Lehenswesen

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    in Verbindung mit der Grundherrschaft ist das Lehenswesen Grundlage der europäischen Heeresverfassung, Staats- und Gesellschaftsordnung im Mittelalter; Boden oder Rechte, die der Lehensherr dem Lehensmann abtrat; fielen ursprünglich beim Tode zurück, wurden später erblich.

    Geschichte

    Die fränkischen Könige standen anfangs vor der Aufgabe, die Verwaltung ihres Reiches zu organisieren und den fränkischen Adel darin einzubauen; die ohnehin im Rückgang begriffene spätantike Geldwirtschaft erlag endgültig mit der Blockade des westlichen Mittelmeeres durch die Araber (7. Jh.); Verwaltungs- und Kriegsdienste konnten nicht mehr mit Geld entlohnt werden, sondern nur mit Bodenerträgen; wer Kriegs-, Hof- oder andere Dienste leistete, wurde deshalb mit der Nutznießung am Boden in Form eines "Lehens" entschädigt (lateinisch "feudum", auch beneficium, "Wohltat"), der Belehnung mit Boden aus den königlichen Domänen.

    Die spätrömische Einrichtung der Landleihe (Hergabe von Boden unter wechselseitigen Verpflichtungen, bereits von der Kirche ausgeübt, im Frankenreich als eine Form gesetzlichen Besitzrechts anerkannt) verband sich in Gallien mit dem keltischen Begriff der (einseitigen) Vasallität; der germanische Beitrag war die beiderseitige Gefolgschaftstreue, erst dieses persönliche Verhältnis zwischen Lehensherr und Gefolgsmann verwandelte die dingliche Rechtsbeziehung der Landleihe in das persönliche Lehensverhältnis; feierliche Belehnung vor dem Lehensgericht, Ausbildung eines spezifischen Lehensrechtes, Bestrafung der Felonie (Treuebruch, z.B. Nichterscheinen zum Aufgebot); die großen Lehensherren (Kronvasallen) schufen sich ihrerseits durch Lehensvergabe eine Lehensgefolgschaft; es entwickelte sich eine Lehenspyramide, deren Spitze der König und deren Basis die Unterlehensträger, die Masse des königlichen Reiter- (= Ritter-)heeres bildeten, die Rangfolge wurde festgelegt durch die Heerschildordnung und entschied damit auch über die Zugehörigkeit zum höheren oder niederen Adel.


    Folge: unübersichtliche Herrschaftsverhältnisse, schwacher Staat, besonders an der Spitze (König), kein einheitlicher Reichsuntertanenverband (charakteristisch für die Verhältnisse in Deutschland im Gegensatz zu Frankreich, wo die Krone sich allmählich gegen die eigenmächtigen Vasallen durchsetzte). Die lehensstaatliche Entwicklung führte in der Folge zum Leihezwang, zur Verpflichtung des Lehensherrn, ein Lehen beim Tod des Lehensmannes ungeteilt dessen Erstgeborenem zu verleihen, d.h. die Lehen wurden erblich; der König durfte schließlich auch beim Aussterben eines Geschlechts das betroffene Lehen nicht einziehen, im Gegensatz zu den großen Lehensherren; diese vergrößerten ihre Gebiete ständig und verwandelten sie unter Aneignung der Königsrechte (begünstigt durch kaiserliche Privilegien, z.B. das Statutum in favorem principum Friedrichs II. 1232) in Territorien mit eigenem Hoheitsrecht ("Landesherrlichkeit"), innerhalb dieser werdenden modernen Staaten nahmen das aufkommende Söldnerheer und Berufsbeamtentum dem Lehenswesen praktisch alle Bedeutung; formell wurde es erst später abgeschafft (England 1660, Frankreich 1789, Deutsches Reich 1806; im Lauf des 19. Jh.s. in den deutschen Einzelstaaten; die meisten Lehen wurden Allode, "volles Eigentum").

    Auch außerhalb der abendländischen Entwicklung lässt sich das Lehenswesen als Kennzeichen eines Mittelalters nachweisen, z.B. in Ägypten (2. Hälfte des Alten Reiches) und in Japan.