Kenia Geschichte

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    Vorgeschichte und Suaheli-Kultur

    Das Gebiet des heutigen Kenia gehört zu den ältesten Siedlungsgebieten der Erde. Archäologische Funde am Turkanasee wurden auf ein Alter von etwa 1,5 Millionen Jahren datiert. Hier wurden auch Skelettreste des Frühmenschen Homo erectus mit einem Alter von rund 750 000 Jahren gefunden.

    Bevor etwa ab 500 n.Chr. bantusprechende Stämme wie die Kikuyu das Gebiet des heutigen Kenia besiedelten, lebten hier überwiegend nomadisierende Jäger und Sammler. Ab 800 n.Chr. ließen sich südarabische Seefahrer an der Küste des heutigen Kenia nieder und gründeten dort Städte (z.B. Mombasa, Malindi). Diese muslimischen Städte wurden wichtige Stützpunkte beim Handel mit Elfenbein, Gold und Sklaven. Während sich an der Küste immer mehr Araber und Perser niederließen und der Islam sich verbreitete, entstand aus einer Vermischung mit den Bantustämmen die Suaheli-Kultur mit einer eigenen Sprache.

    Vorherrschaft von Portugal und Oman

    Nachdem Ende des 15. Jahrhunderts der Seeweg nach Indien um das Kap der Guten Hoffnung entdeckt worden war, landete 1498 der portugiesische Seefahrer Vasco da Gama in der Stadt Mombasa. Nur wenige Jahre später besetzten portugiesische Truppen die Küstenstädte Mombasa und Malindi und übernahmen im Lauf der nächsten Jahrzehnte die Kontrolle über die Küstengebiete. 1752 mussten die Portugiesen ihre Herrschaft über die Handelsniederlassungen nach langen Kämpfen an das südarabische Sultanat von Oman-Sansibar abgeben. In den nächsten 150 Jahren kämpften mehrere islamische Führer um die Vorherrschaft in der Küstenregion, bevor sich 1822 das Sultanat Oman unter Seyyid Said endgültig durchsetzen konnte. Ab Beginn des 19. Jahrhunderts nahm der Einfluss der British East Africa Company auch im Gebiet des heutigen Kenia stetig zu. Den florierenden Sklavenhandel versuchten die Briten ab Mitte des 19. Jahrhunderts einzuschränken (Sultan Said verlegte seine Residenz nach Sansibar und ließ dort große Plantagen errichten, für die eine große Zahl an Arbeitskräften benötigt wurde). Etwa zur gleichen Zeit begann die Erkundung des Landesinneren durch europäische Forscher. In Absprache mit der Kolonialmacht Deutschland wurde das Gebiet des heutigen Kenia (und Uganda) der Einflusssphäre Großbritanniens zugesprochen (Vertrag von 1886).

    Kolonisierung durch Großbritannien

    1895 wurde beinahe das gesamte Gebiet des heutigen Kenia dem britischen Ostafrika-Protektorat angegliedert. Die ansässigen Stämme vor allem im fruchtbaren Hochland wurden durch die Einwanderung europäischer Siedler unter Missachtung ihrer Landansprüche abgedrängt. Die Briten begannen mit dem Anlegen großer Plantagen (vor allem Kaffee, Tee, Bananen) und mit dem Bau einer Eisenbahnstrecke von Mombasa bis zum Victoriasee.

    1920 wurde Kenia zur Kronkolonie. Da der Zuzug weißer Siedler auch nach dem Ende des Ersten Weltkriegs unvermindert anhielt, bildeten sich in Kenia politische Gruppierungen wie z.B. die von den Kikuyu gegründete Organisation "Kikuyu Association" (ab 1924 "Kikuyu Central Association"/KCA), die von der Kolonialmacht politisches Mitspracherecht und die Rückgabe des Landes an die schwarze Bevölkerung forderten. Im Rahmen des Zweiten Weltkriegs wurden diese politischen Organisationen weitgehend verboten, doch nachdem das Kriegsende absehbar war, formierten sie sich erneut. Kikuyu, Luo und andere Volksgruppen gründeten 1944 die "Kenya African Union" (KAU), die beim Weg Kenias in die Unabhängigkeit eine bedeutende Rolle spielte. Ihr Vorsitzender wurde ab 1947 der aus London zurückkehrende Kukuyu Jomo Kenyatta. Da die britische Kolonialmacht nicht auf die Forderungen der Unabhängigkeitsbewegungen eingingen, häuften sich die Konflikte zwischen den kolonialen Behörden und den Schwarzen, die 1952 im so genannten "Mau-Mau-Aufstand" gipfelten. Der bis 1957 dauernde Aufstand gegen die britische Kolonialmacht wurde von den Kikuyu angeführt. Rund 12 000 Menschen (davon etwa 100 Weiße) kamen dabei ums Leben, Tausende von Schwarzen wurden in Lager interniert, über hundert Mitglieder der KAU sowie ihr Vorsitzender Kenyatta wurden inhaftiert und zu langen Gefängnisstrafen verurteilt.

    Der Weg in die Unabhängigkeit

    Doch nach dem Ende des Aufstands erklärte sich Großbritannien bereit, Kenia stufenweise die innere Autonomie zuzugestehen. Zwei relevante politische Bewegungen formierten sich: Die aus Kikuyu und Luo bestehende "Kenya African National Union" (KANU) lehnte sich an die KAU an, hatte (den zunächst noch inhaftierten) Jomo Kenyatta als Parteiführer und forderte ein zentralistisch regiertes Kenia. Etwa zur gleichen Zeit (Mai 1960) wurde die "Kenya African Democratic Union" (KADU), eine Allianz der bis dahin bestehenden politischen Organisationen der kleineren Volksgruppen, gegründet. Die KADU sah eine föderalistische Struktur für ein unabhängiges Kenia vor. Nach ersten Wahlen 1961 konnte sich die KANU als die stärkere Partei durchsetzen, dieses Ergebnis wurde durch erneute Wahlen zwei Jahre später bestätigt. Der inzwischen aus der Haft entlassene Kenyatta übernahm das Amt des Premierministers. Im Dezember 1963 wurde Kenia im Rahmen des britischen Commonwealth in die Unabhängigkeit entlassen. Kurz darauf löste sich die "Kenya African Democratic Union" (KADU) auf, ihre Mitglieder traten der KANU bei.

    Die Republik Kenia

    Im Dezember 1964 wurde Kenia zur Republik mit Jomo Kenyatta als Staatspräsident (bis 1978). Er ließ eine Landreform durchführen, die eine Umverteilung des Landbesitzes und die Teilenteignung weißer Grundbesitzer beinhaltete. Dennoch gelang es Kenyatta, ein gutes Verhältnis zur ehemaligen Kolonialmacht Großbritannien und anderen Industrieländern zu behalten bzw. aufzubauen. 1967 gründete Kenia gemeinsam mit Tansania und Uganda eine Währungs- und Zollunion ("Ostafrikanische Gemeinschaft", East African Community), die aber nur zehn Jahre Bestand hatte.

    Innenpolitisch ging Kenyatta gegen oppositionelle Bewegungen vor, 1967 kam es nach Unruhen zum Verbot der linksgerichteten "Kenya People's Union" (KPU), die sich 1966 formiert hatte. Nach Kenyattas Tod 1978 wurde sein Stellvertreter Daniel arap Moi der neue Staatspräsident Kenias. Durch eine Verfassungsänderung 1982 wurde die KANU zur einzigen legalen Partei. Bei Wahlen im September 1983 wurde Daniel arap Moi im Amt des Staatspräsidenten bestätigt (ohne Gegenkandidat), ebenso 1988.

    Zu Beginn der 1990er Jahre musste der Staatspräsident nach anhaltenden Unruhen und Protesten der Wiedereinführung eines Mehrparteiensystems zustimmen. Auch hatten internationale Geldgeber ihre Finanzhilfen für Kenia von politischen Reformen abhängig gemacht. Es kam zur Gründung des "Forum for the Restauration of Democracy" (FORD) unter der Führung von Oginga Odinga und der "Democratic Party" (DP) unter Mwa Kibaki. Die FORD spaltete sich schon ein Jahr nach ihrer Gründung in zwei Flügel (FORD-Asili unter Kenneth Matiba, hauptsächlich aus Kikuyu bestehend, und FORD-Kenya mit Oginga Odinga als Führer, hauptsächlich aus Luo bestehend).

    Bei den ersten freien Parlamentswahlen seit 26 Jahren konnten sich die regierende KANU und Daniel arap Moi als Staatspräsident knapp behaupten. Innenpolitisch prägten Stammesrivalitäten und Proteste gegen die zu langsam voranschreitende Demokratisierung das Land. 1997 war Kenia ebenso wie Somalia und Äthiopien durch eine Hochwasserkatastrophe betroffen, durch die es zu Versorgungsengpässen und dem Ausbruch von Seuchen kam. Parallel dazu stieg in Kenia wie auch im übrigen Schwarzafrika die Zahl der mit der Immunschwächekrankheit Aids infizierten Menschen immer mehr an. Schätzungsweise 1,2 Millionen Kenianer waren Ende 1998 mit dieser Krankheit infiziert. Im Juli 2001 wurde die Zahl der Aids-Infizierten in Kenia von der WHO auf rund 2,5 Millionen geschätzt.

    Bei den Wahlen im Dezember 1997 konnten sich die Regierungspartei und der amtierende Staatspräsident erneut gegen die oppositionellen Parteien durchsetzen, wobei die Gegenseite der Regierung massiven Wahlbetrug vorwarf. Im August 1998 wurden bei einem Bombenanschlag islamischer Fundamentalisten auf die US-amerikanische Botschaft in Nairobi 253 Menschen getötet und über 5 000 verletzt.

    Ab Juli 2000 trat die gemeinsam mit Tansania und Uganda neugegründete Ostafrikanische Gemeinschaft in Kraft. Im Juni 2001 wurden im Rahmen einer Regierungsumbildung erstmals Mitglieder einer oppositionellen Partei (NDP, National Development Party) durch den amtierenden Staatspräsidenten Daniel arap Moi zu Ministern ernannt. Die Regierung geriet 2001 durch auch auf internationaler Ebene vorgebrachte Korruptionsvorwürfe immer mehr unter Druck. Internationale Geldgeber machten ihre Finanzhilfen davon abhängig, dass eine eigene Behörde für die Bekämpfung der Korruption eingerichtet wird.

    Seit Dezember 2002 ist Mwai Kibaki der dritte Staatspräsident Kenias. Er setzte 2003 durch, dass der Grundschulunterricht für alle Kinder kostenlos ist. Eine Verfassungsänderung konnte er nicht durchsetzen; auch der Kampf gegen die Korruption prägt seine Amtszeit. Bei den Wahlen im Dezember 2007 hatte Kibaki mit der PNU die neue "Party of National Union" ins Leben gerufen. Sein wichtigster Kontrahent war Raila Odinga von der Partei "Orange Democratic Movement" (ODM). Kibaki wurde trotz gravierender Unregelmäßigkeiten bei der Wahl zum Sieger ernannt. Bei den darauf folgenden Protesten verloren über tausend Menschen ihr Leben, 300 000 wurden vertrieben. Insbesondere Kikuyus waren von den Auseinandersetzungen mit der Polizei und in den Armenvierteln betroffen. Die Opposition unter Odinga stellte im Januar 2008 den Parlamentspräsidenten und konnte so einen ersten Sieg verzeichnen. Nach erneuten blutigen Kämpfen zwischen verfeindeten Anhängern der Konfliktparteien begann der frühere UN-Generalsekretär Kofi Annan mit Vermittlungen zwischen den politischen Gegnern, die schließlich zu einem Kompromiss führten: Kibaki berief im April 2008 Odinga zum Premierminister. Odinga hat zwei Vize-Premierminister an seiner Seite, ein Mitglied von Kibakis PNU und ein Vertreter von Odingas ODM. Das Regierungskabinett ist mit 40 Mitgliedern das größte Afrikas.

    In einem friedlichen Referendum vom August 2010 wurde mit großer Mehrheit eine neue Verfassung angenommen. Kenia ist demzufolge eine Präsidialrepublik. Der Staatspräsident verfügt über weitreichende Exekutivvollmachten. Ihm unterstehen sowohl die Regierung als auch die Streitkräfte. Mit der Umsetzung des Grundrechtekatalogs, den Reformen in den Feldern Sicherheit und Justiz sowie der Einführung einer dezentralen Bezirksverwaltung bahnen sich wichtige Änderungen an. Kenia wird ein dezentral aufgebautes und verwaltetes Land. Einen großen Schritt in diese Richtung hat Kenia mit den Wahlen vom März 2013 gemacht: Neben dem Präsidenten und Vizepräsidenten wurden erstmals Gouverneure und Parlamente auf Bezirksebene gewählt. Präsident wurde Uhuru Kenyatta (TNA).