Geschichte: Die Zeit des Glanzes

    Aus WISSEN-digital.de


    Mit der Verfolgung der Hyksos bis nach Vorderasien traten die Ägypter aus ihrem traditionellen Siedlungsgebiet, dem engen Niltal heraus. Im folgenden Jahrhundert erweiterten die Pharaonen der 18. Dynastie ihre Herrschaft im Süden bis zum 4. Katarakt, sie unterwarfen im Norden Palästina und Syrien und stießen bis zum Oberlauf des Euphrat vor. Eine Zeit unvorstellbaren Glanzes brach an. Ägypten stand an der Spitze der Völker der damaligen Welt, empfing die Goldlieferungen Nubiens, die Tribute Vorderasiens. Sogar der babylonische Königshof bemühte sich um die Gunst Ägyptens.

    Die Hauptstadt Theben wurde zu einer internationalen Metropole: Die bunten Gesandtschaften der Fremdländer zogen durch die Straßen der Stadt, exotische Tiere und Pflanzen wurden eingeführt, Ausländer stiegen zu höchsten Staatsstellungen empor, Pharaonen heirateten asiatische Prinzessinnen.


    Durch riesige Schenkungen aus der Kriegsbeute und durch prachtvolle Tempelbauten suchten die Pharaonen sich die Gunst Amuns, des thebanischen Reichsgottes, zu sichern. Die einzelnen Tempel, die frei von Abgaben waren, verfügten über ausgedehnte Güter, sie besaßen Ländereien in den eroberten Gebieten, eigene Schiffe und Soldaten. Ihre Priester übten einen mächtigen Einfluss auf die Entscheidungen des Königs, ja sogar auf die Thronfolge aus. Die Priesterschaft begann sich als Staat im Staat zu entwickeln. Da die Armee in gleichem Maße an Bedeutung gewann, hatte der König fortan mit zwei Machtfaktoren zu rechnen: der Armee und der Priesterschaft.

    Kraftvolle, eigenwillige Persönlichkeiten kennzeichnen die 18. Dynastie. In einer Zeit größten Expansionsstrebens gelang es der Königin Hatschepsut (1490-1469), den Thron zu besteigen und eine so vitale Persönlichkeit wie Thutmosis III. (1490-1436) für 20 Jahre zurückzudrängen. Hatschepsut sah ihr Ziel in Werken des Friedens, ihr Nachfolger Thutmosis III. aber wurde zum großen Kriegshelden des Neuen Reiches. In 17 Feldzügen eroberte er Vorderasien und festigte die Herrschaft so, dass sie für 100 Jahre ungefährdet blieb. Doch dann bedrohte von Norden her das junge Volk der Hethiter die vorderasiatischen Besitzungen Ägyptens. Den Thron aber bestieg eine der merkwürdigsten Persönlichkeiten der Weltgeschichte. Erfüllt von einem tiefen Berufungserlebnis, sah Amenophis IV. (1364-1336) nicht die Gefahren, die außenpolitisch dem Reich drohten, sondern bäumte sich auf gegen die übermächtige religiöse Tradition und den wachsenden Einfluss der Priesterschaft. Amenophis IV. unternahm den Versuch, die ägyptische Religion in entscheidendem Maße zu reformieren.

    Das ägyptische Pantheon hatte sich bereits seit den Zeiten des Alten Reichs als sehr vielgestaltig dargestellt. Aus einer großen Zahl von Ortsgöttern, die nur lokal verehrt wurden, wie der ibisköpfige Toth, der Gott des Schreibens und Rechnens, oder der falkenköpfige Month, der Gott des Krieges, stiegen vor allem im Neuen Reich verschiedene Gottheiten zu überregionaler Bedeutung auf: so unter anderem der Sonnengott Re, auf den die Pharaonen ihre Herkunft zurückführten (auch als Amun-Re), und der mumiengestaltige Ptah mit den drei Zeptern, der Schutzherr der Handwerker. Zu den frühesten Staatsgöttern Ägyptens gehören der falkengestaltige (oder auch nur falkenköpfige) Horus, der Sohn des mumiengestaltigen Osiris, des Gottes des Vegetationsrhythmus und Herrschers der Unterwelt, und dessen Gattin Isis, eine Schutzgottheit und Zauberin. Einer der ganz frühen Staatsgötter ist auch Anubis, der schakal- oder hundeköpfige Gott der Nekropolen.

    Das einfache Volk wusste mit diesen Staatsgöttern oft wenig anzufangen, es wandte sich in seinen Gebeten mehr an kleinere Lokalgötter, Geister und Dämonen. Doch mit dem 2. Jahrtausend entwickelte sich der Osiriskult zur Religion des Volkes, das in ihm den Gedanken der Wiederauferstehung und der Gerechtigkeit im Jenseits fand: Osiris, einst göttlicher Herrscher auf Erden, war von seinem Bruder Seth getötet worden. Zu neuem Leben erweckt, wurde er König und Richter in der Unterwelt. Vor Osiris und den übrigen Richtern wurde das Herz des Toten gegen die Maat, die ägyptische Vorstellung von der rechten Ordnung, gewogen. Bestand der Tote diese Prüfung nicht, wurde er von der "Totenfresserin", einem monströsen weiblichen Dämon, verschlungen.

    An die Stelle der verwirrenden Vielfalt der ägyptischen Götterwelt versuchte Amenophis IV. nun den monotheistischen Kult des Aton, der lebensspendenden Sonne, zu setzen. Die Sonnenscheibe, deren Strahlen in segnenden Händen endigten, sollte das allgemeinverständliche Symbol für den neuen Glauben sein, die Verehrung des einen Gottes die Völker ohne Gewalt verbinden.

    Die unnachgiebige Haltung der Priesterkaste führte zum offenen Bruch. Der König ließ alle Tempel des Landes schließen, änderte seinen Namen in Echnaton, "der Aton gefällt", und erbaute die neue Hauptstadt Achet-Aton, "Horizont der Sonnenscheibe".