Venezuela Geschichte

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    Frühzeit

    Frühzeit

    Als Kolumbus die Küste Venezuelas als erster Europäer vor rund 500 Jahren sichtete, war die Region bereits mehr als 4000 Jahre besiedelt. Auf diese Zeit verweisen die ältesten Keramikfunde im Maracaibobecken. Einflüsse aus Kolumbien v.a. im Westen Venezuelas und von den Westindischen Inseln im Osten weisen auf das erste Jahrtausend vor Christus. Am weitesten entwickelt waren bei Ankunft der Europäer die Feldbau betreibenden Stämme in den Andenregionen.

    Kolonialzeit

    Die eigentliche Kolonialgeschichte des Landes begann mit der Ankunft von Amerigo Vespucci am Golf von Maracaibo 1499. Er gab laut Quellen dem Land angesichts der indianischen Pfahlbauten an der Küste den Namen Venezuela (für "Little Venice", deutsch: Klein-Venedig). Perlenfischerei und Sklavenfang standen im Mittelpunkt der ersten Jahrzehnte des 16. Jahrhunderts. Nach einem kleinen vom Augsburger Bankenhaus der Welser finanzierten Interregnum nahmen die Spanier die nordwestliche Region des heutigen Venezuelas 1546 erneut in Besitz. 1567 wurde Caracas gegründet und um 1600 bestanden bereits mehr als 20 spanische Siedlungen, zum Teil an der Küste, zum Teil in den Anden. Römisch-katholische Missionare folgten im Verlauf des 17. und 18. Jahrhunderts und begannen vornehmlich in der Region Llanos und Maracaibo, die indianischen Stämme zu christianisieren. Als Kolonie hatte Venezuela für das spanische Mutterland keine große Bedeutung. Zunächst mit einheimischen Sklaven, später mit Sklaven aus Afrika wurden Zuckerrohr, Kaffee, Baumwolle und Kakao angebaut.

    Ende des 18. Jahrhunderts kristallisierte sich in der Kolonie ein Gegensatz zwischen zwei mächtigen Interessengruppen heraus. Auf der einen Seite standen Kreolen, weiße, in Venezuela geborene Landbesitzer, deren Vorfahren aus Europa eingewandert waren. Sie hatten die wirtschaftliche Macht im Land inne und standen den rechtlosen indianischen Sklaven vor. Auf der anderen Seite standen Beamte des spanischen Königs sowie spanische Kirchenobere. Dazwischen, ohne Land, sozialem Status und politischem Einfluss, lebte die wachsende Gruppe der Mestizen, indianisch-europäische Mischlinge.

    19. Jahrhundert

    1797 und 1806 kam es vor diesem Hintergrund zu den ersten Versuchen der Kreolen, sich von der spanischen Herrschaft zu lösen. Angeführt wurden sie von dem in Caracas geborenen Simón Bolívar, der einer wohlhabenden kreolischen Familie entstammte. Er befreite Caracas und erklärte die ehemaligen Kolonien für unabhängig. Der Kampf gegen die Kolonialmacht dauerte bis 1821, als ein von Bolívar geführtes Heer in der Schlacht von Carabobo Venezuela, Ecuador und Kolumbien befreite. Die bereits 1819 durch Bolívar gegründete Republik Großkolumbien zerfiel jedoch nur wenige Tage nach Bolívars Tod 1830. 1864 wurde Venezuela eine föderative Republik.

    20. Jahrhundert

    Die Jahre bis Mitte des 20. Jahrhunderts waren gekennzeichnet durch Diktaturen und Bürgerkriege. So genannte Caudillos (spanisch für Führer) regierten das Land zumeist mehr zu ihrem eigenen als zum Nutzen Venezuelas. Diese Phase endete mit dem Tod von Vicente Gómez im Jahr 1935. Schon zuvor waren reiche Erdölvorkommen gefunden worden, die dem Land vielversprechende wirtschaftliche Möglichkeiten eröffneten. Zudem begann sich nach dem Tod von Gómez auch die politische Landschaft zu ändern: Parteien entstanden und 1945 kam erstmals mit der Demokratischen Aktion eine davon an die Macht. Sie wurde zwar bereits 1948 durch einen Putsch entmachtet, war aber nach dem Sturz des Diktators M. Pérez Jiménez (1958) weiterhin stärkste politische Kraft im Land und konnte 1959 mit Rómulo Batancourt zum zweiten Mal einen gewählten Präsidenten stellen. In Kooperation mit Christdemokraten wurden Sozialgesetze und eine Agrarreform verabschiedet.

    1963 gewann erneut ein Kandidat der Demokratischen Aktion und führte die Regierung mit der linksstehenden Demokratisch-Republikanischen Union fort. Die Erdölpreise stiegen und ein wirtschaftlicher Aufschwung kam, der jedoch die politische Unzufriedenheit mit dem amtierenden Präsidenten Raúl Leoni nicht mindern konnte. Durch die Wahl des Christdemokraten Rafael Caldera 1968 kam es zum ersten demokratisch legitimierten Wechsel der Regierung. In den 60er Jahren konnten soziale Unruhen beigelegt und die Guerillabewegung eingedämmt werden. 1973 kehrte mit dem neugewählten Präsidenten Carlos Andrés Péres die Macht zur Demokratische Aktion zurück. Die Ölindustrie wurde verstaatlicht und Venezuela gründete gemeinsam mit anderen erdölproduzierenden Ländern die OPEC, der es gelang, den Ölpreis zu vervierfachen. Doch der so entstandene Wohlstand kam in Venezuela nur einer kleine Elite zugute, anstehende Reformen im Sozialbereich blieben aus.

    Ende der 70er Jahre war Venezuela von Rezession, Inflation und Kapitalflucht betroffen. In den folgenden Jahren wechselten sich Demokratische Aktion und christlich-soziale Partei an der Regierung ab. Hohe Auslandsschulden überschatteten sowohl die Amtszeit des Christdemokraten Herrera Campins, der 1978 gewählt wurde, als auch die des 1983 gewählten Jaime Lusinchi. Lusinchi versuchte über Reformprogramme die Abhängigkeit vom Ölexport zu reduzieren, konnte aber die wirtschaftlichen Probleme nicht grundlegend lösen. Ein drastischer Rückgang der Ölpreises 1988 erschwerte den Abbau der Auslandsverschuldung zusätzlich. Im gleichen Jahr wurde der frühere Präsident Pérez wieder ins Amt gewählt. Doch auch seine Versuche, die wirtschaftlichen und sozialen Probleme zu lösen, wurden von schweren Unruhen, die Hunderte von Toten forderten, überschattet. Ein Putschversuch 1992 scheiterte, 1993 wurde Pérez wegen Korruptionsvorwürfen vom Parlament abgesetzt und der parteilose R. Caldera als Kandidat eines linksgerichteten Parteienbündnisses kam an die Macht. Dessen Regierung suchte vergeblich durch Privatisierung des Ölsektors die Staatsausgaben zu reduzieren.

    Die Ära Chávez

    Bei der Präsidentschaftswahl 1998 gelang H. Chávez Frías, einem inzwischen wieder freigelassenen ehemaligen Putschisten von 1992, ein überwältigender Wahlsieg. Bereits am Tag nach seiner Wahl proklamierte Chávez einen Volksentscheid, der über die Einsetzung einer verfassungsgebenden Versammlung unter Umgehung des Parlaments entscheiden sollte. Im April 1999 sprachen sich 90 % der Wähler für die Versammlung aus und der erste Schritt zu einer neuen Verfassung war getan. Im Juli 1999 entschieden wiederum die Wähler direkt über die Zusammensetzung der Versammlung und verliehen den Anhängern des Präsidenten eine große Mehrheit. Die Versammlung rief unmittelbar nach der Wahl den Justiznotstand aus, um sämtliche Gerichte auf Amtsmissbrauch und Korruption hin zu überprüfen. Die Opposition sprach von einem Staatsstreich und die Situation drohte zu eskalieren. Eine Abriegelung des Parlamentsgebäudes löste Straßenschlachten aus. Erst die Vermittlung katholischer Bischöfe entschärfte die Lage. In einem Kompromiss wurde zum einen die Existenz des Parlaments bis zur Verabschiedung der neuen Verfassung garantiert, zum anderen willigte das Parlament in die Überprüfung der Justiz ein. Bis November 1999 wurden auf diese Weise über 200 Richter vom Dienst suspendiert. Ein Vorgehen, das von großen Teilen des Volks als gerechte Bestrafung der vielfach korrupten Gerichte angesehen wurde, von Beobachtern dagegen als Aushebelung des Unschuldsprinzips verworfen wurde.

    Am 17. Dezember 1999 trat mit Zustimmung des Volkes eine neue Verfassung in Kraft. In Erinnerung an den Freiheitshelden Bolívar wurde das Land in "Bolívarische Republik Venezuela" umbenannt. Die Verfassung stärkte die Macht des Präsidenten, der nun auf sechs Jahre gewählt wird und wiedergewählt werden kann. Zeitgleich zu diesen politischen Veränderungen im Dezember 1999 kam es in Venezuela zu verheerenden Überschwemmungen, die mehrere zehntausend Menschen das Leben kosteten.

    Im Februar 2000 bildete der Präsident einen aus 21 Mitgliedern bestehenden "Minikongress", der vornehmlich aus seinen eigenen Anhängern bestand und die Gesetzgebung bis zu den Wahlen zum neuen Parlament wahrnahm. Im Juli 2000 gewann Chávez mit deutlicher Mehrheit die Präsidentschaftswahlen. Die im Februar 2002 geäußerten Absichten Chávez', die Staatswährung Bolivar vom Dollar abzukoppeln und den Staatshaushalt drastisch zu kürzen, führten zu öffentlichen Massenprotesten und schließlich zum Putsch durch das Militär am 12. April; allerdings kehrte Chávez bereits zwei Tage später wieder in sein Amt als Staatspräsident zurück.

    Chávez gab den politischen Beobachtern große Rätsel auf, da er einerseits Gerhard Schröder und Tony Blair als Vorbilder nannte, andererseits durch seinem autoritären Stil und sein linksnationales Vokabular in die Nähe Fidel Castros gerückt wurde. Seinen Erfolg verdankte er weitgehend den Wählern der unteren Einkommensschichten durch das Versprechen, gegen die seit Jahrzehnten im Land herrschende Korruption vorzugehen. Zu Beginn des Jahres 2003 kam es zu einem zweimonatigen Generalstreik in Venezuela, mit dem der Rücktritt Chávez' herbeigeführt werden sollte.

    Mitte des folgenden Jahres gewann er ein Referendum über seine Zukunft als Präsident und wurde 2006 bei den Präsidentschaftswahlen im Amt bestätigt. Ab Anfang 2007 gewährt ihm ein Gesetz für eineinhalb Jahre nahezu umfassende Sondervollmachten, die er unter anderem für die Verstaatlichung von Unternehmen nutzte. Allerdings scheiterte Chávez Ende 2007 knapp beim Referendum über eine Verfassungsreform, mit der er das Land nach seinen Vorstellungen von einem "Sozialismus des 21. Jahrhunderts" grundlegend umformen wollte. Die venezolanische Gesellschaft ist politisch weiterhin stark polarisiert.

    2008 gründete Venezuela zusammen mit den anderen elf unabhängigen Staaten Südamerikas die Union Südamerikanischer Nationen (Unasur) nach Vorbild der Europäischen Union. Die globale Finanzkrise ab 2007/2008 hatte starke Auswirkungen auf die Wirtschaft Venezuelas. Das BIP sank 2009 um 3,3 %, was größtenteils mit der Verringerung der Erdölexporte (2009 um 40 %) zusammenhing.

    Seit einem Verfassungsreferendum 2009 besteht die unbeschränkte Möglichkeit der Wiederwahl des Präsidenten. Nach Ablauf der Hälfte seiner Amtszeit kann er jedoch per Volksentscheid abberufen werden. Bei den Präsidentschaftswahlen im Oktober 2012 setzte sich Chávez erneut durch. Im März 2013 erlag er seiner Krebserkrankung, die er im Juni 2011 erstmals öffentlich gemacht hatte. Zu seinem Nachfolger wurde im April 2013 der vormalige Vizepräsident N. Maduro Moros gewählt, der für den erkrankten Chávez die Amtsgeschäfte geführt hatte. Eine hohe Inflation, die verbreitete Korruption sowie die hohe Kriminalität im Land führten im Februar 2014 zu einer Protestwelle gegen den neuen Präsidenten, die zahlreiche Todesopfer und Verletzte forderte.