Geschichte: Klassisches Griechenland

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    Im Jahre 546 fiel das Lyderreich; ein Puffer zwischen Griechenland und Persien war damit verschwunden. Bald danach geriet die kleinasiatische Küste unter Einfluss der Perser, später unter ihre Herrschaft. Die Perser waren das erste indoeuropäische Volk, das ein Weltreich begründete. Ihre Geschichte, die Entwicklung eines Halbnomadenvolks auf der Hochfläche von Iran (um 700) zur bedeutendsten Großmacht der griechischen Antike ist die Geschichte großer Herrscherpersönlichkeiten. Persien trat das Erbe der Meder und Chaldäer an, die ihrerseits im Jahre 612 das Assyrische Reich vernichtet hatten. Der Perserkönig Kyros II. (559-529) machte sich zum Herrn des Mederreichs zwischen Indus und Halys; schließlich bezog er auch das Neubabylonische Reich (539) in sein Herrschaftsgebiet ein.

    Er übernahm den Titel des babylonischen Königs, "Herr der vier Erdteile". Mit der Eroberung des Lyderreichs in Kleinasien war das persische Staatsgebiet bis an die Ägäis vorgeschoben und in Berührung mit den griechischen Kolonien an der Küste getreten. Die Zeit für die große Auseinandersetzung mit der griechischen Welt war gekommen.

    Die Spannung entlud sich im Jahre 500 in einem Aufstand der ionischen Städte Kleinasiens gegen die Perser. Athen unterstützte die Siedler mit Schiffen - der Kriegszustand mit Persien begann. Er sollte fünf Jahrzehnte, bis 449, andauern.

    Unter ihrem König Darius I. wollten die Perser offensiv gegen das griechische Mutterland vorgehen. Sie wurden jedoch 490 bei Marathon geschlagen. Führer der attischen Streitkräfte war Miltiades. Ihn verurteilten die Athener später wegen eines unglücklich verlaufenden Unternehmens gegen die Insel Paros zum Ersatz der Kriegskosten und ließen ihn, da er die geforderte Summe nicht aufbringen konnte, im Schuldgefängnis elend zugrunde gehen.

    In der Führung Athens folgte ihm Themistokles. Er betrieb seit 493 den Ausbau des Hafens Piräus zum Kriegshafen und die Einberufung der bisher wehrdienstfreien Theten als Matrosen. Seine adligen Gegner - sie fürchteten die Gewährung weiterer demokratischer Rechte auch an diese niedrigste Steuerklasse - ließ er durch das Scherbengericht vertreiben, so vor allem seinen berühmten Gegenspieler Aristides.

    Der Perserkönig Xerxes rüstete für einen neuen Feldzug gegen Griechenland. Athen antwortete darauf mit dem Bau einer starken Flotte (seit 482), die aus den Gewinnen des staatlichen Silberbergbaus finanziert wurde. Auf einem Kongress von 481 verbündeten sich die meisten griechischen Staaten zum gemeinsamen Kampf gegen die Perser. Themistokles vereinbarte mit den Ephoren Spartas einen Kriegsplan, der die Kriegsentscheidung zur See suchte, um den angreifenden Persern die Nachschublinien abzuschneiden.

    Dennoch wäre das Jahr 480 beinahe zum Siegesjahr der Perser geworden. Eine Seeschlacht bei Artemision blieb unentschieden; in der berühmten Schlacht bei den Thermopylen deckte der spartanische Feldherr Leonidas unter Aufopferung seiner Truppe (300 Spartaner und 700 Thespier) den Rückzug der griechischen Flotte. Das griechische Bündnis geriet unter dem Eindruck der Niederlage ins Wanken. Doch mit einer List erzwang Themistokles den Seesieg von Salamis und rettete so noch einmal den Beistandspakt. Xerxes musste nach Kleinasien zurückkehren; dort aber hinderten ihn die babylonischen Aufstände gegen die persische Herrschaft an der sofortigen Wiederaufnahme des Feldzuges.

    [[Bild:achi1041_intext.jpg|left|250px] ]Ein Jahr später, 479, schlugen dann die griechischen Verbündeten unter Führung des Spartanerkönigs Pausanias das persische Landheer vernichtend bei Platää in Böotien. Ermutigt durch die Siege, trug die griechische Flotte den Krieg nach Kleinasien und befreite die ionischen Städte (479/78). Damit war der persischen Macht an der Ausgangsbasis ihrer Operationen ein entscheidender Schlag versetzt.

    In dieser Epoche zeichnete sich aber auch schon die wachsende Rivalität zwischen Sparta und Athen ab. Spartanischer und athenischer Adel trieben dabei ein gemeinsames politisches Spiel, dem die führenden Gestalten beider Staaten zum Opfer fielen: Pausanias und Themistokles.

    Die Ephoren Spartas entzogen Pausanias den gegebenen Auftrag und drängten die attischen Bundesgenossen gegen Themistokles vorzugehen. 470 wurde Themistokles tatsächlich durch ein Scherbengericht verbannt. Er hatte den unvermeidlichen Kampf der attischen Demokratie gegen die spartanische Aristokratie um innere Führung und äußere Vorherrschaft in der griechischen Welt vorausgesehen und ihn durch Seerüstung und Stadtbefestigung vorbereiten wollen.

    Sparta hatte seine Eroberungen auf der Peloponnes etwa 550 beendet; es besaß im Peloponnesischen Bund die Führung und hoffte, damit Vormacht in ganz Hellas zu bleiben. Hunderttausende von Staatssklaven und die Feindschaft von Argos bedrohten freilich diese Machtstellung von innen.

    In Athen, das durch seine Flotte zur Führung nicht nur im Handel des 477 gegründeten ersten "Attischen Seebunds" (bestehend aus Athen und den ionischen Städten), sondern auch im Kampf gegen die Perser berufen schien, erwuchs den Spartanern nach und nach eine gefährliche Gegenmacht. Die Spannung blieb latent, solange der attische und der spartanische Adel aus antidemokratischem Interesse heraus gemeinsame Sache machten.


    Repräsentanten solcher Politik waren in Athen Kimon, der Sohn des Miltiades, und Aristides der Gerechte, der Gegner des Themistokles und sein Nachfolger als Organisator des "Attischen Seebundes". Aber Kimons Politik einer Verständigung mit Sparta scheiterte. Ein Hilfskorps gegen den Aufstand der Messenier wurde von den Spartanern in brüskierender Form zurück geschickt. Sparta misstraute der Hilfsbereitschaft Athens, sah in den attischen Truppen eine Art Fünfter Kolonne, die nur gesandt war, um demokratische Bewegungen auf der Peloponnes zu unterstützen oder auszulösen. Im Zusammenhang mit diesen Vorgängen wurde Kimon gestürzt und Perikles übernahm im Jahre 461 die Führung in Athen.

    Der harmonische Grundzug im Charakter dieses Politikers übte schon auf die Zeitgenossen eine starke Wirkung aus. Im Gegensatz zur dämonischen Persönlichkeit des Themistokles sahen sie ihn als "Olympier", der ein Höchstmaß an menschlicher Reife und Vollendung verwirklicht. Der Geschichtsschreiber Plutarch sagte über ihn: "Während all der langen Jahre, da er an der Spitze des Staates stand, war er bei keinem seiner Freunde zu Gast. Er hütete sich vor der ständigen Berührung mit dem Volk, die zum Überdruss führen musste, und zeigte sich ihm nur von Zeit zu Zeit; er vermied es bei jeder Gelegenheit das Wort zu ergreifen oder vor der Menge aufzutreten, sondern gab sich nur für die wichtigsten Geschäfte her, die andern ließ er durch seine Freunde und ihm ergebenen Redner erledigen. Dem Zuschnitt seines Lebens und der Größe seiner Gedanken passte er auch seine Sprache an und stimmte sie wie ein Musikinstrument darauf ein." Dennoch dürfen auch die Fragwürdigkeiten seines Charakters und seiner Politik nicht verschwiegen werden. Die neuere Forschung macht ihm ein Schwanken zwischen "Verführung und Zwang" in der Innenpolitik und diktatorische Haltung gegenüber den Bündnispartnern zum Vorwurf und zweifelt an der Richtigkeit seiner Kriegspolitik.


    Perikles begann mit einer weitausgreifenden Kriegspolitik mit doppelter Frontstellung gegen Sparta und Persien. Aber schwere Rückschläge - so vor allem der unglückliche Ausgang eines Eroberungszuges nach Ägypten im Jahre 454 - veranlassten ihn zum Einlenken. Einen Seesieg bei Zypern (Salamis) über die persische Flotte (450) benutzte er, um 449 mit Persien Frieden zu schließen (so genannter "Kallias-Frieden"). Der Perserkönig erkennt die Autonomie der kleinasiatischen Griechenstädte an, Athen verzichtet auf weitere Unterstützung revolutionärer Erhebungen im persischen Machtbereich. 446/45 schloss er auch mit Sparta einen dreißigjährigen Frieden, mit dem die Anerkennung des asiatischen Reiches durch Sparta einerseits und der Hegemoniestellung Spartas auf der Peloponnes durch Athen andererseits gesichert sein sollte.

    Die Beruhigung nach außen benutzte Perikles zur Festigung seiner Stellung im Innern. Im Jahre 443 setzte er die Verbannung des Führers der Adelsopposition, Thukydides, durch und ließ sich zum Strategen wählen - ein Amt, das alljährlich bestätigt wurde. So konnte Perikles bis zu seinem Tode (429) allein die Linien der attischen Politik bestimmen. Aber schon Ende der dreißiger Jahre kam es zum Wiedererstarken der Adelsopposition. Zwar wagte sie sich noch nicht an ihn selbst heran, da er die Gunst der Volksmenge besaß, doch gelangen ihr erfolgreiche Prozesse gegen Vertrauenspersonen seines engeren Kreises, gegen den Sophisten Anaxagoras wegen angeblicher Gottlosigkeit und gegen Phidias. 429 fiel Perikles einer Pestepidemie zum Opfer. Kurz zuvor war er von der Volksversammlung in den Verwirrungen der Pestzeit geächtet, dann aber rehabilitiert und neu gewählt worden.

    Die Innenpolitik des großen Staatsmannes führte zur höchsten Entfaltung der attischen Kultur. Das rasche Anwachsen der Bevölkerung und die damit verbundene Arbeitslosigkeit in Friedensjahren legte den Gedanken nahe, den Handwerkern durch große Bauvorhaben des Staates Arbeit zu verschaffen. Bildhauer, Maler, Gold- und Kupferschmiede, Kaufleute und Wagenbauer fanden lohnende Beschäftigung. Die Akropolis verwandelte sich aus einer Festung in einen festlichen Tempelbezirk. Den Eingang bildete das neue Tor der Propyläen; der Parthenon, das Heiligtum der Stadtgöttin Pallas Athene, wurde errichtet, ebenso das Erechtheion und der Niketempel. Der berühmte Bildhauer Phidias schuf das Wahrzeichen Athens, ein Riesenstandbild der Athene. In der Philosophie entsteht ab Mitte des 5 Jahrhunderts eine neue Richtung. Im Gegensatz zur ionischen Naturphilosophie gehen die Sophisten (z.B. Gorgias, Antiphon und Kritias) von den Erscheinungen der Dinge aus und betonen die Relativität der menschlichen Erkenntnis. Protagoras, der Bedeutendste von ihnen, lehrte, dass der Mensch das Maß aller Dinge sei, und dass es keine absolute Wahrheit gebe. Die meisten Sophisten waren berufsmäßige Wanderlehrer, die ihren Schülern Unterricht in Rhetorik, in der Kunst des Streitgesprächs (Eristik) und des Beweises (Dialektik) erteilten und sie somit auf die politisch-sozialen Anforderungen in der Volksversammlung vorbereiten.


    Gegen den ethischen Nihilismus der Sophisten traten Sokrates und später sein Schüler Plato auf. Sokrates versucht mit seiner "induktiven Methode" zu einer begrifflichen Bestimmung des Wesens der Tugend zu gelangen - als Grundlage für einsichtiges Denken und Handeln der Menschen. Platos historische Bedeutung liegt in seinen politisch-programmatischen Werken, in denen er als Haupttugenden im Staate Weisheit, Tapferkeit, Besonnenheit und Gerechtigkeit nennt. Begründer der Geschichtsschreibung wird Herodot ("Histories apodexis"), und wenig später schreibt Thukydides die Geschichte des Peloponnesischen Krieges.

    Die großen Gestalter der aus dem Dionysoskult erwachsenen Tragödie waren Äschylus, Sophokles und Euripides, Hauptvertreter der so genannten Alten Komödie ist Aristophanes ("Die Wolken", "Die Frösche"). Schließlich entlud sich die schwelende Rivalität zwischen Athen und Sparta in neuen Kämpfen. Der Peloponnesische Krieg entzündete sich im Jahre 431, als Sparta die mit Athen rivalisierende Handelsstadt Korinth unterstützte. Peloponnesischer und Attischer Bund, Land- und Seemacht traten zum Ringen um die Vorherrschaft an. Im Jahre 401 endete der Kampf mit der Kapitulation Athens: Es muss die Festung Piräus schleifen, ebenso die Langen Mauern zwischen der Stadt und dem Hafen, und wird zur Anerkennung der Hegemonie Spartas und zur Einführung der Oligarchie gezwungen (Herrschaft der "Dreißig Tyrannen").

    Der Krieg, von beiden Seiten grausam geführt, zerstörte Griechenlands Wohlstand, vernichtete seine kulturelle Blüte, zerrüttete den Gemeinsinn und die öffentliche Moral. Die verhängnisvolle Vabanque-Politik eines Alkibiades, seine missglückte sizilische Expedition (415-413) und sein Verrat an der Heimat durch den Übertritt ins spartanische Lager sind dafür ein beredtes Beispiel.