Wie im Film – nur real: Digitale Lösungen für die Kriminalistik

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    Geschriebene, eingesprochene oder verfilmte Krimis gehören seit Jahrzehnten zu den beliebtesten Genres. Was jedoch die Arbeit und Techniken der darin vorkommenden Ermittler anbelangt, so geht der Realismusgrad vielfach eher in Richtung SciFi. Dabei können heutige Kriminalisten jedoch tatsächlich auf verschiedene digitale Innovationen zurückgreifen, die ihnen die Arbeit erleichtern und die Aufklärungsquoten erhöhen können. Vier davon seien auf den folgenden Zeilen vorgestellt.

    Spezielle Auslese-Softwares

    Angesichts der enormen Verbreitung von Smartphones, Computern und Tablets gehören derartige Geräte längst du den am häufigsten konfiszierten Besitztümern von Verdächtigen – und enthalten oftmals nicht nur Spuren, sondern sind Tatwerkzeug.

    Die Schwierigkeit: Selbst, wenn diese Systeme nicht kompliziert verschlüsselt sind, so finden sich dennoch häufig darauf Hunderte Programme und Apps und viele Gigabyte an Daten. Das alles manuell auszulesen, dauert nicht nur lange, sondern birgt die Gefahr, in der enormen Menge etwas zu übersehen; einen womöglich entscheidenden Hinweis. Typischerweise nutzen Kriminalpolizisten deshalb heute spezielle Auslese-Softwares. Deren Funktionsumfang umfasst meistens zumindest folgendes:

    • Vollautomatisiertes Crawlen und Kopieren des gesamten Systems auf einen Polizeicomputer.
    • Wiederherstellung gelöschter Dateien, soweit möglich.
    • Kategorisierung aller gefundenen Medien, egal zu welcher App sie gehören (beispielsweise übersichtliche Darstellung aller Fotos, ganz gleich ob mit der Kamera-App aufgenommen oder per Chat-Programm empfangen).
    • Klares Aufzeigen von Chat-Verläufen, ebenfalls ungeachtet der Programme.

    Letztendlich dient das einem Zweck: Die Beamten können dadurch beliebige Digitalgeräte sehr komfortabel auslesen, wodurch die Chance massiv steigt, straftatrelevante Details zu finden.

    Übrigens: Mit ähnlichen Werkzeugen können zumindest Android-Geräte, selbst im gesperrten Zustand, entsperrt und ausgelesen werden. Bei Apple-Produkten hingegen funktionierte dies nur in früheren Versionen. Neuerdings – nach aktuellem Wissensstand – jedoch nicht.

    Digitale Fall- und Aktenbearbeitungssysteme

    Viele Kriminalfälle sind unglaublich facettenreich und komplex. Außerdem müssen zahlreiche Beteiligte zwischen verschiedenen Ermittlern, Staatsanwälten und Richtern mit den gleichen Informationen versorgt werden können – überdies mit einer garantiert sicheren Übertragung. All das wurde durch das klassische „Papierprinzip“ ebenso gehemmt wie durch die Nutzung unterschiedlichster Softwares für verschiedene Aufgabenstellungen. Zumindest in einigen Bundesländern können Kriminalisten heute jedoch auf ein deutlich fähigeres Digitalwerkzeug zurückgreifen. Das System VIS-Polizei ist eine einheitliche Plattform, auf der sämtliche relevanten Arbeiten in einer gleichbleibenden Umgebung getätigt werden.

    Egal ob Zeugenaussagen, generelle Fallakten oder das Übertragen an andere Dienststellen. Alles, was unter dem Stichwort „polizeilicher Akt“ läuft, erfolgt hier naht- und medienbruchlos – und überdies deutlich besser gegen unbefugte Zugriffe geschützt als frühere Systeme. Primär wird dadurch die gesamte Ermittlungsarbeit erheblich erleichtert und gestrafft. Sekundär sinkt jedoch das zuvor vorhandene Risko für Übertragungs- und sonstige Fehler praktisch auf Null.

    IMSI-Catcher

    Auf jeder SIM-Karte befindet sich unter anderem eine IMSI-Nummer - International Mobile Subscriber Identity. Sozusagen ein digitaler Fingerabdruck, der einen Mobilfunknetzteilnehmer identifizierbar macht. Ebenso existiert die IMEI (International Mobile Equipment Identity), die wiederum das Gerät eindeutig identifiziert.

    Wenn ein mit einer SIM bestücktes Gerät in eine neue Mobilfunkzelle (= den Arbeitsradius eines Mobilfunkmastes) wechselt, dann identifiziert sich die SIM gegenüber dem Mast, nicht jedoch umgekehrt. Hierzu werden IMSI und IMEI übertragen.

    Hier setzen IMSI-Catcher an. Diese Geräte simulieren einen Mobilfunkmast. Gleichsam können sie sich gegenüber echten Masten als Mobilfunkgerät ausgeben. Dadurch geschieht folgendes:

    • Das Handy eines Verdächtigen wählt sich in den vermeintlichen Mobilfunkmast ein, der tatsächlich der IMSI-Catcher ist. Da der Catcher ein starkes Signal aussendet, regt er Geräte in Reichweite automatisch zum Einwählen an, da diese sich stets mit der jeweils leistungsstärksten Funkzelle verbinden.
    • Durch die IMSI-Daten kann die SIM eindeutig zugeordnet werden.
    • Da ebenso die IMEI übertragen wird, bleibt die Identifizierbarkeit selbst bei einem SIM-Karten-Wechsel gegeben – wichtig bei Verdächtigen, die sich bereits überwacht wähnen.
    • Der IMSI-Catcher kann Verbindungen dazu anregen, unverschlüsselt übertragen zu werden.
    • Aufgrund der Weiterleitung an einen echten Mobilfunkmast bleibt dennoch eine Verbindung ins offizielle Mobilfunknetz bestehen. Dadurch wird es für die Verdächtigen ohne komplexe technische Hilfsmittel kaum ersichtlich, dass hier überhaupt etwas nicht stimmt – aus ihrer Sicht.

    Das heißt, die Ermittler können dadurch nicht nur sämtliche übertragenen Daten unbemerkt mitlesen, sondern ebenso einen Standort recht genau bestimmen. Überdies kann die Verbindung zum echten Signalmast gekappt werden. Dadurch können alle im IMSI-Catcher eingewählten Geräte nicht mehr kommunizieren, obwohl sie noch ins Netz eingewählt erscheinen – das kann beispielsweise die Befehlsweitergabe von Kriminellen zeitweilig verunmöglichen.

    Crime-Mapping-Werkzeuge

    Seitdem sich Ende der 1800er Jahre die ersten Formen einer dedizierten Kriminalistik herausbildeten, versuchten die Ermittler immer, nicht nur auf Verbrechen reagieren zu können, sondern diesem möglichst gleichauf, idealerweise sogar eine Nasenlänge voraus zu sein. Vieles wurde diesbezüglich in der Vergangenheit probiert, meistens jedoch ohne Erfolge. Heute allerdings hat Digitaltechnik in Verbindung mit Big Data und künstlicher Intelligenz die Grundlagen geschaffen, um Straftaten tatsächlich polizeilich brauchbar vorhersagen zu können. Das hat zwar nichts mit Hellseherei zu tun und ist nicht in der Lage, absolute Werte zu liefern, dennoch sind die Möglichkeit für die Kriminalisten bestechend. Die dahinterstehende Technik nennt sich Crime Mapping, also das Kartographieren von kriminellen Taten. Das Prinzip selbst ist schon sehr alt, mit digitalen Hilfsmitteln jedoch wird es beeindruckend:

    Digitale Geoinformationssysteme und Karten-Tools werden genutzt, um nicht nur Straftaten einzutragen, sondern andere ermittlungsrelevante Daten. Etwa, wo Verdächtige wann wie lange telefoniert haben. • In der grundsätzlichen Herangehensweise dient dieses Crime Mapping dazu, in klassisch reaktiver Ermittlungsarbeit Zusammenhänge zwischen Taten und Verdächtigen herzustellen und sichtbar zu machen. • Langfristig indes ist Crime Mapping jedoch ebenso dazu geeignet, um die Wahrscheinlichkeiten für Verbrechen an bestimmten Orten zu berechnen – sogenanntes Predictive Policing.

    Zum derzeitigen Zeitpunkt ist es natürlich nicht möglich, vorherzusagen, ob beispielsweise Bank X am Tag Y überfallen wird. Wohl aber lässt sich basierend auf gesammelten Daten mit guter Genauigkeit ermitteln, ob Bank X im Zeitraum Z einem erhöhten Risiko für einen Überfall unterliegen könnte.

    Derzeit wird letzteres rings um den Globus von zahlreichen Polizeien im Testbetrieb erprobt. Allerdings: Aufgrund des Vorwurfs von Diskriminierung ist Predictive Policing nicht frei von Kritik. Das EU-Parlement befasste sich bereits mit einem Verbotsantrag und das Bundesverfassungsgericht entschied jüngst, der Einsatz sei nur unter sehr eng gesteckten Voraussetzungen grundgesetzkonform.

    Kalenderblatt - 20. April

    1844 Uraufführung des Märchens "Der gestiefelte Kater" von Ludwig Tieck.
    1916 Die USA drohen Deutschland mit dem Abbruch der diplomatischen Beziehungen, wenn Deutschland nicht die Torpedierung von Fracht- und Passagierschiffen aufgebe.
    1998 Die Terrororganisation RAF (Rote Armee Fraktion) erklärt sich selbst für "Geschichte" und löst sich auf.