Kritizismus

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    erkenntnistheoretische Methode Immanuel Kants (1724-1804) zur Untersuchung der Möglichkeiten und Bedingungen menschlichen Erkennens und moralischen Handelns; richtet sich gegen Dogmatismus und Skeptizismus.

    1781 erschien Immanuel Kants erkenntniskritisches Werk, die "Kritik der reinen Vernunft", das eine neue Epoche in der Philosophiegeschichte einleitete. 1788 folgte die "Kritik der praktischen Vernunft", in der er seine Ethik darlegte, 1790 die "Kritik der Urteilskraft", Kants Ästhetik enthaltend.

    Nach Kants Auffassung hat weder der rationalistische noch der empiristische Ansatz die erkenntnistheoretische Frage in befriedigender Weise gelöst. Das Elementarste unserer Erfahrung sind die Sinnesempfindungen, ein ständig wechselnder Inhalt unseres Bewusstseins. Alle Erkenntnis geht von den Sinnen aus; der Verstand urteilt auf Grund der Sinneserfahrung, ordnet die einzelnen Daten zu Urteilen. Alles, was wir mit Hilfe der Sinne erfahren, ist gegeben in Raum und Zeit. Raum und Zeit sind jedoch keine Empfindungen, sondern die Voraussetzung für jegliche Empfindung. Sie müssen schon vor der ersten Sinnesempfindung gegeben sein, sind menschliche Anschauungsformen a priori, d.h. vor jeglicher Erfahrung. Raum und Zeit sind nicht etwas Absolutes, unabhängig vom Bewusstsein Existierendes, sondern spezifisch menschliche Erlebnisformen, in welche unsere sinnliche Erfahrung gebettet wird. Das Empfindungsmaterial ist zufällig, wechselhaft, unterliegt der Erfahrung, ist also aposteriorisch; die Anschauungsformen sind notwendige (transzendentale) menschliche Verknüpfungsformen, sind Voraussetzungen jeglicher Empfindung, vor aller Erfahrung gegeben (a priori). Wir können nun sagen, was das Objekt und was das Subjekt zur fertigen Anschauung ("Ich sehe hier jetzt dieses Buch") beigesteuert hat: Vom Objekt stammt das Empfindungsmaterial, vom Subjekt stammen die reinen Anschauungsformen.

    Der Verstand ordnet nun das räumlich und zeitlich gegebene Material mit Hilfe von zwölf Kategorien, den menschlichen Denkformen, und bildet Urteile. Eine dieser Formen ist die Kausalität (die Beziehung von Ursache und Wirkung). Der Mensch ist auf Grund der Beschaffenheit seines Verstandes gezwungen, kausal zu denken: Alles, was ist, muss eine Ursache haben. Wir können aber nicht sagen, ob diese Kausalität auch außerhalb des menschlichen Denkens Gültigkeit hat. Wir wissen nur, dass es unsere Art und Weise ist, die Vorgänge in der Welt zu verknüpfen.

    Wenn aber Raum und Zeit und die Kategorien nur Formen unserer Anschauung und unseres Denkens sind und nichts absolut Gegebenes, dann sind die Gegenstände und Vorgänge in der Welt nicht der Art, wie wir sie erleben. Die Gesetze, die wir bisher aus der Natur abzulesen geglaubt haben, sind in Wahrheit die Gesetze unseres Denkens. Wir haben sie in die Natur hineingedeutet, um sie dann aus ihr wieder herauszulesen. Die Natur diktiert also nicht uns die Gesetze, sondern wir schreiben sie der Natur sozusagen vor. Dies ist ein entscheidender Punkt der Kantschen Philosophie. Wie Kopernikus das Weltsystem umgekehrt hat (nicht die Sonne kreist um die Erde, sondern die Erde um die Sonne), so stellt nun Kant das bisherige Denken auf den Kopf, und er nennt sich deshalb selbst "Kopernikus der Philosophie". Was man bisher als Wirklichkeit angesprochen hat, sind nicht die Dinge an sich, sondern lediglich deren Erscheinungen (Phainomena). Das Ding an sich (in seinem An-sich-Sein, unabhängig von unserem Denken) ist für uns unerkennbar; immer nur haben wir es mit der Erscheinung der Gegenstände zu tun, immer können wir nur sagen, wie uns etwas erscheint.

    Die Kardinalfrage, deretwegen Kant die "Kritik der reinen Vernunft" geschrieben hat, lautet: Sind Mathematik, die Naturwissenschaften und die Metaphysik als exakte Wissenschaften begründbar? Für die Mathematik und die Naturwissenschaften wird die Frage bejaht, denn sie gründen auf synthetischen Urteilen a priori, sie fußen auf der apriorischen Anschauungsform des Raumes (Geometrie), der Zeit (Arithmetik als Methode abgekürzten Zählens) und auf den apriorischen Denkformen (Naturwissenschaften). Die Gegenstände der Metaphysik aber, zum Beispiel die Unsterblichkeit der Seele, die Freiheit des menschlichen Willens und die Existenz Gottes, werden durch keine Erfahrung mehr bestätigt. Sie sind leere Ideen. Metaphysik ist deshalb als Wissenschaft nicht möglich. Unsterblichkeit, Willensfreiheit und Gott sind nach Kant notwendige Forderungen (Postulate) der praktischen Vernunft (Sittlichkeit), aber keine Gegenstände des Denkens. Sobald der Mensch sie rational, mit Hilfe des Denkens, zu begründen sucht, verstrickt er sich in eine Reihe von Widersprüchen (Antinomien).

    Kalenderblatt - 20. April

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