan, so ließ Rudolf II., selbst mehr an Naturwissenschaft als an Politik interessiert, den Behörden freie Hand, im Sinn der Gegenreformation zu wirken. Der Protestantismus versuchte vergeblich, das kurfürstliche Erzbistum Köln und das Bistum Straßburg in sein Lager herüberzuziehen. Als die evangelische Mehrheit der Bürger von Donauwörth eine Prozession alten Stils verhindern wollte, verhängte Rudolf die Reichsacht über die Stadt und beauftragte Herzog Maximilian von Bayern mit der Vollstreckung. Maximilian gliederte die Stadt seinem Land ein und erzwang, gestützt auf den Buchstaben des Augsburger Religionsfriedens, ihre Rückkehr zum alten Glauben. Die Folge war eine Spaltung der Reichsstände. Unter Führung der Pfalz sammelten sich die Protestanten 1608 in der "Union", ihr Oberhaupt wurde Kurfürst Friedrich IV. von der Pfalz. 1609 kam auf die Initiative Herzog Maximilians von Bayern die katholische "Liga" zu Stande.

    Im Zeichen dieser politischen und militärischen Sammlung der feindlichen Lager begann der Kaiser mit dem Versuch, die Gebiete von Kleve, Mark, Ravensberg, Jülich und Berg als erledigte Reichslehen zu Gunsten der Krone einzuziehen. Die Gefahr einer bedeutenden Stärkung der kaiserlichen Stellung rief Frankreich auf den Plan. Aber König Heinrich IV. wurde ermordet. England und Holland verlangten nun die Aufgabe der kaiserlichen Absichten; im Vertrag von Xanten 1614 setzten sie ihren Standpunkt durch - Kleve, Mark und Ravensberg kamen an Brandenburg, Jülich und Berg an die katholische Linie Pfalz-Neuburg. Das Zurückweichen des Kaisers hatte in letzter Minute den Ausbruch eines großen europäischen Krieges verhindert.

    Der schwache Nachfolger Rudolfs, Kaiser Matthias (gelebt 1557-1619), wurde durch Erzherzog Ferdinand von der Steiermark, der schon seit 1617 Landesherr in Böhmen und Ungarn war, in der Reichsführung abgelöst. Ferdinand II. war kein Mann der Güte und des Ausgleichs. Er verlangte von den protestantischen Ständen Böhmens die Einstellung aller reformatorischen Bestrebungen auf katholischem Herrschaftsgebiet und unterstützte die gegenreformatorischen Maßnahmen des katholischen Klerus. Erbitterte Adlige warfen in Prag einige Räte des Kaisers aus dem Fenster des Schlosses und bildeten eine provisorische Regierung. Diese Rebellion in Böhmen allein hätte freilich nicht genügt, die große Auseinandersetzung zu entfesseln, wäre nicht Ferdinand, längst vorbereitet durch sein Bündnis mit Philipp III. von Spanien und Herzog Maximilian von Bayern, entschlossen gewesen, den Waffengang bis zum Sieg des Katholizismus und der Wiederherstellung der Kaisermacht in Deutschland zu wagen. 1617 war zwischen ihm und Philipp ein Vertrag abgeschlossen worden, der Spanien gegen Überlassung aller Rechte in den übrigen österreichischen Erblanden und der Vormacht im deutschen Reich einen Anspruch auf das Elsass, Hagenau und die Ortenau einräumte.

    Die erste Etappe des Dreißigjährigen Krieges, der böhmisch-pfälzische Krieg von 1618-1622, begann, als sich die protestantischen Stände Böhmens von Kaiser Ferdinand lossagten und eine Wahlmonarchie in Böhmen begründeten, an deren Spitze sie Friedrich von der Pfalz beriefen. Aber das protestantische Lager war weder von niederländischem Kampfgeist beseelt, noch besaß es Männer vom Range des Oraniers. Ihm stand die festgefügte, durch kaiserlich-spanische Machtmittel verstärkte katholische Liga gegenüber mit den bedeutenden Feldherren Johann von Tilly und Ambrogio Spinola.

    Die Schlacht am Weißen Berge 1620 brachte den Sieg der Liga und damit den Sieg der Gegenreformation in Böhmen. Der österreichisch-habsburgische Absolutismus siegte ebenso über die ständische Verfassung wie über den deutschen Calvinismus. Die Niederwerfung der Pfalz und Badens folgte. Der pfälzische Kurfürst, spöttisch "Winterkönig" genannt, suchte Zuflucht in den Niederlanden. Maximilian von Bayern gewann die Kurwürde des geflohenen Landesherrn, als 1622 der Feldzug mit der Kapitulation Mannheims und Heidelbergs endete. Damit hätte der Krieg zu Ende sein können.

    Statt dessen weitete er sich aus. Ein militärisches und ein politisches Motiv waren dafür ausschlaggebend. Das erstere lag in den Operationen Tillys gegen die norddeutschen Verbündeten des Pfälzer Kurfürsten, gegen Ernst von Mansfeld und Christian von Halberstadt, das zweite in der Entschlossenheit des Kaisers, die säkularisierten geistlichen Territorien religiös und politisch zu restaurieren. Die Antwort darauf war das Bündnis der protestantischen Stände Niedersachsens mit dem Herzog von Holstein und König von Dänemark, Christian IV. Der Kaiser parierte diesen Zug mit der Aufstellung eines eigenen, kaiserlichen Söldnerheers unter Albrecht von Wallenstein (1583-1634), einem böhmischen Hochadeligen und Fürsten von Friedland von Kaisers Gnaden. Heiratspolitik und der Anschluss an das kaiserliche Lager brachten diesem Abtrünnigen der hussitischen Bewegung großen Reichtum und Landbesitz aus der Konfiskationsmasse von 1621 ein.

    Im niedersächsisch-dänischen Krieg von 1625-1630 wurde Ernst von Mansfeld 1626 an der Dessauer Eibbrücke von Wallenstein vernichtend geschlagen; kurz danach erlitt der dänische König bei Lutter am Barenberg eine Niederlage durch Tillys Heer. Wallenstein erhielt vom Kaiser Mecklenburg und Sagan und wurde damit Reichsfürst. Aber sein Versuch einer kaiserlichen Flotten- und Kolonialpolitik scheiterte am Widerstand der Hansestädte; Stralsund verteidigte sich, unterstützt von Dänemark und Schweden, erfolgreich gegen ihn. Dennoch war Wallensteins Sieg und damit der des Kaisers von größter Wirkung. 1629 wurde der Lübecker Frieden geschlossen; Dänemark musste auf weitere Interventionen in Deutschland verzichten. Außerdem erließ der Kaiser ohne Mitwirkung des Reichstags das Restitutionsedikt, das die Rückgabe säkularisierter geistlicher Gebiete Norddeutschlands an ihre ehemaligen katholischen Herren vorsah und die Calvinisten vom Religionsfrieden ausschloss.

    Wiederum bestimmten zwei eng miteinander verknüpfte Umstände auch in diesem weltgeschichtlichen Augenblick das deutsche und europäische Schicksal: Der Hass der deutschen Fürsten, auch der katholischen, gegen Wallenstein, geschürt von Abgesandten des Kardinals Richelieu, führte zu einer Intervention beim Kaiser. In völliger Verkennung seiner Lage entließ dieser den Feldherrn. Frankreich aber, das auf keinen Fall eine Steigerung der kaiserlichen Macht wünschte, schloss 1630 mit Schweden den Bündnisvertrag von Bärenwalde an der Oder. Damit war der Fortgang des großen Ringens beschlossene Sache.


    Der schwedische Krieg (1630-1634) begann mit Gustav Adolfs Landung auf Usedom. Der Schwedenkönig handelte sowohl aus religiösen wie aus machtpolitischen Motiven. Er wollte der Gegenreformation in Norddeutschland Einhalt gebieten, zugleich aber auch Land und Einfluss im niederdeutschen Raum gewinnen, um seinem Land gegenüber den dänischen, polnischen und russischen Nebenbuhlern die Herrschaft über die Ostsee zu sichern.

    Gustav Adolfs Erfolge zwangen Brandenburg und Kursachsen, die sich ebenfalls durch Tillys Eroberung von Magdeburg bedroht fühlten, auf seine Seite. Es folgte der Siegeszug des Königs nach dem Süden. Die kaiserliche Machtposition, wie auch die der katholischen Landesfürsten, war in höchster Gefahr. Diese Notlage zwang den Kaiser zur erneuten Berufung Wallensteins. Dessen Forderung nach weitgehender militärischer und politischer Handlungsfreiheit musste Ferdinand II. wohl oder übel erfüllen. Aber seine operativen Erfolge gegenüber dem Schwedenkönig nutzten dem Feldherrn nicht. Wallenstein zwang ihn zum Rückzug aus Süddeutschland, musste aber 1632 in Lützen auch eine Niederlage durch das schwedische Heer einstecken.

    Die Eigenmächtigkeit seines politischen Vorgehens, die sicher aus egoistischen machtpolitischen Absichten heraus geführten Verhandlungen mit Schweden und Frankreich trugen Wallenstein den Verdacht des Verrats ein. Alsbald begann das Kesseltreiben des Kaisers und der katholischen Fürsten gegen ihn. Nach dem Abfall der meisten seiner Truppenführer wurde er in Eger ermordet. Aber sein Ausfall wie zuvor der Tod Tillys in der Lechfeldschlacht (1632) gegen Gustav Adolf wurden wettgemacht durch die Rückkehr der schwedischen Politik unter Kanzler Oxenstierna zu einer Linie der Defensive und Beschränkung der Kriegsziele. Die schwedischen Truppen und ihre deutschen Verbündeten unterlagen alsbald bei Nördlingen den kaiserlichen und spanischen Kräften. Im Frieden von Prag 1635 versuchte der Kaiser einen Ausgleich mit seinen protestantischen Gegnern. Er kam den ehemaligen norddeutschen Verbündeten Schwedens großzügig entgegen, gab die Lausitz an Kursachsen und verlangte lediglich in den ehemals geistigen Territorien die Restitution nach dem Stand von 1627.


    Doch wieder wurde das Ende des Krieges durch französische Einmischung vereitelt. Diesmal wagte Richelieu, der nach Wallensteins Fall Lothringen und einige Plätze im Elsass, wie Hagenau und Zabern, schließlich auch Philippsburg für Frankreich gewonnen hatte, die offene Intervention. Sie veranlasste auch Schweden wieder zu einer aktiveren Beteiligung. Richelieus Pläne waren weniger auf konkrete Eroberungen gerichtet, als auf eine entscheidende Schwächung des Hauses Habsburg, das Frankreich von allen Seiten umklammerte und letztlich auf eine Auseinandersetzung mit den Habsburgern um die Hegemonie in Europa.

    Der Westfälische Frieden von 1648 brachte den Durchbruch zur religiösen Toleranz und beendete vorläufig den Machtkampf zwischen Habsburg, Schweden und Frankreich. Das Streben nach einem absoluten kaiserlichen Regiment im Reich war ohne Erfolg geblieben. Die Reichsverfassung schützte die völlige Souveränität der Landesfürsten. Die schwedisch-französische Garantie dieser Verfassung bedeutete für Europa die politische und militärische Hegemonie Frankreichs. Die territorialen Veränderungen in Deutschland waren, an diesen Ergebnissen gemessen, von zweitrangiger Bedeutung. Die Pfalz wurde wiederhergestellt, die Oberpfalz kam an Bayern, Brandenburg erhielt Hinterpommern und die Bistümer Kammin, Minden und Halberstadt sowie die Anwartschaft auf Magdeburg, das schließlich 1680 preußisch wurde. Schweden gewann Vorpommern mit Usedom und Wollin, ferner Bremen und Verden. Frankreich aber wurde praktisch Herr im Elsass, im Sundgau, in Breisach und Philippsburg. So konnte der Nachfolger Richelieus (gestorben 1642), Kardinal Mazarin, die Früchte der genialen Politik seines Vorgängers einheimsen. Auch Lothringen wurde durch die Abtretung von Metz, Toul und Verdun französisches Machtgebiet. Die Niederlande und die Schweiz aber schieden aus dem Reichsverband staatsrechtlich aus.