Geschichte: Das Dritte Reich

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    Am 23. März 1933 verschaffte sich Hitler, gegen die Stimmen nur der SPD, diktatorische Vollmachten durch ein "Ermächtigungsgesetz" (Gesetz zur Behebung der Not von Volk und Reich) - angeblich für vier Jahre. Dass diese Begrenzung lächerlich war bei dem erklärten totalen Machtanspruch des "Führers", wurde in wenigen Monaten klar: Am 1. Mai zerschlug er die Gewerkschaften, im Sommer zwang er eine Partei nach der anderen zur Auflösung, am 14. Juli 1933 existierte durch Gesetz nur noch seine NSDAP.


    Eine Gleichschaltungswelle erfasste die Länder des Reiches, die Verbände, Kirchen, Universitäten, Jugendorganisationen. Jeder Bürger sollte bei der Arbeit und in der Freizeit lückenlos von der Partei kontrolliert, indoktriniert und eingespannt werden, getreu dem NS-Schlagwort "Du bist nichts, Dein Volk ist alles". Allgegenwärtige Propaganda, gesteuert von Hitlers genialem Meinungsmacher, dem Propagandaminister Joseph Goebbels, ließ nur erwünschte Informationen durchdringen. Die Drohung mit Schutzhaft oder KZ (Konzentrationslager) und die Angst vor dem Spitzelnetz der Gestapo (Geheime Staatspolizei) schalteten Kritik und Widerstand weitgehend aus.

    Nur innerparteiliche Opposition regte sich noch. Sie brachte Hitler am 30. Juni 1934 zum Schweigen: Unter dem Vorwand, er müsse einem Putsch seines SA-Chefs Ernst Röhm zuvorkommen, ließ er Röhm und zahlreiche SA-Führer ermorden, die die Fortsetzung der Revolution gefordert und die SA zum Volksheer hatten aufbauen wollen. Die Reichswehr honorierte die Beseitigung dieses Rivalen durch den willigen Treueid auf den "Führer und Reichskanzler", der nach Hindenburgs Tod im August 1934 endgültig Alleinherrscher geworden war.

    Terror und Zwang aber waren weithin gar nicht nötig, um das Volk von der Richtigkeit der Hitlerschen Politik zu überzeugen. Unstreitige Erfolge sicherten dem Diktator die Gunst der Massen: In wenigen Jahren verschwand die Arbeitslosigkeit fast ganz, die NS-Freizeitorganisation "Kraft durch Freude" (KdF) sorgte daneben für die nötigen Spiele, außenpolitische Gewinne hoben das malträtierte Selbstbewusstsein der Deutschen. Die Gäste der Olympischen Spiele 1936 in Berlin erlebten ein Volk, das geschlossen hinter einer dynamischen Führung zu stehen schien.

    Die Angriffe der Emigranten und selbst der rabiate Antisemitismus der Nationalsozialisten verblassten dagegen. Jedenfalls boykottierte kein Staat die Spiele, die französischen Sportler erhoben vor der Ehrentribüne gar den Arm zum "deutschen Gruß". Dabei hatte Hitler kaum ein Jahr zuvor mit den "Nürnberger Gesetzen" (15.9.1935) "zum Schutz des deutschen Blutes und der deutschen Ehre" (Verbot der Ehen mit Juden, Nachweis "arischer Abstammung" für Anstellung im öffentlichen Dienst) klar gezeigt, wie ernst seine so abstruse Weltanschauung doch zu nehmen war.

    Schon am 1. April 1933 hatte eine Boykottaktion gegen jüdische Geschäfte dies angedeutet. Danach hagelte es Berufsverbote für Juden, sorgten "Arierparagraphen" für die schrittweise Verdrängung der Juden aus dem öffentlichen Leben. Hitlers Antisemitismus unterschied sich von traditioneller, keineswegs spezifisch deutscher Judenfeindschaft durch seine biologistische Begründung. Danach konnte keine Taufe und keine noch so intensive Assimilation an das "Wirtsvolk" das "rassemäßig" Jüdische an einem Menschen tilgen. Hitlers Verfolgungen trafen daher unterschiedslos alle, die keinen hinreichenden "Ariernachweis" erbringen konnten.

    Am 9./10. November 1938 kam es zu einem regelrechten Pogrom gegen die jüdischen Bürger: Synagogen wurden von SA-Trupps angesteckt, Juden misshandelt, ihre Geschäfte geplündert und verwüstet. Diese "Reichskristallnacht" ließ ahnen, wozu Hitlers Rassenwahn fähig war. Noch aber musste er den Endkampf verschieben, denn Proteste und Empörung zeigten, dass sein Volk für die äußerste Konsequenz seiner Weltanschauung noch nicht "reif" war.

    Um so eifriger widmete sich Hitler der Lösung der "Raumfrage", für die aber erst einmal die militärische Handlungsfreiheit des Reiches wieder hergestellt werden musste.

    Er konnte bei seinem Kampf gegen die wehrpolitischen Fesseln des Versailler Vertrages auf das schlechte Gewissen der Siegermächte rechnen. So nutzte er französischen Starrsinn schon im Herbst 1933 zum Vorwand für den Austritt aus dem Völkerbund, führte im März 1935 unter wirkungslosem Protest der Westmächte die allgemeine Wehrpflicht wieder ein und betrieb offen die in Versailles untersagte Luftrüstung. Die Rückgabe des Saargebietes nach einer Volksabstimmung im März 1935 war ein weiterer Triumph über Frankreich.

    Gleichzeitig beteuerte er unentwegt seinen Friedenswillen und schloss gar mit Polen im Januar 1934 einen Nichtangriffspakt. Dabei hatte die Welt gerade nach Osten eine aggressive Politik von ihm erwartet. Vielleicht, so hatte vor allem London die Hoffnung, konnte man mit Zugeständnissen den deutschen Diktator "zähmen" - wie es seinerzeit Papen und die Konservativen versucht hatten.

    Erste Frucht dieser britischen Appeasement-Haltung war ein Flottenabkommen im Juni 1935, das Deutschland 35 Prozent der englischen Seestreitkräfte zubilligte, bei den U-Booten gar 100 Prozent: Hitler hatte damit den lang ersehnten Freibrief zur weiteren Demontage des Versailler Systems erhalten.


    Noch 1934 hatte dieses System funktioniert, als ein Nazi-Putsch in Wien den Anschluss Österreichs vorbereiten sollte: Nach der Ermordung des österreichischen Kanzlers Engelbert Dollfuß am 25. Juli ließ Mussolini damals drohend Truppen am Brenner aufziehen. Hitler musste zurückweichen.

    Jetzt aber, Anfang 1936, stand Mussolini wegen seines Überfalls auf das Kaiserreich Abessinien selbst als Aggressor da. Der Völkerbund verhängte Wirtschaftssanktionen, die Hitler zu massiven Kohle- und Stahllieferungen an Italien nutzte und sich so den römischen Diktator verpflichtete. Von Rom war also keine Gefahr mehr zu erwarten, als deutsche Truppen unter Bruch der Locarnoverträge am 7. März 1936 das entmilitarisierte Rheinland besetzten. Wieder blieb es bei Protesten, die Hitler eher ermutigten als bremsten.

    Seine neu geschaffenen Waffen konnte Hitler bald darauf ausprobieren. In Spanien putschte am 17. Juli 1936 General Francisco Franco gegen die Republik. Deutschland und Italien griffen auf seiner Seite in den ausbrechenden Bürgerkrieg ein und verhalfen Franco nach drei Jahren zum Sieg über die von den Sowjets und internationalen Brigaden unterstützte Volksfrontregierung aus Sozialisten und Kommunisten. An Europas Südflanke hatte sich ein weiterer faschistischer Staat etabliert.

    Das deutsch-italienische Verhältnis gestaltete sich nach solcher Waffenbrüderschaft noch inniger. Im November 1937 sprach Mussolini erstmals von der "Achse Berlin-Rom", um die sich die europäische Politik drehe.

    Gefahrlos konnte Hitler nun seine Österreich-Pläne wieder aufnehmen. Mit offener Erpressung erzwang er im Februar 1938 die Hineinnahme von Nationalsozialisten in die österreichische Regierung und wenig später den Rücktritt von Kanzler Kurt von Schuschnigg.

    Die neue NS-Regierung in Wien bat um deutschen Schutz und so konnte Hitler am 14. März 1938 auf dem Wiener Heldenplatz "den Eintritt meiner Heimat in das Deutsche Reich" verkünden. In einem "Blumenkrieg" hatten deutsche Truppen unter dem Jubel der Bevölkerung Österreich "heimgeholt".

    Aus Paris kamen wieder Proteste. London billigte stillschweigend Hitlers Pochen auf das Selbstbestimmungsrecht. Und das lieferte auch den Vorwand zum nächsten Coup: Ultimativ forderte Hitler von der Tschechoslowakei die Herausgabe des deutsch besiedelten Sudetenlandes. Krieg konnte nur vermieden werden, weil die Westmächte am 30. September 1938 auf der Münchener Konferenz vor Hitlers Druck zurückwichen und die Tschechoslowakei zur Erfüllung der deutschen Forderungen zwangen.

    Englands Premier Chamberlain glaubte, mit dieser neuesten Leistung seiner Beschwichtigungspolitik den "Frieden für unsere Zeit" gerettet zu haben. Doch für Hitler war München nur der erneute Beweis für die Handlungsunfähigkeit der "verweichlichten" Demokratien. Im März 1939 war München schon Makulatur: Hitler erzwang die Unterwerfung der "Resttschechei" als "Protektorat Böhmen und Mähren" unter deutschen Schutz.

    Damit war er erstmals über die deutschen Volkstumsgrenzen hinausgegangen. Das weltpolitische Klima schlug um. London beendete demonstrativ die Appeasement-Politik und bot Polen und einigen Balkanstaaten Garantieerklärungen an, denen sich Frankreich anschloss. Als Hitler mit der Kündigung des Flottenabkommens und des deutsch-polnischen Vertrages von 1934 am 28. April 1939 zum Schlag gegen Polen ausholte, riskierte er den großen Krieg.

    Gerüstet dafür war nicht einmal er, viel weniger waren es seine potenziellen Gegner. England besaß außer seiner Flotte eine erst im Aufbau befindliche Luftwaffe und einige kläglich bewaffnete Divisionen. Im riesigen Empire verzettelte die Nation ihre Kräfte, zumal es an allen Ecken, vor allem im Indien des Freiheitskämpfers Mahatma Gandhi, zu gären begann.

    Frankreich war ebenso wenig kriegsbereit. Das galt allerdings eher für die innere Verfassung als für seine Rüstung. Die Dritte Republik zerfleischte sich in Flügelkämpfen und wirkte daher, trotz stärkster Armee Europas, wie gelähmt. Sicherheit schienen allein die gewaltigen Befestigungen der Maginot-Linie längs der deutschen Grenze zu geben. Das daraus resultierende Festungsdenken aber führte zu Immobilität und Mangel an offensiven Konzepten, um den neudeutschen Imperialismus zu bremsen.

    Die Sowjetunion fürchtete zu Recht Hitlers Expansionsdrang am meisten. Sie war mitten im politischen Umbruch und wirtschaftlichen Aufbau. Stalin hatte gerade mit den großen "Säuberungen" seine persönliche Diktatur unter Millionenopfern gefestigt. Dabei ging allerdings auch ein erheblicher Teil gerade der russischen Intelligenz zugrunde, so dass in Wirtschaft und Militär ein katastrophaler Mangel an qualifizierten Führungskräften spürbar wurde. Stalin brauchte Zeit oder überwältigend starke Bundesgenossen, denn in Fernost war mit dem imperialistischen Japan eine weitere ernsthafte Bedrohung entstanden.

    Japan hatte nach Jahrhunderten der Isolation ganz auf die westliche Karte gesetzt. Wirtschaft und Bevölkerung waren sprunghaft gewachsen. Das Hitlersche Schlagwort vom "Volk ohne Raum" passte hier weit besser als im mittleren Europa. Expansion aber stieß überall auf britische oder amerikanische Interessen. Daher blieb nur der Griff nach dem gegenüberliegenden Festland, wo China, von inneren Wirren geschüttelt, den japanischen Appetit anregte.


    1931 hatte Japan bereits die Mandschurei besetzt und zu einem Marionettenkaiserreich gemacht. 1937 setzte es zum Angriff auf das chinesische Kernland an, okkupierte die Küsten und schob sich die Flüsse und Eisenbahnlinien entlang ins Innere vor. Seitdem schwelte dort der Krieg.

    Die USA hatten sich lange, geplagt von der gerade hier ungewöhnlich bitter erlebten Wirtschaftskrise, aus der Weltpolitik fern gehalten. Der etwa gleichzeitig mit Hitler an die Regierung gekommene Präsident Franklin Delano Roosevelt (1933-1945) versuchte, mit seinem Programm des "New Deal" (Neuverteilung) die Schwierigkeiten zu meistern: Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen und staatliche Kredite erzielten auch zunächst Wirkung. 1936 wurde Roosevelt wiedergewählt.

    Bald aber stagnierte der Aufschwung. Der Präsident entdeckte die Außenpolitik wieder, stieß aber auf den massiven Widerstand des im Neutralitätsdenken befangenen Parlaments. Gewiss war der Machtanspruch der faschistischen Staaten willkommener Anlass für ihn, von der inneren Misere abzulenken, doch dürfte seine Sorge um die Demokratien nicht nur Vorwand gewesen sein. In der "Quarantäne-Rede" vom 5. Oktober 1937 warnte Roosevelt vor dem ansteckenden Gift des Faschismus und deutete an, dass er zur Unterstützung Englands und Frankreichs bereit war. Noch aber band ihn das Neutralitätsgesetz.

    Allein also waren Hitlers Gegner alle schwach, nur ihre Koalition würde sie zu tödlicher Bedrohung werden lassen. Was kümmerten den deutschen Diktator in solcher Lage ideologische Vorbehalte? Er suchte die Annäherung an den "bolschewistischen Todfeind" und traf im besorgten Moskau auf offene Ohren. Stalin erkannte wie Hitler die Schwächen der Demokratien, die ihm nicht einmal ein Durchmarschrecht durch Polen für ein Bündnis gegen Deutschland verschaffen konnten. Ein Pakt mit dem erwarteten Feind schien erheblich günstiger: Er verschaffte Luft und ließ es zu, die gegenseitige Zerfleischung der kapitalistischen Staaten abzuwarten. Bei passender Gelegenheit konnte dann Russlands unverbrauchte Kraft den Ausschlag bei der Neuordnung geben.

    Am 23. August 1939 war der deutsch-sowjetische Nichtangriffspakt zum Schrecken der Welt, zum ratlosen Staunen der braunen und der roten "Basis" und zum namenlosen Entsetzen der Polen perfekt. Und er war nicht nur ein Stillhalteabkommen, sondern enthielt auch noch, was die Welt erst später erfuhr, eine aggressive Note gegen die kleinen Staaten zwischen Deutschland und der Sowjetunion: Ein "geheimes Zusatzprotokoll" regelte "für den Fall einer territorial-politischen Umgestaltung" Polens und der baltischen Länder die Abgrenzung der jeweiligen "Interessensphären". Demnach sollten Estland, Lettland, Finnland, Bessarabien und das östliche Polen zur Interessensphäre der Sowjetunion gehören, während das westliche Polen und Litauen der deutschen Interessensphäre zugerechnet wurden.

    Nach kurzen Propagandaschlägen und unannehmbaren Forderungen verkündete Hitler am 1. September die erste Phase seiner "Lebensraum"-Strategie vor dem Reichstag: Krieg gegen Polen. Dass es ein Weltkrieg würde, ahnte nicht einmal sein Verursacher.