Ukraine Geschichte

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    Frühzeit bis Spätantike

    Bereits für die jüngere Altsteinzeit rund 50 000 bis 10 000 Jahre vor Beginn der christlichen Zeitrechnung sind Reste von Behausungen, Lagerplätzen und Plastiken im Bereich des oberen Don und des Dnjepr gefunden worden. Die Steppenzonen nördlich des Kaspischen Meers waren in der Bronzezeit (etwa 1700-800 v.Chr.) von der Andronowokultur und der Poltawkakultur dominiert. Sowohl skythische als auch griechische Stämme siedelten im Raum der heutigen Ukraine und wurden im 3. Jahrhundert v.Chr. von iranischen Nomadenvölkern, den Sarmaten, verdrängt. Diese stießen im 1. Jahrhundert v.Chr. bis zur Donaumündung vor.

    Mittelalter und Neuzeit

    Im 10. Jahrhundert n.Chr. gründete sich der Kiewer Rus als erster slawischer Staat und erlebte unter Jaroslaw dem Weisen im 11. Jahrhundert eine Blütezeit. Kiew blieb in den folgenden Jahrhunderten kirchlicher Mittelpunkt Russlands. Das Reich jedoch zerfiel in den folgenden Jahrhunderten und geriet im 13. Jahrhundert unter den Einfluss der Goldenen Horde, einem von Mongolen gegründeten Reich. Nachdem dessen Macht Mitte des 14. Jahrhunderts abnahm, bemächtigten sich die Nachbarn einzelner heute ukrainischer Landstriche: Teile von Wolynien und Galizien kamen an Polen, Podolien, Kiew und ein Teil Wolyniens kamen an Litauen. Auf der Krim entstand im 15. Jahrhundert ein Khanat, das in den folgenden Jahrzehnten die Nachbarlandschaften mit Raubzügen überzog.

    1458 wurde eine von Moskau unabhängige Kirchenprovinz Kiew und des ganzen Rus gegründet, die im Jahr 1569 nach der Vereinigung von Polen und Litauen zu großen Teilen an das katholische Polen angeschlossen wurden. Polen beseitigte in den folgenden Jahrzehnten die bäuerlichen Freiheiten und schwere soziale Konflikte folgten. Unter Führung der Kosaken (turktatarisch für "freier Krieger"), deren Reiterverbände sich aus aus der Leibeigenschaft entflohenen Bauern rekrutierten, mehrte sich in der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts Widerstand gegen das Regime. 1648 kam es zu einem Kosaken- und Volksaufstand unter Bohdan Chmelnizky, der sich unter anderem auch gegen die im Reich lebenden Juden richtete, die in den Westen Polens flohen.

    Die Kosaken hatten sich bereits im 16. Jahrhundert in zwei Gruppen geteilt. Die städtischen Kosaken vom mittleren Dnjepr hatten sich unter russischen Schutz gestellt und widmeten sich fortan vor allem der Grenzverteidigung. Die Saporoger Kosaken (saporog = unterhalb der Stromschnellen) am unteren Dnjepr gründeten derweil ein Zentrum auf der Insel Sitsch und lebten von Beutezügen und Landwirtschaft. Nachdem jedoch ihr Versuch, einen unabhängigen Staat gegen Polen-Litauen, Osmanen und Krimtataren zu errichten, gescheitert war, gerieten sie nach und nach ebenfalls unter die Oberhoheit der russischen Zaren.

    1667 wurde ein Waffenstillstand zwischen Polen-Litauen und Moskau geschlossen und als Ergebnis kam der östliche Teil der Ukraine unter die Herrschaft des Russischen Reiches. Dieses stellte nach wenigen Jahren den Kiewer Metropoliten unter das Moskauer Patriarchat.

    Nach der ersten Teilung Polens 1772 fielen Galizien und die Bukowina an Österreich, von dort aus wurde das Gebiet, das heute zum Teil zu Polen, zum Teil zur Ukraine gehört, als Königreich Galizien und Lodomerien zentral regiert. Unter Kaiser Joseph II. wurden Ende des 18. Jahrhunderts im ukrainischen Ostgalizien etwa 5 000 deutsche Protestanten aus der Pfalz angesiedelt. Hauptstadt wurde Lemberg (ukrainisch Lwiw).

    Im Jahr zuvor hatte Russland die Krim annektiert, und als 1793 die zweite Teilung Polens vollzogen wurde, kamen auch die Gebiete westlich des Dnjepr und wolhynische Gebiete der Ukraine an Russland. Die Autonomie der Saporoger Kosaken war bereits 1775 aufgehoben worden und eine Russifizierungspolitik setzte ein, die darin bestand, zum einen die unierte Kirche, zum anderen die ukrainische Sprache zu unterdrücken. Im Gegensatz dazu wurde im österreichisch regierten Teil des Landes Ukrainisch als Gegenpol zu polnischen Einflüssen gefördert. So wurde z.B. an der Universität Lemberg 1848 ein Lehrstuhl für ukrainische Sprache und Literatur eingerichtet.

    Sowjetische Vorherrschaft

    1917 kam es zur Revolution in Petrograd und im gleichen Jahr konstituierte sich in Charkow eine prosowjetische Regierung, die bürgerlichen Kräften im Land, die bereits einen Separatfrieden mit den Mittelmächten abgeschlossen hatte, feindlich gegenüberstand. Deutsche und österreichisch-ungarische Truppen besetzten bis Dezember 1918 die Ukraine, im Januar 1919 zogen die Bolschewiki in Kiew ein und proklamierten die Ukrainische Sozialistische Sowjetrepublik. Es kam zu einem Bürgerkrieg, in dessen Verlauf die Kriegsgegner abwechselnd in Kiew herrschten. Erst der Frieden von Riga 1921 setzte eine neue Regelung durch. Galizien blieb bei Polen, und die neugegründete Ukrainische Sozialistische Sowjetrepublik gründete gemeinsam mit anderen Sowjetrepubliken die Sowjetunion. Die Krim wurde autonome Republik der Krimtataren.

    Die stalinistischen Zwangskollektivierungen führten in den 1930er Jahren zu schweren Hungersnöten, denen zwischen sechs und acht Millionen Ukrainer zum Opfer fielen. Schon zuvor waren in sogenannten Säuberungsaktionen Oppositionelle ermordet oder verschleppt worden.


    Im Hitler-Stalin-Pakt wurde auch die Westukraine zur sowjetischen Einflusszone erklärt und 1939 in die Ukrainische SSR eingegliedert. Dem folgte nach der Kriegserklärung Deutschlands an Russland die Besetzung der Ukraine durch deutsche Truppen und die Ermordung und Deportation der jüdischen Bevölkerung sowie die Deportation etwa einer Million ukrainischer Zwangsarbeiter nach Deutschland. Im Jahr 1943 eroberte die Rote Armee die Ukraine zurück, 1944 besetzte sie auch die Westukraine inklusive Lemberg sowie die Karpaten-Ukraine.

    1945 war die Ukraine Gründungsmitglied der UN, bis 1950 verschleppten die kommunistischen Herrscher etwa 300 000 Ukrainer unter dem Pauschalvorwurf der Kollaboration mit den Deutschen nach Sibirien. 1954 wurde die Krim wieder der Ukrainischen Sowjetrepublik angegliedert.

    Bis in die 1980er Jahre war die innenpolitische Situation von einem harten Durchgreifen der sowjetischen Regierung gegen die ukrainische Opposition gekennzeichnet. Dies änderte sich erst, als der neue sowjetische Generalsekretär Michail Gorbatschow an die Macht kam.

    1986 kam es zu einer Umweltkatastrophe, der nach Schätzungen mehr als 15 000 Menschen in der Ukraine zum Opfer fielen: Durch den größten bisher vorgefallenen Atomunfall im Kernkraftwerk Tschernobyl wurden große Bereiche der Ukraine und der umliegenden Staaten bis nach Westeuropa radioaktiv verseucht.

    Unabhängigkeit

    Bereits gegen Ende der 80er Jahre des 20. Jahrhunderts sammelten sich die nach Unabhängigkeit strebenden Ukrainer in der Volksbewegung "Ruch", 1990 wurde Ukrainisch als Staatsprache eingeführt. 1991 wurde die Kommunistische Partei verboten und die Ukraine erklärte ihre Unabhängigkeit. Der erste frei gewählte Staatspräsident Krawtschuk gründete gemeinsam mit Russland und Weißrussland die Gemeinschaft Unabhängiger Staaten (GUS). Bereits 1990 leiteten erst der Ministerpräsident W. Fokin, ab 1992 L. Kutschma Wirtschaftsreformen ein, deren soziale Folgen aber auf Widerstand im Parlament und in der Bevölkerung stießen. 1993 trat Kutschma als Ministerpräsident zurück, J. Swjagilski folgte ihm nach. 1994 und 1998 wurden die Kommunisten bei Parlamentswahlen (die Kommunistische Partei war 1993 wieder zugelassen worden) jeweils stärkste Partei. Regierungschef wurde bis 1995 der pro-russische Witalij Massol, 1995 folgten ihm Jewgenij Martschuk, 1996 P. Lasarenko nach; neuer Präsident durch Stichwahl wurde L. Kutschma.

    Bereits 1994 wurde ein Abkommen zwischen den USA, Russland und der Ukraine geschlossen, durch das die ukrainischen Atomwaffen bis 1996 vernichtet wurden. Auseinandersetzungen um die Zukunft der Schwarzmeerflotte und der Krim konnten im Jahr 1997 von Russland und der Ukraine beigelegt werden. Im gleichen Jahr wurde W. Pustowojtenko neuer Regierungschef, der nach den Wahlen 1998 Ministerpräsident blieb. Auch Kutschma konnte sich 1999 bei einer Stichwahl erneut durchsetzen und erklärte, einerseits die prowestliche Politik fortsetzen, andererseits hart gegen die Korruption vorgehen zu wollen. Er ernannte Ende 1999 den früheren Nationalbankgouverneur Juschtschenko zum Regierungschef. Dieser kündigte tiefgreifende Reformen im ökonomischen und administrativen Bereich an. Dazu gehörten die Neuaufteilung der Kolchosebetriebe und die Straffung des Regierungsapparats. Gleichzeitig trat ein Russisch-Ukrainischer Freundschaftsvertrag in Kraft. Ende 2000 wurde nach zähen Verhandlungen mit westlichen Geldgebern das Atomkraftwerk Tschernobyl endgültig vom Netz genommen. Juschtschenko wurde im April 2001 vom Parlament gestürzt, sein Amtsnachfolger ist Anatolij Kinach. Bei den Parlamentswahlen im März 2002 erhielt das konservative Bündnis von Ex-Ministerpräsident Viktor Juschtschenko die meisten Sitze (112 von 450 Sitzen), zweitstärkste Kraft wurde der Block "Für eine vereinigte Ukraine" von Präsident Leonid Kutschma (102 Sitze), drittstärkste die Kommunistische Partei (66 Sitze). Mit dieser Verteilung konnte weder Regierung noch Opposition eine stabile Mehrheit im Parlament aufweisen.

    Nach den Präsidentschaftswahlen 2004, die mit Manipulationsvorwürfen verbunden waren, kam es zu massiven Unruhen im Land ("Orange Revolution"); nach einer Wahlwiederholung wurde der Oppositionspolitiker Viktor Juschtschenko klarer Sieger. Als Ministerpräsidentin setzte er Julia Timoschenko ein. Im September 2005 nahm er eine weitgehende Kabinettsumbildung vor. Nach den Parlamentswahlen 2006 ernannte Juschtschenko seinen einstigen Rivalen um das Präsidentenamt, Viktor Janukowitsch, zum neuen Premierminister. Seither versucht der pro-russische Janukowitsch, durch Gesetzesänderungen das präsidiale System so zu verändern, dass die Macht des Präsidenten eingeschränkt wird. Am 2. April 2007 löste Juschtschenko das Parlament auf;die Neuwahlen wurden für Mai angesetzt, mussten aber wegen einer Staatskrise, in der mehrere Parteien versuchten, die Macht an sich zu bringen, auf September verschoben werden. Bei diesen Wahlen errang die Koalition aus Julia Timoschenkos "Block Julia Timoschenko" und dem Wahlbündnis Juschtschenkos "Unsere Ukraine - Nationale Selbstverteidigung“ 228 der 450 Sitze. Das Parlament wählte Julia Timoschenko im Dezember 2007 mit knapper Mehrheit ins Amt der Ministerpräsidentin; sie trat damit ihre zweite Amtszeit an.

    Kalenderblatt - 23. April

    1980 Im so genannten zweiten Kohle-Strom-Vertrag verpflichten sich die deutschen Stromversorger zur Abnahme der heimischen Steinkohle. Ziel der Vereinbarung ist neben dem Verzicht auf überflüssige Importe die Sicherung von 100 000 Arbeitsplätzen.
    1990 Karl-Marx-Stadt erhält wieder den Namen Chemnitz. Anlass dazu gab eine Bürgerbefragung, bei der 76 % der Einwohner dafür stimmten.
    1998 Internationale Fluggesellschaften dürfen künftig Nordkorea überfliegen.