Kapitalismus

    Aus WISSEN-digital.de

    ungenauer Begriff, der zur Beschreibung einer Wirtschafts- und Gesellschaftsordnung gebraucht wird, die nach marktwirtschaftlichen Prinzipien und mit (vererbbarem) Privateigentum der Produktionsmittel funktioniert.

    Geprägt wurde der Begriff des Kapitalismus durch Karl Marx, der davon ausgeht, dass die unterschiedlichen Gesellschaftsklassen einander feindlich gegenüberstehen. Die Mehrheit der Bevölkerung ist besitzlos und dadurch gezwungen, ihre Arbeitskraft an die Eigentümer der Produktionsmittel, die Kapitalisten, zu verkaufen. Somit wird die Arbeitskraft selbst zu einer Ware.

    Geschichte

    Der Kapitalismus setzt in jedem Fall eine hochentwickelte Geldwirtschaft voraus; kapitalistische Tendenzen lassen sich bereits im Altertum nachweisen (Akkad, Phönikien, Römisches Reich), doch fehlten der auf Sklavenhaltung beruhenden antiken Wirtschaftsordnung entscheidende Voraussetzungen und Kennzeichen des Kapitalismus, besonders das unentwegte Streben nach (kapitalistischer) Verwertung von Vermögen als oberstes wirtschaftliches Prinzip: Reichtümer wurden entweder thesauriert (gehortet) oder für eine luxuriöse Lebenshaltung verwendet.

    Gleiches galt auch für das Mittelalter, dessen vom Christentum geprägte Wirtschaftsauffassung und -gesinnung ("standesgemäße Nahrung", "gerechter Preis", kanonisches Zinsverbot, Wohltätigkeit als Attribut des Reichtums) einer kapitalistischen Betätigungsweise um so weniger Raum ließen, als konkrete feudale und genossenschaftliche Bindungen (besonders das Zunftwesen) für eine Regulierung des Erwerbsstrebens sorgten.

    Doch ging seit dem 13. Jh. vom wirtschaftlich am weitesten fortgeschrittenen Italien (blühende Stadtrepubliken Venedig, Genua, Florenz, Mailand) der so genannte Früh-Kapitalismus aus, der wesentliche Züge des eigentlichen (Hoch-)Kapitalismus in sich vereinigte, sich aber auf den Bereich des risiko- und gewinnreichen (Fern-)Handels (besonders mit Luxuswaren aus dem Orient) beschränkte und die (entscheidende) Produktionssphäre ausließ; immerhin wurde das Haupthindernis, das kanonische Zinsverbot, praktisch beseitigt; es entstanden Banken, Börsen sowie die Vorläufer der Aktiengesellschaften u.a.; erstmals verband sich spekulatives Gewinnstreben mit dem "Geist der Rechenhaftigkeit"; mit dem wirtschaftlichen Rückgang in der Lombardei, in Flandern und Oberdeutschland (Fugger) fand diese Entwicklung einen vorläufigen Abschluss.

    Die wirtschaftliche Führung übernahmen die großen atlantischen See-, Kolonial- und Handelsmächte, besonders England und die Niederlande, die ihre Reichtümer aus kolonialer Ausbeutung im Rahmen des planenden und erziehenden Merkantilismus zu behaupten und zu nutzen verstanden, während aus Spanien infolge des Mangels an bürgerlichem Erwerbssinn die riesigen Edelmetalleinfuhren (aus Amerika) wieder abflossen.

    Für den Durchbruch des modernen Kapitalismus, wie er sich seit der Mitte des 18. Jh.s zuerst in England in Form der "Industriellen Revolution" vollzog, mussten außer den genannten eine Reihe weiterer (in ihrem Bedeutungsrang schwer abzuschätzender) Faktoren zusammenwirken; technische Errungenschaften (Dampfmaschine), Bevölkerungszuwachs, Ausbau des Verkehrswesens, Intensivierung der Landwirtschaft und eine genügende Zahl von Unternehmerpersönlichkeiten waren die Voraussetzungen für die gewerbliche Großproduktion in der kapitalistischen Produktionsstätte, der Fabrik; zugleich musste der Staat zu reglementieren aufhören und sich auf den Schutz der Rechtssicherheit beschränken; ein selbstbewusstes Bürgertum (Dritter Stand, Bourgeoisie) trat für die uneingeschränkte Verwirklichung der Prinzipien des ökonomischen Liberalismus (Laisser-faire; Freihandel) ein (auf dem Festland in der Französischen Revolution von 1789); auch die religös-ethische Wirtschaftsauffassung des Calvinismus gehörte zu den treibenden Kräften des Kapitalismus. Die Wirtschaft wurde aus dem Religiösen ausgeklammert und behauptete in reiner Diesseitsbezogenheit rationalistisch ihre "Eigengesetzlichkeit" (wissenschaftlich formuliert von der klassischen englischen Nationalökonomie); das Gesamtergebnis dieser Tatbestände und Tendenzen ist der Hoch-Kapitalismus des 19. Jh.s, eine freie Unternehmerwirtschaft, die in freiem Wettbewerb in Massen für einen anonymen Markt produzierte.

    Die großen materiellen Leistungen des Kapitalismus wurden auch von seinen Kritikern bejaht, doch waren sich Sozialkonservative und Sozialisten der verschiedenen Richtungen in der Ablehnung der mit dem Kapitalismus verbundenen Ansprüche auf gesellschaftliche Vorrechte und krasser sozialer Ungerechtigkeit (ursprünglich sogar unverhüllte üble Ausbeutung der Fabrikarbeiter, Kinderarbeit) einig; grundsätzlich wurde dem Kapitalismus (und seiner politischen Interessenvertretung, den liberalen Parteien) "Mammonismus" und schrankenloser Individualismus vorgeworfen, während der Sozialismus und sein Träger, das Proletariat (Arbeiterbewegung), sich zum historisch berufenen Widersacher und Überwinder des Kapitalismus erklärten; schließlich wurde der Kapitalismus der Mit- oder Haupturheberschaft an den imperialistischen Konflikten beschuldigt (Kampf um Absatz- und Kapitalmärkte, Rüstungsinteressen der Schwerindustrie).

    Der Spät-Kapitalismus nach dem Ersten Weltkrieg hat das Prinzip der freien Konkurrenz und freien Unternehmerinitiative zugunsten des beherrschenden Einflusses von Kartellen, Trusts und Konzernen weitgehend aufgegeben; deren Leitung übernehmen "Manager" (die keine eigentlichen "Kapitalisten" mehr sind); ein Großteil des Kapitals ist anonym geworden, die ehemals freien Märkte entweder blockiert (Schutzzölle, Autarkie) oder übersehbar und verteilt; auch staatliche Planbürokratie, einschneidende sozialpolitische Gesetzgebungen und starke, geschlossene Arbeiternehmerorganisationen (Gewerkschaften) ziehen der freien Wirtschaftsweise des Kapitalismus engere Grenzen; im Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland wird das Eigentum an das Gemeinwohl gebunden.