Neophyten: Unerwünschte Eindringlinge oder notwendiges Übel?

    Aus WISSEN-digital.de

    Riesen-Bärenklau, Indisches Springkraut, Goldrute – all diesen Pflanzen ist eines gemein: Sie stammen nicht aus Deutschland beziehungsweise Europa und gelten deshalb als sogenannte Neophyten – gebietsfremde Gewächse, die in der Natur viel Schaden anrichten können. Aber: Auf der anderen Seite bringen Neophyten manchmal auch Eigenschaften mit, die unserem Ökosystem Vorteile bringen können.

    Zehn Prozent der Neophyten gelten als problematisch

    Als Neophyten werden Pflanzen bezeichnet, die in Gebiete verschleppt werden, die normalerweise nicht zu ihrem Lebensraum gehören. Gebietsfremde Gewächse leben schon lange in unseren Breiten. Rund die Hälfte dieser Pflanzen, meist Zierpflanzen, wurde sogar bewusst in Deutschland eingeführt, insbesondere nach der Entdeckung Amerikas, als der Warenverkehr weltweit mehr und mehr zunahm. Der Rest dieses direkten Imports waren Nutzpflanzen (Kartoffeln, Tomaten, Mais) beziehungsweise unwillentlich oder unwissentlich eingeschleppte Arten.

    Neophyten werden oft als gefährlich wahrgenommen, allerdings sind es nur wenige Arten, die negative Auswirkungen auf unser Ökosystem haben. Gemeint sind sogenannte invasive Neophyten, die heimische Pflanzen verdrängen, Lebensräume gefährden oder wirtschaftlichen Schaden anrichten können. Außerdem stellen manche der invasiven Arten eine Gesundheitsgefahr für den Menschen dar. Gebietsfremde Pflanzen breiten sich unter anderem häufig deshalb so rasant aus, weil sie an die herrschenden die Standortbedingungen besonders angepasst sind, besser vielleicht als heimische Gewächse. Durch eine erhöhte Samenproduktion und Toleranz gegenüber den Wachstumsbedingungen können sie sich besser gegenüber anderen Pflanzenarten durchsetzen. Hinzu kommt, dass viele Neophyten in unseren Breiten keine Fraßfeinde haben und den Genpool der bestehenden Pflanzen beeinflussen können (Hybridbildung) Die als problematisch empfundenen Neophyten werden für den Rückgang von bislang 43 Tierarten verantwortlich gemacht.

    Invasive Neophyten: Ambrosie und Bärenklau

    Zum Beispiel die Beifuß-Ambrosie aus Nordamerika, die sich in den Bundesländern stark ausbreitet. Eingeschleppt wird die Pflanze über Vogelfutter. Die massenhafte Ausbreitung wird auch mit dem Klimawandel und dessen Auswirkungen in Verbindung gebracht. Wie das Umwelt Bundesamt mitteilt, erreicht die einjährige Pflanze ihre Samenreife nur in gemäßigten und warmen Klimaten mit milden Herbstmonaten. Die Pollen der Ambrosie können starke Allergien und Hautreaktionen auslösen, weswegen vielerorts auch Maßnahmen zur Eindämmung getroffen werden.

    Gesundheitlich bedenklich ist auch der Riesen-Bärenklau, dessen Vermehrung kaum zu stoppen ist. Diese keim- und wuchsfreudige Pflanze wurde in den 60er-Jahren aus dem Kaukasus nach Deutschland gebracht. Das Gift des Riesen-Bärenklaus, der auch Herkulesstaude genannt wird, schädigt nicht nur andere Pflanzen, sondern bedroht auch den Menschen: Wer die Pflanze berührt, riskiert schwerste Verbrennungen, die durch eine Substanz der Pflanze entstehen, die den natürlichen Sonnenschutz der Haut auflösen. Mehr noch: Schlimmstenfalls kommt es beim Berühren zu Fieber, Schweißausbrüchen und Kreislaufschocks. Bedenklich ist auch das hochgiftige Schmalblättrige Greiskraut, dessen Bestandteile über Milch und Brot vom Menschen aufgenommen werden können.

    Indisches Springkraut: Explosionsartige Vermehrung

    In Bayern zum Beispiel ist der Riesenbärenklau derart dominant, dass er andere, einheimische Pflanzenarten verdrängt. Genauso wie das Indische Springkraut, das sich in den vergangenen Jahrzehnten in Deutschland ebenfalls explosionsartig vermehrt hat. Rund 4000 Samen produziert allein eine Pflanze, Samen, die bei Reife rund sieben Meter weit geschleudert werden können. Kaum aufzuhalten ist auch der japanische Staudenknöterich mit seiner Wuchsleistung von rund 25 Zentimetern am Tag. Wo diese Pflanze wächst, gedeihen bald keine anderen Arten mehr, weil es ihnen an Licht und Platz mangelt. Weil der japanische Staudenknöterich bis zu zwei Metern in der Erde wurzelt, es ist kaum möglich, ihn auszurotten. Andere invasive Arten verursachen außerdem wirtschaftliche Probleme, indem sie Nutzpflanzen schaden. Die Eindämmung und Beseitigung dieser Gewächse ist oft mit hohen Kosten verbunden.

    Bekämpfung hat zwei Seiten

    Doch die Bekämpfung invasiver Gewächse hat zwei Seiten: Wegen der teils erheblichen Auswirkungen auf die Umwelt, auf Biotope, Lebensgemeinschaften und andere Pflanzenarten werden Neophyte häufig mit Pestiziden bekämpft. Allerdings werden durch solche Maßnahmen auch heimische Gewächse vernichtet. Auch Rodungen zum Ausrotten von invasiven Arten werden aus demselben Grund kritisch gesehen. Viele problematische Neophyten sind zudem nicht mehr ausrottbar und sollen laut EU-Verordnung nur in begründeten Einzelfällen bekämpft werden. Gründe dafür sind unter andere eine Gefährdung von seltenen und gefährdeten heimischen Arten – oder eine Gefährdung von Lebensräumen beziehungsweise der menschlichen Gesundheit. „Wesentliche Grundlage für den Schutz der biologischen Vielfalt“, so das Bundesumweltamt, „ist eine gut funktionierende Umweltüberwachung, die auch die Bestände gebietsfremder Arten mit umfasst. Dabei kommt es insbesondere auf eine effektive Früherkennung neuer invasiver Arten an.“

    Vorteile durch Neophyten

    Andererseits: Neophyten können in Zeiten des Klimawandels auch ein Vorteil sein: Wie die jüngere Vergangenheit zeigt, leiden immer mehr Pflanzen – und das auch in den Städten – unter der Trockenheit. Viele klassische Stadtbäume wie Eichen und Linden zum Beispiel sind bedroht, weil sie nicht an die Klimabedingungen angepasst sind. Hier stellt sich die Frage, ob die Anpflanzung gebietsfremder Bäume, die besser an die klimatischen Bedingungen angepasst sind, einen Vorteil darstellen. Generell können Neophyten auch eine Bereicherung der heimischen Pflanzenwelt darstellen und zur regionalen Artenneubildung beitragen. Als Beispiel dient hier die Nachtkerze, die im 16. Jahrhundert in Deutschland eingeführt worden ist und mittlerweile zahlreiche Unterarten mit hohem ökologischem Wert (zum Beispiel als Lückenfüller bei den Nektar- und Pollenquellen) gebildet hat.

    Kalenderblatt - 19. März

    1921 Russland und Polen unterzeichnen einen Friedensvertrag.
    1953 Der Bundestag billigt die deutsch-alliierten Verträge, die später Deutschlandvertrag genannt werden. In ihnen wird das Ende des Besatzungsstatus und die Wiedererlangung der Souveränität geregelt.
    1956 Die Bundesrepublik erlässt das Soldatengesetz, in dem die Forderungen an eine demokratische Armee dargelegt werden.