Germanistik

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    Die Germanistik ist eine Philologie und untergliedert sich in die Fächer deutsche Literaturwissenschaft und deutsche Sprachwissenschaft. Sie untersucht die Herkunft, Entwicklung und Charakteristik der deutschen Sprache und Literatur. Die deutsche Literaturwissenschaft beschäftigt sich unter anderem mit Fragen der Gattungstheorie, der Einteilung der Literaturgeschichte in Epochen, der Textedition und der Rezeptionsgeschichte von Literatur. Wichtig ist auch die Reflexion über die Methoden der Textanalyse. Die deutsche Sprachwissenschaft beschäftigt sich unter anderem mit der Grammatik, der Stilistik und der Geschichte der deutschen Sprache.

    Geschichte

    Bis zum 17. Jh. war die deutsche Sprache und Literatur kein Untersuchungsgegenstand der wissenschaftlichen Forschung an den Universitäten. Wissenschaftssprache war Latein, das in Vorlesungen und für die meisten wissenschaftlichen Abhandlungen verwendet wurde. Erst die Arbeiten des Philosophen Christian Wolff bewirkten die Anerkennung des Deutschen als Sprache für wissenschaftliche Abhandlungen. Im 18. Jh. waren besonders die Arbeiten des Grammatikers Gottsched Auslöser für die Erforschung der deutschen Sprache. Für die Literaturtheorie gaben die Schriften Herders entscheidende Impulse. In der deutschen Klassik gewann die Philologie der antiken Sprachen noch einmal großen Einfluss, aber die Romantik löste eine intensive Beschäftigung mit der deutschen Sprache und Literatur aus. Hier sind besonders die Arbeiten der Brüder Jakob Grimm und Wilhelm Grimm zu nennen. Karl Lachmann war von entscheidender Bedeutung für die wissenschaftliche Beschäftigung mit der mittelalterlichen Literatur. In der zweiten Hälfte des 19. Jh.s etablierte sich die Germanistik als wissenschaftliche Disziplin an den Universitäten. Bis in das 20. Jh. hinein bildet die Auseinandersetzung mit der deutschen Klassik, insbesondere mit Goethe, den Schwerpunkt der neu etablierten Wissenschaft. Wilhelm Scherers berühmte Literaturgeschichte von 1883 endet mit dem Tod Goethes. Wichtige wissenschaftliche Fachausdrücke und Gattungsbestimmungen werden vor allem aus der Goethezeit gewonnen.

    In der ersten Hälfte des 20. Jh.s wird die Germanistik von zwei großen Forschungsrichtungen bestimmt. Die positivistische Literaturwissenschaft versuchte, mit naturwissenschaftlichen Methoden zu arbeiten. Sie wurde maßgeblich vom Positivismus beeinflusst. Ziel der positivistischen Literaturwissenschaft war es vor allem gesicherte Daten zu sammeln und auszuwerten. Die von Dilthey begründete hermeneutische Literaturwissenschaft beschäftigt sich vor allem mit der Textinterpretation. Dilthey prägte das begriffliche Gegensatzpaar "erklären" und "verstehen", wodurch er den Unterschied zwischen der naturwissenschaftlichen Vorgehensweise ("erklären"), die seiner Meinung nach ein Kunstwerk nicht angemessen erfassen kann, und der hermeneutischen Methode ("verstehen"), die ein kongeniales Hineinversetzen in den Text ermöglichen soll, verdeutlichen wollte. Vorgaben für eine solche Auffassung vom Umgang mit Texten konnte Dilthey bei Schleiermacher finden.

    Während der nationalsozialistischen Herrschaft ließen sich große Teile der deutschen Germanistik von den Herrschern funktionalisieren. In den Nachkriegsjahren erfolgte in der deutschen Germanistik die Aufarbeitung und Reflexion der eigenen Vergangenheit im Dritten Reich eher zögerlich. Für die Literaturtheorie im westlichen Teil Deutschlands war Emil Staigers "Die Kunst der Interpretation" (1955) von zentraler Bedeutung. Staiger führte Gedanken Diltheys weiter und postulierte den Text als ein weitgehend von historischen und denkgeschichtlichen Zusammenhängen unberührtes Kunstwerk, in das sich der Interpret "einzufühlen" habe. Wissenschaftlich überprüfbare Kriterien für die Richtigkeit einer Textanalyse werden somit weitgehend ausgeschaltet. In der DDR bildet sich, zunächst noch stark an den Schriften Georg Lukacs' orientiert, eine marxistische Literaturwissenschaft heraus: Historische Texte werden vor allem als Nachweis für die Geschichtsphilosophie von Karl Marx interpretiert, die zeitgenössische Literatur wird nach ihrer Behandlung gesellschaftlicher Themen und nach dem Gesichtspunkt ihrer politischen Haltung bewertet.

    In der modernen Literaturtheorie sind viele verschiedene methodologische Ansätze vertreten. Einer der wichtigsten dieser neuen Ansätze ist der Strukturalismus, der sich um Vereinheitlichung und Überprüfbarkeit der Methoden der Textanalyse bemüht. Unabhängig vom Strukturalismus hat sich der Poststrukturalismus entwickelt. Wichtigster Vertreter des Poststrukturalismus ist Jaques Derrida, der die Methode der dekonstruktivistischen Textanalyse ausgebildet hat. Eine andere Forschungsrichtung ist die von Hans Robert Jauß und Wolfgang Iser ausgebildete Rezeptionsästhetik, die in ihrer extremsten Variante davon ausgeht, dass der Sinn eines Textes aus der Summe seiner Lesarten entstehe. Damit ist nicht mehr die Textanalyse von Bedeutung, sondern die verschiedenen Rezeptionszeugnisse eines Textes.

    In der deutschen Sprachwissenschaft gibt es zwei wichtige Forschungsrichtungen. Die Valenzgrammatik geht von der entscheidenden Stellung des Verbs im Satz aus. Alle anderen Satzteile sind in Form von so genannten Ergänzungen und Angaben auf das Verb bezogen. Die von Noam Chomsky ausgebildete generative Transformationsgrammatik geht dagegen von einer Tiefenstruktur aus, die dem Satz zu Grunde liegen soll.

    Kalenderblatt - 19. April

    1521 Kaiser Karl V. verhängt über Martin Luther die Reichsacht.
    1941 Bertolt Brechts "Mutter Courage" wird im Schauspielhaus Zürich uraufgeführt. Die von Helene Weigel verkörperte Protagonistin verliert im Dreißigjährigen Krieg alle ihre Kinder. Brecht will mit seinem Stück die Verzahnung von Kapitalismus und Krieg zeigen.
    1977 Zum Entsetzen seiner Fans wechselt Franz Beckenbauer in den amerikanischen Fußballverein Cosmos. Der Dreijahresvertrag ist auf ca. sieben Millionen DM festgesetzt.