Italien (Kunst)

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    Nach dem Untergang des Römischen Reiches war die italienische Kunst wegen der fehlenden politischen Einheit des Landes geprägt von einer Zerrissenheit, die das Entstehen unterschiedlicher Kunstsprachen und lokaler wie regionaler Schulen begünstigte. Besonders städtische Kulturen (Florenz, Rom, Venedig) waren richtungweisend in der Entwicklung der Kunst. Trotz aller Unterschiede wurden jedoch übergreifende Traditionen des Mittelmeerraumes gewahrt. Die italienische Kunst beeinflusste auf entscheidende Weise für Jahrhunderte die gesamte abendländische Kunst und Kultur.


    Mittelalter, Vorromanik

    Die Baukunst war bis ins 11. Jh. charakterisiert durch das Beharren auf spätantik-frühchristlichen Traditionen wie bei der flach gedeckten, querschifflosen Basilika mit ihren dünnen Wänden und den meist als Zentralbauten errichteten Baptisterien. Erste Ansätze für eine Strukturierung des Raumes (mittels Arkaden) gab es in der Lombardei (Kernbau der Basilika S. Ambrogio in Mailand, 824-859; S. Satiro, Oratorium des Ansperto in Mailand, 861 bis 881). Vom 11. Jh. bis ins spätere Mittelalter ist ein allmählicher Übergang zur romanischen Kunst zu beobachten. Charakteristisch für den italienischen Kirchenbau ist der frei stehende Glockenturm (Kampanile in Florenz; Schiefer Turm von Pisa), Gewölbekunst, reiche Gliederung von Frontseite und Portal (Hauptwerke: Dom in Pisa, San Miniato bei Florenz, San Ambrogio in Mailand).

    Die Mosaikkunst (S. Prassede) und Wandmalerei (S. Clemente, 850) gelangten im hieratischen Stil in Rom zur Blüte.

    Aus derselben Zeit sind meisterhafte Werke der Kleinkunst erhalten, wie der Goldaltar von S. Ambrogio in Mailand (Meister Volvinius, 835), der als Glanzstück karolingisch-höfischer Goldschmiedekunst gilt.

    Romanik

    Die Architektur, obwohl noch wesentlich von klassischen Elementen durchsetzt, war zugleich gekennzeichnet von mehreren Traditionslinien. Die Kreuzkuppelkirche S. Marco in Venedig (seit 1063) z.B. entstand unter starkem byzantinischem Einfluss, während die Durchdringung byzantinischer, islamischer und normannischer Stilmittel die Baukunst der Toskana, Süditaliens und Siziliens kennzeichnete. Lombardische Künstler brachten die bedeutendste romanische Bauplastik (Comasken) hervor, die meist flächig-ornamental in die architektonische Form integriert wurde (Pavia, S. Michele, 1. Hälfte 12. Jh.).

    Monumentale Wandmalereien und Mosaiken in Benediktiner-Klöstern waren byzantinisch beeinflusst. Die spätrömische Inkrustationstechnik erweckten die Cosmaten in Rom zu neuem Leben.

    Übernahme der Gotik

    Die im 13. Jh. von den Zisterziensern, später von den Bettelorden der Franziskaner und Dominikaner rezipierte französisch-gotische Architektur fand nur langsam Eingang in die Baukunst, die sich weiter an der Kontinuität der Wand (S. Francesco, Assisi, seit 1228), der Körperhaftigkeit der Stützen und der Betonung der Horizontalen orientierte. Weite, Klarheit und Helligkeit der Räume prägten die Gewölbebauten (Arnolfo di Cambio: Florenz, Dom, 14. Jh.). Deutsche und französische Baumeister verwirklichten dann spätgotische Stilelemente am Mailänder Dom; ansonsten jedoch blieben die Einflüsse der Gotik eher gering.

    In der Plastik hingegen wurden gotische Formen schon im 12. Jh. aufgegriffen (B. Antelamis im Dom zu Parma), ohne romanische und antike Stilmittel aufzugeben. Auf klassische und romanische Vorbilder stützte sich auch die monumentale Plastik von N. Pisano, später auch die von A. di Cambio. Weitere Hauptmeister waren Fra Guglielmo (San Domenico in Bologna) und besonders L. Ghiberti (Türen des Baptisteriums) in Florenz, der zur Renaissance überleitete.

    Begründer der Malerei der Gotik war Giotto di Bondone (Fresken von Assisi), gleichzeitig Schule von Siena und Fra Angelico da Fiesole. Die an byzantinischen Vorstellungen ("maniera greca") ausgerichtete Malerei erlebte um 1300 einen gewaltigen Aufschwung durch die Arbeiten von Duccio und S. Martini, die byzantinisch-gotischen Einflüsse verarbeiteten, von Cimabue, der sich wieder am frühen Mittelalter orientierte, und von P. Cavallini, in dessen römischen Wandmalereien frühchristliche Traditionen neu auflebten. In den Fresken Giottos (Arena-Kapelle, Padua, 1305/06), die mehrere Stilelemente integrierten, zeigte sich der Charakter des modernen Bildes der Neuzeit, in dem die Wirklichkeit, von einem Rahmen begrenzt, mit monumentalen Figuren und einheitlicher Sicht sich auf realistische Weise dem Betrachter offenbarte.

    Die internationale Gotik wirkte dann um 1400 mit ihrem linearen und farblichen Ästhetizismus auf diesen neuen Realismus ein.

    Renaissance und Manierismus

    Die Epoche war geprägt von der Abbildung der Natur nach wissenschaftlichen Regeln, worin das ästhetische Ideal nach dem Vorbild der Antike in bewusster Abkehr vom "barbarischen Mittelalter" gesehen wurde.

    Ein nach christlicher Sicht gedeuteter Neuplatonismus war in der Baukunst das ideologische Rüstzeug, mit dem neue Sakralbauten geschaffen wurden. Dabei sollte sich die göttliche Ordnung offenbaren in der abstrakten Ordnung von Zahlen und geometrischen Figuren (F. Brunelleschis Basilika S. Spirito in Florenz, 1436 ff.). Leichtigkeit und Funktionalität klassischer Vorbilder beherrschten die florentinische Architektur der Frührenaissance. Dagegen war die römische Baukunst der Hochrenaissance (um 1500) am Machtvollen und Heroischen orientiert, was, gepaart mit Rationalität, die europäische Architektur bis ins 19. Jh. hinein beeinflusste. Beispiele für diese Ausdrucksformen der Hochrenaissance sind Bramantes Tempietto (S. Pietro in Montorio, 1502), A. da Sangallos Palazzo Farnese in Rom (1541 ff.) und Michelangelos Skizzen für Sankt Peter. Manieristische Übersteigerungen in Form und architektonischer Logik lassen sich nach 1520 auch bei Michelangelo ausmachen (Biblioteca Laurenziana, Florenz, 1530 ff.), werden jedoch mit klassizistischen Antworten konfrontiert (A. Palladios Villen im Veneto).

    Die Florentiner Plastik mit ihren am antiken Menschenbild orientierten, frei stehenden Statuen ging im 15. Jh. andere Wege als die im übrigen Europa. Der Geist der Antike, neu interpretiert, zeigte sich eindrucksvoll in den Werken Donatellos (Aktstatue des Bronze-David, Florenz, um 1430; Reiterdenkmal des Gattamelata, Padua, 1447). In der 2. Hälfte des 15. Jh.s griff der Stil der Florentiner Frührenaissance (Ghiberti, die Brüder Pollaiuolo, Verrocchio) auf ganz Italien über. Im unvollendeten Werk bei Leonardo und Michelangelo dokumentiert sich die Suche der römischen Hochrenaissance nach Formvollendung. Michelangelos David (Florenz, 1501) erreicht dieses ästhetische Ideal der vollkommenen Gestaltung, in seinem Spätwerk wird es jedoch wieder manieristisch relativiert (Pietà, Florenz, Dom, 1548-55). Bildhauer wie B. Cellini und G. da Bologna wandten sich in der 2. Hälfte des 16. Jh. von den Stilmitteln der Renaissance ab und schufen mit expressiven Darstellungsformen eine manieristische Kunstsprache.

    Die Malerei erlebte in der Renaissance eine Blütezeit, wobei sich besonders das ursprünglich religiös geprägte Tafelbild neuen, profanen Inhalten öffnete: dem Porträt bei Raffael ("Sixtinische Madonna"), der Landschaft bei Leonardo, dem Stillleben bei I. de' Barbari und den mythologisch beeinflussten Bildern Botticellis ("Der Frühling", "Geburt der Venus"). In der Linearperspektive als "symbolische Form" zeigte sich die der Rationalität verpflichtete Denkungsart der Renaissance, die in einer naturwissenschaftlich ausgerichteten Idealwelt Mensch und Natur als harmonisches Ganzes sah. Besonders deutlich wird diese Haltung in den Werken Masaccios (Zinsgroschen-Fresko, Brancacci-Kapelle, Florenz, 1427), P. Uccellos, F. Lippis und A. Castagnos. Masaccio und Masolino waren die ersten großen Meister des bewegten Akts der Frührenaissance. Die Anwendung korrekter Farb- und Luftperspektive durch Piero della Francesca und Leonardo entzog die Malerei den naturalistischen Anfängen und hauchte ihr Atmosphäre ein. Licht und Farbe wurden zum idealen Medium erhoben, in der venezianischen Malerei gar zum Träger visionärer Darstellungen Arkadiens (Giorgione; Tizians "Pietà", 1573-76). In der Hochrenaissance gelang es für kurze Zeit, klassische Ideale mit naturwissenschaftlicher Erfahrung in eine harmonische Ordnung zu fügen, besonders in den Werken von Raffael, Leonardo und Michelangelo. Das expressive Herausarbeiten einzelner Darstellungsmittel in der manieristischen Malerei bei Tizian, Tintoretto, G. Romano und Bronzio zeigte erste Tendenzen des Barock. Als Übergang der Renaissance zum Barock gelten die Deckenmalereien von Correggio.

    Barock

    In der barocken Kunst, die um 1600 in Rom entstand, setzte sich die antike Tradition der Hochrenaissance fort. Gleichsam in Ablehnung des Manierismus entstanden, wurden dessen expressive Ausdrucksmittel doch von der barocken Kunst aufgegriffen.

    Die Architektur war orientiert am repräsentativ-absolutistischen Darstellungsstil (große Plätze, Monumente, prächtige Treppen wie die Spanische Treppe in Rom von F. de Sanctis). Stilgeschichtlich prägend wird der Bau des Petersdomes in Rom, an dem Bramante, Michelangelo, Maderno, Borromini und Bernini arbeiteten: Die Kuppel (von Michelangelo entworfen) blieb zentrales Moment im Langhausbau. Charakteristisch für die Baukunst der Epoche waren die Fassaden von P. Cortona (S. Maria della Pace, 1656) und Borromini (S. Carlo alle Quattro Fontane, 1667 ff.): In ihnen zeigte sich ein Gleichgewicht plastischer Kontraste von Säule und Pilaster, konvex und konkav, Licht und Schatten. Brillante architektonische Raumlösungen schufen die Barock-Baumeister Bernini (S. Andrea al Quirinale, 1658 ff.) und Borromini (S. Ivo della Sapienza, 1642 bis 50). Turin und Venedig waren neben Rom Zentren barocker Architektur.

    In der römischen Plastik gelang G.L. Bernini durch malerische Harmonisierung der barocken Gegensätze von Natur und Ideal, von Schwere und Bewegung die Verbindung von Architektur und Malerei. In Rom entwickelte sich die Malerei zwischen den Polen beschwingter Klassizität (A. Caraccis Deckenmalereien im Palazzo Farnese, 1597-1604) und naturalistische Einfachheit (Caravaggio, Bekehrung des heiligen Paulus, 1600). Durch einen Zuwachs an räumlicher Illusion und Farbechtheit erlebte die Deckenmalerei einen gewaltigen Aufschwung (Domenichino, Lanfranco, P. da Cortona, Pozzo).

    18. und 19. Jahrhundert

    Die italienische Kunst des 19. Jh.s stagnierte in ihrem Beharren auf dem Klassizismus, wobei dieser zumeist von Ausländern getragen wurde (Winckelmann, R. Mengs, J.L. David).

    Die klassizistische Tradition bestimmte die Architektur in Rom (C. Fontana), mit Ausnahme der Spanischen Treppe, die vom Rokoko beeinflusst ist, das wiederum in Turin, Vittone und Iuvara eine wenn auch bescheidene Rolle spielte.

    Die Gattungen Vedute, Landschaft und Genrebild (Canaletto, Bellotto, F. Guardi) sowie das religiöse Altarbild (Piazzetta) waren richtunggebend in der venezianischen Malerei. Die bedeutendsten Deckenmalereien der Epoche entstanden im Ausland (Tiepolo, Würzburger Residenz, 1750 bis 53).

    Herausragend in der bildenden Kunst waren allein die Skulpturen von A. Canova und in der Malerei mit Abstrichen die Bilder der Florentiner so genannten Macchiaioli.

    20. Jahrhundert

    Der Futurismus brach um 1910 radikal mit den erstarrten Traditionen des 19. Jh.s und entwickelte eine aggressive Kunstsprache. Er forderte in letzter Konsequenz die Zerstörung aller alten und geltenden Werte, was einige seiner Vertreter (unter anderem F.T. Marinetti) zum Faschismus Mussolinis trieb.

    Die Kunst während des Faschismus war ganz auf einen offiziell geförderten Neoklassizismus abgestellt, was besonders für die Architektur galt, die sich erst in den 50er und 60er Jahren zu moderner Bauweise entwickelte (L. Nervi, Sportpalast, Rom, 1958-60; G. Ponti, Pirelliturm in Mailand, 1956-59; G. Michelucci, Autobahnkirche bei Florenz, 1964).

    Die Grenze von Plastik und Malerei zwischen Abstraktion und Konstruktion berührten nach 1945 L. Minguzzi, P. Consagra und L. Fontana mit ihren Arbeiten.

    Symbolistische Vorstellungen (Pittura metafisica unter anderem von de Chirico und Morandi) und Zukunftserwartungen (bei den Futuristen U. Boccioni, C. Carrà) markierten die beiden Pole in der Malerei um 1910.

    Dem Rekurs auf Neoklassizismus ("Novecento") und Realismus (R. Guttuso) folgte nach 1945 auch in der italienischen Kunst die Öffnung zu internationalen Stilen wie Abstraktion (A. Corpora, A. Magnelli), Pop- und Op-Art und neuem Realismus (G. Baruchello).

    Kalenderblatt - 19. April

    1521 Kaiser Karl V. verhängt über Martin Luther die Reichsacht.
    1941 Bertolt Brechts "Mutter Courage" wird im Schauspielhaus Zürich uraufgeführt. Die von Helene Weigel verkörperte Protagonistin verliert im Dreißigjährigen Krieg alle ihre Kinder. Brecht will mit seinem Stück die Verzahnung von Kapitalismus und Krieg zeigen.
    1977 Zum Entsetzen seiner Fans wechselt Franz Beckenbauer in den amerikanischen Fußballverein Cosmos. Der Dreijahresvertrag ist auf ca. sieben Millionen DM festgesetzt.