Ungarn Geschichte

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    Ein Großteil des Gebietes des heutigen Ungarn gehörte zu Beginn der christlichen Zeitrechnung als Provinz Pannonia zum Römischen Reich. Das Gebiet zwischen Donau und Theiß wurde von sarmatischen Jazygen bewohnt, die schon rund 400 v.Chr. eingewandert waren. Die Römer wurden von den einfallenden germanischen Stämmen zurückgedrängt, ab 433 eroberten die Hunnen unter ihrem König Attila das Gebiet des heutigen Ungarn. Als das Hunnenreich im 6. Jh. zerfiel, übernahmen turkstämmige Awaren die Herrschaft, die wiederum Ende des 8. Jh.s den Truppen des Frankenherrschers Karl des Großen weichen mussten.

    896 wurde die ungarische Tiefebene vom Reitervolk der Magyaren unter der Führung des Fürsten Árpáds eingenommen. Von hier aus unternahm dieses Volk Raubzüge nach Norditalien, Frankreich und in die Gebiete Sachsens und Mährens, erst die Niederlage gegen den deutschen König Otto I. in der Schlacht auf dem Lechfeld (955) konnte ihr Vordringen beenden. Im folgenden einten sich die einzelnen Fürstentümer der Magyaren zu einem Einheitsstaat. Stephan I. aus dem Geschlecht der Arpaden machte um 1000 den christlichen Glauben zur Staatsreligion und ließ sich von Papst Silvester II. zum König krönen (Stephanskrone). Durch seine Frau Gisela, der Tochter Heinrichs II. von Bayern, bestanden enge Kontakte zum Deutschen Reich. Auf ungarischem Staatsgebiet, aber auch in neu eroberten Gebieten (Kroatien, Dalmatien, Rumänien) wurden bis ins 13. Jh. bevorzugt Deutsche angesiedelt (z.B. in Siebenbürgen). Die Expansionsbestrebungen des Landes wurden durch das Einfallen der Mongolen in Ungarn 1241 jäh beendet, nach deren Abzug rund ein Jahr später war das Land weitgehend geplündert und zerstört und musste neu aufgebaut werden.

    Nach dem Aussterben der Dynastie der Arpaden wurde Ungarn durch das Haus Anjou (Karl I. Robert, ab 1308) beherrscht. Durch Heirat kam es zu engen Beziehungen zu Polen, ab 1370 war der ungarische Herrscher Ludwig I. auch König von Polen und erweiterte das ungarische Staatsgebiet um Dalmatien.

    Der ungarische König Sigismund (1387-1437) aus dem Hause Luxemburg war ab 1410 deutscher König, ab 1433 Kaiser des "Heiligen Römischen Reiches deutscher Nation". Bereits in seiner Regierungszeit musste sich Ungarn gegen die von Südosten nahenden Osmanen (Türken) wehren, gegen die die Ungarn verheerende Niederlagen hinnehmen mussten (1369 Nikopolis, 1444 Warna, 1448 Amselfeld). Unter Matthias Corvinius, der 1458 als Vierzehnjähriger vom ungarischen Reichstag auf den Thron gewählt wurde, erlebte Ungarn eine kurze Phase der politischen, wirtschaftlichen und kulturellen Blüte. Corvinius Truppen behaupteten sich gegen die Osmanen, eroberten Mähren, Schlesien, die Steiermark und Niederösterreich. 1485 machte Corvinius Wien zu seiner Residenz. Nach seinem Tode gingen die meisten der eroberten Gebiete wieder verloren, im Kampf um die Nachfolge auf dem ungarischen Thron gewannen die Feudalfürsten, die den neuen Herrscher Wladislaw I. (1490-1516) unterstützt hatten, gegenüber dem König an Macht.

    Innenpolitische Spannungen und Aufstände der Bauern gegen die adligen Großgrundbesitzer (1514) führten zu einer Schwächung des Landes. 1526 wurde das ungarische Heer bei Mohács von den osmanischen Truppen unter Sultan Suleiman II. vernichtend geschlagen.

    Die Türken besetzten einen Teil des zerfallenden Königreichs, der in ungefähr dem heutigen Ungarn entsprach. Die westlichen ungarischen Gebiete fielen als Habsburg-Ungarn an Österreich, der Osten blieb unter Anerkennung der osmanischen Oberhoheit selbstständig (Fürstentum Siebenbürgen). Im Zuge der Reformation bekannten sich die siebenbürgischen Führer zum Calvinismus, es kam wiederholt zu Konflikten mit den katholischen Habsburgern. Mit Hilfe der Osmanen wurde der Siebenbürge Thököly 1682 zum König von Ungarn ernannt. Im Großen Türkenkrieg (1683-99) eroberten die Truppen der Habsburger den größten Teil Ungarns, Siebenbürgens und Teile Kroatiens und Sloweniens. Im Frieden von Karlowitz 1699 wurde die habsburgische Herrschaft über die eroberten Gebiete festgeschrieben.

    Gegen die Herrschaft der Habsburger und deren Katholisierungspolitik erhoben sich 1703 zahllose Ungarn unter der Führung des Fürsten von Siebenbürgen, Ferenc Rákoczi II. Der Aufstand wurde zwar niedergeschlagen, doch im "Frieden von Szatmár" wurde 1711 eine teilweise Autonomie des ungarischen Staates innerhalb der österreichischen Monarchie anerkannt und gleichzeitig Religionsfreiheit gewährt.

    Im Verlauf des 18. Jh.s wurde Ungarn, das durch Kriege und Aufstände entvölkert war, durch die Ansiedlung zahlreicher Deutscher, Serben, Bulgaren und Kroaten zum Vielvölkerstaat. Ab 1804 war Ungarn Teil des österreichischen Kaiserreiches.

    1848 kam es unter dem Einfluss der Aufstände in Wien und Paris auch in Ungarn zum Ausbruch des Freiheitskampfes. Eine Regierung wurde gebildet, der österreichische Kaiser Franz Joseph I. für abgesetzt erklärt und die Republik ausgerufen. 1849 schlug Österreich den Aufstand mit Hilfe russischer Truppen nieder und übernahm wieder die Macht: die Teilautonomie wurde aufgehoben, Ungarn zur österreichischen Provinz. Dadurch erhielt die ungarische Unabhängigkeitsbewegung großen Zulauf. Nach der Niederlage Österreichs gegen Preußen und Italien kam es zum österreichisch-ungarischen "Ausgleich": Ungarn wurde mit Österreich zu einer Personalunion verbunden, erhielt als unabhängiges Königreich einen eigenen Reichstag und eine eigene Verfassung, die Außen- und Militärpolitik führte der Kaiser von Österreich als gemeinsamer Monarch (Doppelmonarchie). Die Ungarn waren nun den Österreichern gleichgestellt, innerhalb des neuen Staates wurde den anderen Völkern (Serben, Bulgaren, Rumänen) das Recht auf Selbstbestimmung aber verweigert. 1873 wurden Buda, Pest und Óbuda offiziell zur ungarischen Hauptstadt Budapest vereint. Die durch Industrialisierung entstehende Schicht der Arbeiter organisierte sich 1890 in der Sozialdemokratischen Partei.

    Am Ersten Weltkrieg nahmen ungarische Truppen innerhalb der österreichischen Armee teil. Nach der Niederlage Österreichs, das mit Deutschland verbündet war, erklärte sich Ungarn unter Führung von Graf Mihály Károlyi im November 1918 als unabhängige Republik. Károlyi führte für kurze Zeit die Regierung, im März 1919 wurde er vom Budapester Räterat, einem Bündnis kommunistischer und sozialistischer Gruppen, abgesetzt, diese riefen eine Räterepublik mit Béla Khun an der Spitze aus. 1920 kam durch einen Umsturz der antikommunistische Miklós Horthy an die Macht, der Ungarn zur parlamentarischen Monarchie erklärte. Durch die Pariser Friedensverträge verlor Ungarn zwei Drittel seines bisherigen Staatsgebietes. Die slowakischen Gebiete wurden Teil der Tschechoslowakei, Kroatien fiel an Jugoslawien, das Burgenland an Österreich, Siebenbürgen und das Banat an Rumänien.

    In den 30er Jahren kam es zu einer engen Anlehnung Ungarns an die faschistischen Mächte Italien und später auch Deutschland (1927 Freundschaftsvertrag mit Italien, 1939 Beitritt zum Antikominternpakt). Im Gegenzug erhielt das Land Teile der nach dem Ersten Weltkrieg verlorenen Gebiete wieder zurück. 1941 erklärte auch Ungarn der Sowjetunion den Krieg. Als die Niederlage des nationalsozialistischen Deutschlands absehbar wurde, mehrten sich die antideutschen Stimmen im Land, worauf deutsche Truppen 1944 Ungarn besetzten. Unter der eingesetzten deutschfreundlichen Regierung unter Ferenc Szálasi kam es zu Massendeportationen von Juden und Oppositionellen in deutsche Konzentrationslager. Im April 1945 war ganz Ungarn von sowjetischen Truppen besetzt. Die deutschen Truppen hatten bei ihrem Rückzug sämtliche wichtigen Brücken und Bahnverbindungen in Ungarn vollkommen zerstört.

    Die Entwicklung nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs vollzog sich in Ungarn ähnlich wie in den anderen Ländern, die von der russischen Roten Armee besetzt waren: Oppositionelle Gruppierungen und politische Parteien wurden verboten (Einheitspartei USAP) und ein moskaufreundliches Regime installiert. Zahllose Intellektuelle und Geistliche wurden entweder aus dem Land vertrieben oder inhaftiert, die Industrie verstaatlicht. 1948 wurde Árpád Szakasits neues Staatsoberhaupt, Lájos Dinnyés Chef der Regierung. Ungarn wurde Mitglied des COMECON (Rat für gegenseitige Wirtschaftshilfe) und später des Warschauer Pakts (1955).

    Nach dem Tod des sowjetischen Diktators Stalin 1953 leitete der ungarische Ministerpräsident Imre Nagy einen "Entstalinisierungskurs" ein, wurde jedoch seines Amtes enthoben und aus der Einheitspartei USAP ausgeschlossen. Die von ihm durchgeführten Reformen wurden rückgängig gemacht. 1956 kam es zu Studentenunruhen, die im Oktober im Ungarischen Volksaufstand gipfelten. Imre Nagy betrat erneut die politische Bühne und setzte sich für ein Ende der sowjetischen Unterdrückung und einen eigenen ungarischen Kurs ein. Der Aufmarsch sowjetischer Truppen beendete den Aufstand nach kurzer Zeit, Nagy wurde verhaftet und zusammen mit anderen liberalen Sozialisten hingerichtet. Sein Nachfolger János Kádár wurde gleichzeitig Staatsoberhaupt und Vorsitzender der Einheitspartei USAP. In den folgenden Jahrzehnten verfolgte Ungarn einen eigenen Kurs und galt als das liberalste Land des Ostblocks. Durch den Handel mit dem blockfreien Österreich und die Zulassung privater Initiativen zeichnete sich die ungarische Wirtschaft durch große Stabilität aus. Die Politik der "Perestroika" (Umwandlung) und "Glasnost" (Offenheit) des sowjetischen Staatschefs Michail Gorbatschow wurde in Ungarn unmittelbar umgesetzt in eine Öffnung und Liberalisierung des Landes. Parteichef Kádár musste 1988 zurücktreten, sein Nachfolger Károly Grósz legte ein marktwirtschaftlich aufgebautes Wirtschaftsprogramm vor. Im September 1989 kam es zu einem symbolischen Akt an der österreichisch-ungarischen Grenze, der das Ende des so genannten "Eisernen Vorhangs" symbolisierte (Abbau der Selbstschussanlage, Durchschneiden des Stacheldrahts). Zahllose Flüchtlinge aus der DDR flohen über die "grüne Grenze" in den Westen. Die Einheitspartei USAP löste sich 1989 auf, im Oktober des gleichen Jahres wurde aus der Volksrepublik die "Republik Ungarn". Die ersten freien Parlamentswahlen (nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs) im Jahr 1990 gewann das Ungarische Demokratische Forum, das 1987 gegründet worden war.

    In den 1990er Jahren vollzog Ungarn den Übergang zur freien Marktwirtschaft, außenpolitisch suchten die Regierungen des Landes den Anschluss an den Westen. 1991 unterzeichnete das Land einen Assoziierungsvertrag mit der Europäischen Gemeinschaft.

    1994 übernahm Gyula Horn von der "Ungarischen Sozialistischen Partei" (MSZP), der Nachfolgepartei der kommunistischen Partei, das Amt des Ministerpräsidenten. Er bildete eine Koalitionsregierung aus MSZP und dem Bund Freier Demokraten (SZDSZ). Ab Mai 1998 bildeten die drei Parteien "Bund Junger Demokraten", "Unabhängige Partei der Kleinlandwirte" und das Ungarische Demokratische Forum eine Regierungskoalition, während die MSZP und die SZDSZ in die Opposition gingen; Regierungschef war Viktor Orbán. 2002 gewann die Mitte-Links-Opposition die Parlamentswahlen, Peter Medgyessy von der MSZP wurde neuer Regierungschef.

    1996 kam es zum Abschluss eines Grundlagenvetrags mit dem Nachbarland Rumänien, der die seit Ende des Ersten Weltkriegs schwelenden Grenzstreitigkeiten beendete. 1997 sprachen sich in einer Volksabstimmung rund 85 % der wahlberechtigten Ungarn für einen Beitritt des Landes zum Nordatlantischen Verteidigungsbündnis (NATO) aus, der im März 1999 erfolgte. Bereits im November 1998 begannen die offiziellen Beitrittsverhandlungen Ungarns mit der Europäischen Union (EU); der Beitritt erfolgte im Mai 2004.

    Als der sozialliberale Ministerpräsident Gyurcscány im September 2006 unbeabsichtigt zugab, vor den Wahlen im April 2006 in Hinsicht auf die wirtschaftliche Lage und die notwendigen Steuererhöhungen und Sparmaßnahmen gelogen zu haben, kam es zu einer innenpolitischen Krise. In Budapest kam es mehrfach zu gewalttätigen Ausschreitungen, die auch am 50. Jahrestag des Volksaufstandes von 1956 (23.10.2006) die Feierlichkeiten überschatteten. Gyurcscány gelang es jedoch bei einer Vertrauensabstimmung im Parlament, im Amt zu bleiben; auch den Parteivorsitz der MSZP konnte er behalten.

    Kalenderblatt - 18. April

    1521 Martin Luther erscheint zum zweiten Mal vor dem Wormser Parteitag, verteidigt sich vor Kaiser und Reich und lehnt den Widerruf ab.
    1951 Frankreich, die Bundesrepublik Deutschland, Italien, die Niederlande, Belgien und Luxemburg schließen ihre Kohle- und Stahlindustrie in der Montanunion zusammen und verzichten auf ihre nationalen Souveränitätsrechte über diese Industriezweige.
    1968 Die tschechoslowakische Nationalversammlung wählt Josef Smrkovský zu ihrem neuen Präsidenten, der als einer der populärsten Politiker des "Prager Frühlings" die volle Rehabilitierung der Opfer der Stalinzeit und die Sicherung eines wirklich freien politischen Lebens zu seiner Aufgabe erklärt.