Mystik

    Aus WISSEN-digital.de

    (griechisch: mystikos, "geheim", "den Geweihten heilig")

    1. Geheimlehre.
    1. das Bestreben, Gott unmittelbar zu erschauen durch Versenkung in sein Wesen und durch innere Betrachtung, Erleuchtung und Liebe. Ein Weg zur Gotteserkenntnis, die nicht in erster Linie durch Glauben oder Wissen erlangt wurde ("Gott wird so weit begriffen, als er geliebt wird"). In diesem Sinne konnte die Lehre der Neuplatoniker mystisch genannt werden.

    Weitere bedeutende Ausprägungen der Mystik sind die Lehre des Wedanta in Indien, der Sufismus im Islam, die Kabbala und der Chassidismus im Judentum.

    Im Mittelalter war die Mystik v.a. eine Reaktion auf die einseitige Verstandes- und Wissensbildung der scholastischen Erfassung Gottes durch den Verstand. Die christliche Mystik des Mittelalters ist ein Versuch, die höchste Wahrheit (die Schau Gottes) unmittelbar und unverzerrt zu erfassen, wozu das Denken allein nicht imstande ist. Jede mystische Haltung will das principium individuationis überwinden, was nur auf dem Weg religiös-existenziellen Erlebens möglich ist. Meister Eckhart (1260-1327), der bedeutendste deutsche Mystiker, legt folgerichtig das Schwergewicht nicht auf das Denken, sondern auf das innere Fühlen. Er schreibt: "Das wahrhafte Gott-Innehaben liegt am Gemüte und an einem innigen, aufmerksamen Sich-Hinwenden und Trachten nach Gott. Nicht an einem stetigen gleichmäßigen Drandenken ... Der Mensch soll sich nicht begnügen mit einem gedachten Gott. Viel mehr! Man soll haben einen wesentlichen Gott, der erhaben ist über den Gedanken des Menschen und aller Kreatur." Die mystische Bewegung ging aus von Bernhard von Clairvaux (1091-1153) sowie Hugo und Richard von St-Victor bei Paris. Obwohl die Mystik ihrem Prinzip nach unsystematisch ist, entwickelten die Victoriner im Anschluss an Augustinus ein Stufensystem der Erkenntnis. Die unterste Stufe ist die cogitatio, die Erkenntnis der Umwelt; es folgt die meditatio, das begriffliche Denken und Versenkung in sich selbst, und schließlich die contemplatio, die unmittelbare Auffassung Gottes. Die mystische Bewegung zieht sich über das ganze Mittelalter hin. Die zweite Welle begann mit Meister Eckhart und seinem Schüler Heinrich Seuse (1295-1366). Der letzte bedeutende Mystiker in dieser Reihe ist Thomas a Kempis (1380-1471), der das Buch "De imitatione Christi" ("Über die Nachfolge Christi") schrieb. Mit der Renaissance und ihrem naturwissenschaftlich bestimmten Weltbild (Galilei, Kopernikus) begann der Auseinanderfall von Philosophie und Religion. Aus dem Miteinander wurde ein Nebeneinander oder (z.B. im Materialismus) ein Gegeneinander.