Geschichte: Weimarer Republik und Weltwirtschaftskrise

    Aus WISSEN-digital.de


    Der Weltkrieg hatte die Kräfteverhältnisse in Europa und damit die weltpolitische Landschaft grundlegend verwandelt. Die Ausschaltung Deutschlands aus dem "Konzert der Großmächte" sollte dabei die weitreichendsten Folgen haben. Mitteleuropa wurde zum Kristallisationspunkt verhängnisvoller Entwicklungen.


    Hand in Hand mit dem militärischen Zusammenbruch ging der politische des deutschen Kaiserreiches. Das erschöpfte Volk erhob sich. Kaiser Wilhelm floh nach Holland. In Berlin rief der Sozialdemokrat Philipp Scheidemann am 9. November 1918 die Republik aus. Die Macht lag nun bei den Sozialisten. Diese aber hatten sich gespalten. Der Konflikt zwischen den demokratischen Sozialisten unter Friedrich Ebert und den Revolutionären unter Karl Liebknecht und Rosa Luxemburg führte vom 2.-5. Januar 1919 in Berlin zum bewaffneten Aufstand. Mit Hilfe von freiwilligen Verbänden der alten Armee ließ Ebert den Aufstand blutig niederschlagen. Liebknecht und Rosa Luxemburg wurden dabei am 15. Januar 1919 von Freikorpsoffizieren ermordet.

    Am 19. Januar 1919 fanden dann die ersten Nachkriegswahlen zu einer Verfassung gebenden Nationalversammlung statt. Unter Führung der SPD erhielten die Parteien, die eine parlamentarische Demokratie befürworteten, eine solide Zweidrittel-Mehrheit. Da man sich im unruhigen Berlin nicht sicher fühlte, wurde die Nationalversammlung nach Weimar einberufen. Sie wählte Friedrich Ebert zum Reichspräsidenten, Philipp Scheidemann zum Ministerpräsidenten. In langen Beratungen wurde die "Weimarer Verfassung" ausgearbeitet, dann mit überwältigender Mehrheit angenommen und schließlich vom Reichspräsidenten am 11. August 1919 unterzeichnet. Deutschland war nun eine freiheitlich-demokratische Republik, der eigentliche Souverän das deutsche Volk.

    Der demokratische Neubeginn in Deutschland stand indessen unter einem schlechten Stern: Die junge Republik galt fortan als Kind der Niederlage. Auch honorierten die Siegermächte die zum Kriegsziel deklarierte Demokratisierung in keiner Weise. Im Gegenteil: Das, was dem Kaiser und seinen Generalen, dem "militärischen Deutschland" zugedacht war, traf nun das demokratische Deutschland mit völlig unerwarteter Härte. Dem Friedensprogramm des amerikanischen Präsidenten Wilson vertrauend, hatte sich Deutschland zu Verhandlungen bereit erklärt. Nach Wilson sollte es einen Frieden ohne "Sieger und Besiegte" geben, auf der Grundlage des Selbstbestimmungsrechts der Völker.


    Unter diesen Vorzeichen hätte es sicherlich zu einem Verständigungsfrieden kommen können. Doch Wilsons europäische Verbündete, vor allem Frankreich, hatten ganz andere Pläne. Schon als die deutsche Waffenstillstandsdelegation unter Leitung des Zentrumspolitikers Matthias Erzberger am 8. November 1918 im Wald von Compiègne mit den Alliierten zusammentraf, wurde ihr keinerlei Verhandlungsspielraum eingeräumt. Waren die Waffenstillstandsbedingungen schon äußerst hart - die für die deutsche Unterschrift Verantwortlichen wurden bereits als "Novemberverbrecher" diffamiert -, so brachten die Friedensverhandlungen in Versailles ein vernichtendes Resultat. Vom Wilsonschen Geist eines Verständigungsfriedens war nun nichts mehr zu spüren. Frankreich, das auf alliierter Seite die Hauptlast des Krieges getragen hatte, kannte nur ein Ziel: Sicherheit. Frankreichs Ministerpräsident Georges Clemenceau wollte um jeden Preis Deutschland, ganz gleich, ob das kaiserliche der Generale oder das republikanische der Demokraten, niederhalten, wenn möglich zerstückeln. Es sollte Frankreich nie wieder bedrohen können.

    Die einst so stolze Militärmacht Deutschland wurde auf ein 100 000-Mann-Heer beschränkt. Große Teile des Reichsgebietes gingen verloren und schließlich hatte der Verlierer noch die gesamten Kosten des Krieges zu tragen. Begründet wurde dies mit der Alleinschuld der Deutschen am Ausbruch des Krieges. Diese von den meisten Deutschen als "Kriegsschuldlüge" empfundene Bestimmung des Artikels 231 des Versailler Vertrages und die daraus resultierenden Ungerechtigkeiten des gesamten Vertragswerks führten im Reich zu leidenschaftlicher Empörung.


    Erst als Clemenceau mit dem Einmarsch französischer Truppen in das Reichsgebiet drohte, beugte sich die deutsche Delegation dem Unvermeidlichen. "Der übermächtigen Gewalt weichend und ohne ihre Auffassung über die unerhörte Ungerechtigkeit ... aufzugeben, erklärt die Regierung, dass sie bereit ist, die ... Friedensbedingungen anzunehmen und zu unterzeichnen."

    Das geschah am 28. Juni 1919. Für die junge Republik wurde das Versailler Diktat letztlich zur tödlichen Hypothek, die "Revision" des Friedensvertrags zum Hauptargument der republikfeindlichen Kräfte, vor allem der Nationalsozialisten.

    In anderen Pariser Vororten entschied sich derweil das Schicksal der anderen Kriegsverlierer: Am 10. September 1919 wurde in St. Germain die Auflösung Österreich-Ungarns besiegelt. Österreich wurde auf sein deutschsprachiges Kernland beschränkt und vom Meer abgeschnitten. Der Anschluss an das Reich blieb ihm ohne Rücksicht auf das von den Siegern vielzitierte Selbstbestimmungsrecht verboten. Ungarn verlor ebenfalls weite Gebiete, die neuen Staaten zugeschlagen wurden: der Tschechoslowakei, einem neuen Vielvölkerstaat, in dem das tschechische Staatsvolk nicht einmal die Hälfte der Bevölkerung ausmachte; Jugoslawien, einer Zusammenfassung der adriatischen Provinzen des Habsburger Reiches mit ebenfalls vielen schwer zu integrierenden Völkern; Rumänien mit Siebenbürgen und einigen russischen und bulgarischen Gebieten; das neue Polen erhielt Galizien.

    Am 27. November 1919 verurteilten die Sieger in Neuilly Bulgarien zu Reparationen und Gebietsabtretungen. Am 4. Juni 1920 musste Ungarn in Trianon seinen Urteilsspruch entgegennehmen, zwei Monate später, am 10. August, die Türkei in Sèvres. Sie schrumpfte auf Kleinasien zusammen und erhielt nur Reste auf europäischem Boden.


    In diesen "Pariser Vorort-Verträgen", allen voran jenem von Versailles, wurden mehr neue Sprengsätze gelegt als alte entschärft. Woodrow Wilson war mit seinem Programm der Befriedung gescheitert. Zwar akzeptierten die Siegerkollegen einen Passus im Vertragswerk, wonach ein "Völkerbund" zur Überwachung der Friedensordnung zu schaffen sei. Doch sie riskierten damit wenig, denn ein Vetorecht ermöglichte ihnen jederzeit, Beschlüsse des Bundes bei nicht genehmen Entscheidungen zu blockieren. Außerdem sollten Deutschland und die neue Sowjetunion vom Völkerbund ausgeschlossen sein.

    Mehr als ein Alibi-Organ für die Großmächte kam also nicht heraus. Und so scheiterte Wilson mit seinen Verhandlungsergebnissen von Paris im US-Senat, der sowohl die Ratifikation der Verträge als auch den Beitritt zum Völkerbund verweigerte (18.11.1919). Senator Borah analysierte schonungslos: "Aber Ihr Vertrag bedeutet nicht Frieden. Wenn wir die Zukunft anhand der Vergangenheit beurteilen, bedeutet er Krieg ..."

    Wilson starb 1924. Amerika wandte sich seinen inneren Problemen zu und überließ Europa sich selbst. Hier ging es nach dem Ende des Krieges primär um die Durchsetzung der neuen Ordnung, was vor allem in Deutschland erhebliche Schwierigkeiten bereitete: An den Ostgrenzen des Reiches blieb es unruhig. Polen versuchte weitere Gebiete als die schon abgetretenen vom Reich loszureißen. Dagegen musste der entwaffnete Staat "Freikorps" zu Hilfe rufen, die dann wieder mit ihrem antidemokratischen Potenzial zu Hilfstruppen rechter Putschisten wurden. So am 13. März 1920, als ein Umsturzversuch des ostpreußischen Landschaftsdirektors Kapp nur am entschlossenen Widerstand der Arbeiterschaft scheiterte.


    Auch vor politischem Mord schreckten die rechten Republikfeinde nicht zurück. Prominenteste Opfer nach Liebknecht und Rosa Luxemburg waren Matthias Erzberger (26.8.1921), als Unterzeichner des Waffenstillstands für die Rechten Inbegriff des "Novemberverbrechers", und Außenminister Walther Rathenau (24.6.1922), dessen Russlandpolitik, die am 16. April 1922 zum Sondervertrag von Rapallo mit der Sowjetunion führte, ihn in den Augen der Nationalisten zum "Bolschewikenknecht" stempelte.

    Dabei hatte gerade dieser Vertrag Deutschland aus der erdrückenden Isolierung geführt und mit seinem geheimen Zusatz dem wehrpolitisch geknebelten Reich etwas Luft verschafft: Als Gegenleistung für die Ausbildung sowjetischer Offiziere wurde Luftwaffen- und Panzerschulung für die Reichswehr in Russland vereinbart.

    Nach Westen gelang vorerst kein vergleichbarer Durchbruch. Im Gegenteil: Das unter den abenteuerlichen Reparationsforderungen leidende Deutschland konnte nicht immer seinen Verpflichtungen nachkommen. Verzögerte Kohlelieferungen nahm im Januar 1923 die französische Regierung zum Anlass, das Ruhrgebiet zu besetzen. Die Reichsregierung antwortete mit passivem Widerstand, die deutsche Wirtschaft geriet in einen Strudel und riss die Währung mit: Von 8,57 Mark 1919 stieg der Dollar bis Mitte 1922 auf 1000 Mark, im Mai 1923 auf eine Million, im November auf vier Milliarden. Der Wert des Arbeitslohns zerfiel schon, während man die Lohntüte nach Hause trug. Massenverelendung und Spekulantentum beherrschten die Szene: die rechte Stimmung für politische Hasardeure.