Walther von der Vogelweide

    Aus WISSEN-digital.de

    deutscher Minnesänger; * um 1170 wahrscheinlich in Niederösterreich, † um 1230 in Würzburg

    Allgemeines

    Neben Wolfram von Eschenbach ist Walther von der Vogelweide wohl einer der brühmtesten deutschsprachigen Dichter des Hochmittelalters. Aus seiner Dichtung lässt sich seine Lebenszeit ungefähr auf die Jahre 1170 bis 1230 datieren. Seine Lebensstationen lassen sich nur aus den autobiografischen Bezügen seiner Lieder entnehmen; das einzige zeitgenössische Zeugnis, das Walther namentlich erwähnt, stammt von einem Passauer Schreiber, der ein Geldgeschenk seines Bischofs Wolfger an den Sänger verzeichnet hat. Wichtigste Quelle seiner Liedtexte ist die um 1600 entstandene Manessische Liederhandschrift (die Melodien sind zum allergrößten Teil verloren).

    Minnesang und Sangspruchdichtung

    Walthers nimmt nicht nur auf Grund der literarischen und (vermutlich auch) musikalischen Qualität eine Ausnahmestellung im Hochmittelalter ein, auffällig ist auch, dass es sowohl Texte aus der Gattung des Minnesangs als auch auch der Sangspruchdichtung enthält. In seinen Sprüchen und Liedern tritt Walther gern mit großem Selbstbewusstsein vor seinen hohen Herrn in der Rolle des weisen Ratgebers, des Wissenden, Warnenden und des Mahners auf. Ein Teil seiner Spruchdichtung ist "politische" Dichtung, nimmt Bezug auf aktuelles Zeitgeschehen und ergreift kämpferisch Partei. Walther scheut sich nicht, Papsttum und Kirche wegen ihrer Übergriffe auf das Kaiserrecht anzugreifen. In seiner Minnelyrik zeigt Walther das ritterliche Tugendideal als Vorbild für das höfische Leben seiner Auftraggeber. Sie ist nicht mehr bloßer Ausdruck höfischer Standesideale, sondern entwickelt Züge einer personenbezogenen Liebeslyrik.

    Diese beiden Gattungen waren damals nicht nur literarisch streng voneinander getrennt, sondern auch an einen völlig unterschiedlichen Status des Verfassers der jeweiligen Dichtungsart gebunden. Während Minnesang ursprünglich dem Adel vorbehalten war und nur in Ausnahmefällen besonders begabte, an einen bestimmten Hof gebundene nichtadelige Dichter mit dem Abfassen von Minneliedern beauftragt wurden, war die Sangspruchdichtung die Gattung der fast rechtlosen, der untersten sozialen Schicht angehörenden fahrenden Dichter. Bemerkenswert ist außerdem, dass Walther die strengen Grenzen zwischen diesen Gattungen in mehreren Liedern durchbricht.

    Walthers sozialer Status

    Der Umstand, dass Walther beide Gattungen (Minnesang und Sangspruchdichtung) verwendete, hat in der Forschung Kontroversen ausgelöst. Die ältere Forschung hielt die adelige Herkunft Walthers für weitgehend gesichert und nahm an, dass ihm das Verfassen von Minnesang selbstverständlich erlaubt war. Seine Sangspruchdichtung wird von der üblichen Sangspruchdichtung unterschieden, in ihren Einflussmöglichkeiten stark aufgewertet und als Artikulationsinstrument seiner politischen Überzeugungen angesehen. Der Dichter wird gern als Parteigänger für "Kaiser und Reich" interpretiert.

    Die neuere Forschung bezweifelt eine adelige Herkunft des Dichters zunehmend. Man geht davon aus, dass Walther zunächst Hofdichter in Wien war und deshalb Minnesang im Auftrag des Babenbergerhofes verfassen durfte. Um 1198 musste er aus ungeklärten Gründen den Hof in Wien verlassen, was einen großen Verlust an sozialem Status bedeutete. Walther war es nun verwehrt, Minnesang vorzutragen, weshalb er zwangsläufig auf die Gattung Sangspruchdichtung zurückgreifen musste, deren Einflussmöglichkeiten von der neueren Forschung als sehr gering eingeschätzt werden. Seinen Liedern lässt sich entnehmen, dass er sich in der Folgezeit an den bedeutendsten Fürstenhöfen des Reiches, an den Kaiserhöfen Philipps von Schwaben, Ottos IV. und Friedrichs II., aufhielt; zudem trug er Lieder unter anderem an den Höfen der Herzöge von Bayern und Kärnten, des Markgrafs von Meißen und des Landgrafs Hermann von Thüringen vor. Die neuere Forschung geht davon aus, dass Walther sich bei diesen Herren letztlich um eine Stelle als Minnesänger bemüht hat.

    Das Spätwerk

    In seinem Spätwerk behandelt der Dichter zunehmend religiöse Themen. Außerdem ruft er zum Kreuzzug auf. Eines der beeindruckendsten Lieder seines Spätwerks ist die so genannte "Elegie", die zugleich ein Rückblick auf das eigene Leben und Aufruf zum Kreuzzug ist. Berühmt ist auch sein "Palästinalied".