Irak Geschichte

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    Früh- und Vorgeschichte

    Die historische Landschaft Mesopotamien, die heute einen Teil des irakischen Staatsgebietes ausmacht, war vermutlich bereits ab dem 8. Jt. v.Chr. besiedelt. Ab etwa 3000 v.Chr. entstand hier die Hochkultur der Sumerer, die früheste der Welt. Im Süden des Landes zwischen Euphrat und Tigris gründeten die Sumerer zahlreiche miteinander verfeindete Stadtstaaten (z.B. Lagash, Kish, Uruk, Ur, Nippur) mit einer ausgeklügelten Land- und Bewässerungswirtschaft. Zeugnis ihrer hohen Kultur war unter anderem eine auf Bildsymbolen beruhende Schrift, aus der sich die Keilschrift entwickelte.

    Von Babylonien und Assyrien bis zum 20. Jh.

    Ab etwa 2000 v.Chr. entstanden auf dem Gebiet des heutigen Irak zwei neue konkurrierende Machtzentren, im Süden das Babylonische Reich und im Norden das Reich der Assyrer.

    Nachdem das Babylonische Reich unter König Nebukadnezar II. (bis 562) seinen wirtschaftlichen und kulturellen Höhepunkt erreicht hatte, wurde das Land vom persischen Achämenidenkönig Kyros II. (bis 528) unterworfen. Nach der Zerstörung des Perserreiches durch den Makedonier Alexander den Großen wurde das Gebiet des heutigen Irak Teil des Seleukidenreiches (nach Seleukos, einem der Nachfolger von Alexander dem Großen).

    Ab etwa 200 v.Chr. wurde das Partherreich in der Region des heutigen Iran eine bedeutende Macht und eroberte das Seleukidenreich. Ab dem 1. Jh. lieferten sich die Parther mit den vorrückenden römischen Truppen mehrere Kriege, 113/114 n.Chr. unterwarf der römische Kaiser Trajan das zum Partherreich gehörende Mesopotamien und erweiterte das Römische Reich bis zum Persischen Golf. Im 3. Jh. n.Chr. beherrschte die persische Sassanidendynastie das Gebiet des heutigen Ostirak, während die Römer den westlichen Teil unter ihrer Kontrolle hatten. In den folgenden Jahrhunderten gerieten die Gebiete am Euphrat und Tigris abwechselnd in die Hände des zweiten persischen Großreichs und der Römer (bzw. des Oströmischen/Byzantinischen Reiches nach der Reichsteilung 395 n.Chr.).

    Nach dem Siegeszug der Araber unter dem Kalifen (Nachfolger Mohammeds) Abu Bakr bzw. später Omar I. gegen die Sassaniden wurde auch das Gebiet des heutigen Irak Teil des Araberreiches, dessen Zentrum ab 661 die Stadt Damaskus im heutigen Syrien war. Durch die Spaltung des Islam in Sunniten und Schiiten waren in Persien und Mesopotamien die Schiiten in der Überzahl. Die sunnitische Omajiden-Dynastie wurde von den schiitischen Abbasiden gestürzt, deren Kalif Marwan II. gründete 762 die Stadt Bagdad am Lauf des Tigris. Im Laufe der nächsten zwei Jahrhunderte wurde Bagdad politisches und kulturelles Zentrum des islamischen Araberreiches.

    Ab 1055 geriet das Gebiet des heutigen Irak unter die Herrschaft der sunnitischen Seldschuken, einem turksprachigen Volk. 1258 eroberten die Reiterscharen der Mongolen fast ganz Zentral- und Vorderasien und errichteten das (bis 1355 bestehende) Reich der Ilkhane. Nach einer Übergangszeit, in der zahlreiche Einzeldynastien herrschten, eroberte der Mongole Timur Leng 1401 die Stadt Bagdad und das Gebiet des heutigen Irak. Seine Nachfolger beherrschten das Gebiet, bis sie von den schiitischen Safawiden verdrängt wurden. 1535 eroberten die sunnitischen Truppen des Osmanischen Reiches das Gebiet und drängten die Safawiden auf das Gebiet des Iran zurück. Bis ins Jahr 1918 sollte der Irak unter der Vorherrschaft der Türken stehen. Die Stoßrichtung der osmanischen Expansion verlagerte sich infolge in Richtung Europa, so dass der Irak als Provinz zeitweise relativ selbstständig war. Bis zum Ende des 19. Jh.s kam es immer wieder zu Aufständen im Inneren und Eroberungsversuchen von außen.

    Am Ersten Weltkrieg beteiligte sich das Osmanische Reich an der Seite Deutschlands und Österreich-Ungarns und gehörte damit zu den Verlierern. 1917 waren britische Truppen in den Irak einmarschiert, 1920 erhielt Großbritannien das Völkerbundmandat über das Gebiet. Der Haschemit Faisal I., ehemaliger Monarch Großsyriens, wurde als Monarch des Königreichs Irak eingesetzt. Wiederholt kam es zu Aufständen der Bevölkerung gegen die britischen Truppen im Land. Im Juni 1926 wurde das bis zu diesem Zeitpunkt von den Briten kontrollierte erdölreiche Kurdengebiet um Mosul im Norden dem Königreich Irak angegliedert. Bereits 1923 war der anatolische Teil Kurdistans zum türkischen Staatsgebiet erklärt worden (Kurdistan war ein Siedlungsgebiet auf den Territorien der Türkei, Syriens, Armeniens, des Iran und des Irak, das nach dem Ersten Weltkrieg von den alliierten Siegermächten dem Volk der Kurden als eigenes Land in Aussicht gestellt worden war).

    Unabhängigkeit und Zweiter Weltkrieg

    Auch nach offiziellem Erreichen der Unabhängigkeit 1932 blieb der Irak in starkem Maße von Großbritannien abhängig. Britische Truppen waren im Land stationiert (bis 1959), die Konzessionen für die Ölsuche und Ölförderung waren seit 1927 in Händen der Iraq Petroleum Company (die Großbritannien, den USA und Frankreich gehörte). Intern musste sich das Land mit den sozialen Spannungen zwischen Sunniten und Schiiten und den Unabhängigkeitsfoderungen der Kurden im Norden auseinandersetzen.

    Im Zweiten Weltkrieg versuchte eine nationalistische arabische Bewegung, durch einen Bund mit dem nationalsozialistischen Deutschland an die Macht zu gelangen, hatte aber damit keinen Erfolg. 1945 gehörte der Irak zu den Gründungsmitgliedern der "Arabischen Liga" (zusammen mit Ägypten, Süd-Jemen, Jordanien, Libanon, Saudi-Arabien und Syrien), die eine Verbesserung der wirtschaftlichen, politischen und militärischen Zusammenarbeit als Ziel hatte. 1948/49 nahmen irakische Truppen an der Seite der arabischen Staaten am Krieg gegen Israel teil. Dennoch blieb die enge Bindung an den Westen zunächst erhalten, was sich z.B. im 1955 geschlossenen Bagdadpakt zeigte, einem Bündnis aus dem Irak, der Türkei, Großbritannien, Iran und Pakistan gegen die Sowjetunion. Im Februar 1958 schloss sich der Irak mit Jordanien zur "Arabischen Föderation" zusammen.

    Unabhängige Republik

    Die Situation änderte sich, als es im Juli 1958 zu einem blutigen Militärputsch gegen die Regierung und das Königshaus kam. Sowohl die Vereinigung mit Jordanien als auch die Monarchie wurde für beendet erklärt, der Bagdadpakt für nichtig und die Republik ausgerufen. Der nun amtierende General Abd Al Karim Kasim (bis 1963) leitete eine Umkehr in der irakischen Außenpolitik ein hin zu einer engen Anlehnung an die UdSSR.

    1960 gehörte der Irak zu den Gründungsmitgliedern der OPEC (Organization of the Petroleum Exporting Countries, zusammen mit Iran, Kuwait, Saudi-Arabien und Venezuela). Ziel der Organisation war eine gemeinsame Erdölpolitik gegenüber den Verbraucherländern, um den Förderländern stabile und regelmäßige Einkünfte zu sichern. 1961 eskalierte der Kurdenkonflikt im Norden des Landes zum offenen Krieg, als der Kurdenführer Mustafa Barsani einen unabhängigen Kurdenstaat proklamierte. Noch im gleichen Jahr erhob der Irak Ansprüche auf das benachbarte Kuwait, das von Großbritannien in die Unabhängigkeit entlassen worden war.

    General Abd Al Karim Kasim wurde 1963 durch einen Offiziersputsch gestürzt, sein Nachfolger wurde Abd As Salim Aref (bis 1966). 1968 übernahm die 1942 gegründete Baath-Partei (in der sich Ideen des Sozialismus mit panarabischen Zielen verbanden) die Macht im Irak. Ein Jahr zuvor hatte der Irak zusammen mit anderen arabischen Staaten im 3. israelisch-arabischen Krieg eine vernichtende Niederlage hinnehmen müssen. Der Führer der Baath-Partei, Ahmad Hassan Al Bakr, übernahm die Führung des neu gegründeten Revolutionären Kommandorates (RKR), sein Stellvertreter wurde Saddam Hussein, der maßgeblich am Putsch beteiligt war. Außenpolitisch vertrat die irakische Führung einen extrem israelfeindlichen Kurs und bemühte sich um gute Kontakte zur UdSSR, innenpolitisch bemühte sie sich um einen Ausgleich mit den Kurden im Norden des Landes, denen 1975 eine beschränkte Selbstverwaltung und eine Beteiligung an der gesamtirakischen Regierung gewährt wurde. Dennoch kam es immer wieder zu Kämpfen zwischen Regierungstruppen und Kurden.

    1972 wurden die Erdölgesellschaften, die bis zu diesem Zeitpunkt überwiegend in ausländischen Händen waren, verstaatlicht. Die enormen Gewinne aus dem Ölgeschäft investierte die irakische Führung einerseits in Rüstungsgüter (aus der UdSSR), andererseits in den Ausbau von Industrie und Landwirtschaft und eines Bildungs- und Gesundheitssystems. 1979 wurde Saddam Hussein als Vorsitzender des Revolutionären Kommandorats und der Baath-Partei, als Staats- und später auch als Ministerpräsident und Oberbefehlshaber der Streitkräfte der maßgebliche Führer im Irak.

    Erster und Zweiter Golfkrieg

    Im September 1980 löste die Invasion irakischer Truppen in den Iran den Ersten Golfkrieg aus (bis 1988), bei dem es vorrangig um wirtschaftliche Interessen ging (Erdölfelder). Der Westen unterstützte Saddam Hussein bei seinem Kampf gegen den Iran, in dem seit 1979 der Fundamentalismus an der Macht war (unter Ayatolla Khomeini).

    1988 wurde der Krieg, der rund 500 000 Tote gefordert hatte, durch Vermittlung der UNO beendet. Zwei Jahre später besetzten irakische Truppen das benachbarte Emirat Kuwait, das zur irakischen Provinz erklärt wurde und löste damit den Zweiten Golfkrieg aus. Nachdem das von der UNO gestellte Rückzugsultimatum verstrichen war, befreite eine große Koalition aus 24 europäischen und arabischen Staaten unter der Führung der USA Kuwait im Februar 1991 mit Waffengewalt. Infolge wurden gegen den Irak ein umfassendes Handelsembargo verhängt und Rüstungskontrollen, die in den folgenden Jahren wiederholt Anlass zu Auseinandersetzungen wurden. Trotz entsprechender Verbote und internationaler Abkommen war bekannt, dass der Irak seit den 80er Jahren atomare, biologische und chemische Massenvernichtungswaffen produzierte, was bis heute nicht wirkungsvoll unterbunden werden konnte. Für die Region wurde eine ständige US-amerikanische Militärpräsenz von den Siegermächten beschlossen. Wiederholt kam es zu Übergriffen irakischer Truppen in den eingerichteten Kurden- und Schiitenschutzzonen, erneuten Überfällen auf kuwaitisches Gebiet bzw. Verletzungen der Flugverbotszonen, auf die die Golfkriegsalliierten mit Bombardements reagierten (bis heute).

    Nach den Kriegen

    Trotz innenpolitischer Spannungen (wobei die irakische Opposition weitgehend zersplittert war und größtenteils vom Ausland aus agierte) und der anhaltenden Kurdenproblematik konnte sich Saddam Hussein als Führer des Irak behaupten. Das UN-Handelsembargo führte zu dramatischen Versorgungsengpässen der Bevölkerung mit Nahrungsmitteln, dennoch lehnte Hussein wiederholt Angebote der UN ab, Erdöl exportieren zu können und mit einem Teil des Erlöses Lebensmittel und Medikamente für die Bevölkerung zu erwerben. Erst im Mai 1996 kam es nach langwierigen Verhandlungen zu einer ersten Einigung ("Oil-for-food-Resolution"). Der Rest der Gewinne aus dem irakischen Erdölverkauf, der nicht für Lebensmittel und Medikamente ausgegeben wurde, wurde als Wiedergutmachung an Kuwait, Hilfslieferungen in die Kurdengebiete und für die Finanzierung des UN-Inspektorenteams im Irak verwendet. Seitdem wurde die "Oil-for-Food-Resolution" wiederholt erneuert, was zu einer leichten Verbesserung der Lage der Zivilbevölkerung führte. Im Juni 2001 einigten sich Irak, Ägypten, Libyen und Syrien auf die Errichtung einer Freihandelszone zur Verbesserung ihrer wirtschaftlichen Zusammenarbeit. Im Mai 2002 beschloss der UN-Sicherheitsrat (mit der Stimme der USA) gelockerte Sanktionen gegen den Irak. Militärisch in irgendeiner Form nutzbare Produkte bleiben jedoch von den neuen Importregelungen ausgeschlossen; deshalb änderte sich in der Praxis nichts Wesentliches.

    Die Spannungen zwischen Irak und den USA blieben bestehen. Der Irak erklärte im September 2000, zum erstenmal seit vier Jahren wieder UN-Waffeninspekteure ins Land lassen zu wollen. Dies stellte vermutlich eine Reaktion auf die Drohung von US-Präsident George W. Bush dar, den Irak auch im Alleingang anzugreifen, um die mutmaßliche Herstellung von Massenvernichtungsmitteln dort zu beenden.

    Im Frühjahr 2003 griffen die USA und ihre Verbündeten den Irak an und stürzten Saddam Hussein, der erst im Dezember in die Hände der Besatzer fiel und Ende 2006 aufgrund des Urteils eines irakischen Gerichtshofs hingerichtet wurde. Begründet wurde der Krieg mit der vom Irak ausgehenden militärischen Gefahr. Auch nachdem US-Präsident Bush Anfang Mai die Kampfhandlungen für weitgehend beendet erklärt hatte, kam es zu Kämpfen, Sabotageakten und Anschlägen, bei denen es sowohl auf britisch-amerikanischer Seite als auch unter den irakischen Bürgern viele Opfer gab. Nachdem im August 2003 Ajatollah Mohammed Bakir al-Hakim, der wichtigste schiitische Geistliche im Irak, zu den Opfern eines Bombenanschlags gehörte, forderten fast täglich Terrorakte neue Todesopfer.

    Um eine Selbstverwaltung des Landes zu ermöglichen, setzten die USA einen irakischen Regierungsrat ein. Zu dessen Aufgaben gehörte unter anderem die Ernennung eines Regierungskabinetts, welches aus 25 Ministern aller ethnischen Gruppen besteht, und die Verabschiedung einer Übergangsverfassung, die bis 2005 in Kraft blieb. Nachdem der Präsident des irakischen Regierungsrats, Issaddin al-Salim, bei einem Anschlag ums Leben kam, wurde der Sunnit Ghasi Adschil al-Jawar sein Nachfolger. Am 28. Juni 2004 setzte der irakische Regierende Rat mit Zustimmung der UN und der USA die neue Übergangsregierung ein und löste sich anschließend selbst auf. Der Sunnit Ghasi al Jawar wurde neuer Staatspräsident (er war Stammesscheich der im Irak weit verbreiteten Schammar), der Schiit Ijad Allawi Ministerpräsident. Hauptaufgabe des Übergangskabinetts war die Vorbereitung der Wahlen.

    Am 15. Dezember 2005 fanden die ersten Parlamentswahlen statt. Staatspräsident ist seitdem Dschalal Talabani, Ministerpräsident ist seit 2006 Nuri al-Maliki.

    Durch terroristische Anschläge (deren Zahl in die Tausende geht) und Kämpfe zwischen unterschiedlichen Milizen auf der einen Seite sowie zwischen Opposition und Koalitionsstreitkräften auf der anderen Seite hat sich die Sicherheitslage seit 2003 stetig verschlechtert. Die Kampfhandlungen forderten bis Mitte 2007 den Tod von über 3 500 US-Soldaten und von über 40 000 Zivilpersonen. 2006 wurde die Lage im Irak verstärkt von Auseinandersetzungen zwischen Schiiten und Sunniten geprägt, die seit dem Anschlag auf die Goldene Moschee in Samarra im Februar 2006 eskaliert sind. Vor allem in Bagdad kommt es nahezu täglich zu Morden, Anschlägen und Verschleppungen, die wiederum Vergeltungsaktionen der jeweils anderen Religionsgemeinschaft zur Folge haben. Die Opfer sind hauptsächlich Zivilisten. Die Entführungen sind häufig allerdings nicht politisch motiviert, sondern auf Lösegeldforderungen ausgerichtet.

    Im Januar 2008 verabschiedete das irakische Parlament das "Gesetz über Recht und Transparenz", das die Ächtung der Mitglieder der Baath-Partei beendete. Die überwiegend sunnitischen Angehörigen der ehemaligen Regierungspartei Saddam Husseins dürfen wieder im Staatsdienst arbeiten, allerdings nur, wenn sie während des alten Regimes keine Verbrechen begangen oder Führungspositionen besetzt haben. Durch diesen von den USA seit langem geforderten Schritt soll nicht nur die Versöhnung im Land gefördert, sondern auch der Verwaltungsapparat gestärkt werden.

    Im Dezember 2011 wurden die letzten amerikanischen Soldaten vom Irak abgezogen. Der Krieg kostete über 100.000 Iraker und 4.500 Amerikaner das Leben, er dauerte fast neun Jahre.