Törggelen in Südtirol

    Aus WISSEN-digital.de

    Dass das Südtiroler Törggelen eigentlich nichts zu tun hat mit dem Zustand des "Torkelns", ist nicht unbedingt logisch. Schließlich werden bei dem spätherbstlichen Brauch die neuen Weine der Bauern verkostet, und wer da nicht maßhält, kann durchaus torkelnd nach Hause gehen. Woher der Begriff wirklich stammt, was alles zu einer zünftigen Törggel-Partie dazu gehört und warum organisierte Busreisen vielleicht nicht ganz das Richtige sind, um eine der schönsten Traditionen Südtirols kennen zu lernen - das alles erfahren Sie hier.

    Was ist Törggelen

    Mit "Torkeln" hat das "Törggelen" ursprünglich nichts zu tun - auch wenn es manchmal so scheinen mag. Der aus dem Südtiroler Volksmund hervorgegangene Begriff "Torggl" bezeichnet die hölzerne Traubenpresse, was wiederum vom Lateinischen "torculum" abgeleitet wurde. Der von Mitte Oktober bis Ende November stattfindende Südtiroler Brauch trägt seinen Namen also nach dem früheren Ort seines Geschehens (später wurde die gemütlichere Stube dafür genutzt). Mittlerweile ist die Weinprobe im Herbst, begleitet von einem deftigen Essen, zur unverrückbaren Tradition in vielen Teilen Südtirols geworden.

    Jedes Jahr verwandeln sich zahlreiche Bauernhöfe in so genannte "Buschenschänken". Der "Buschen" bezeichnet eigentlich einen grünen Laubzweig am Eingang des Hofes, der im Mittelalter aufgehängt wurde, wenn den Bauern von ihren Lehnsherren zugestanden worden war, ihren Wein and Kunden und Wanderer auszuschenken. Damit konnte man die "Buschenschänken" von den normalen Gasthäusern unterscheiden. Heute sucht man nach dem grünen Busch meist vergebens, der Name ist allerdings geblieben. Die "Buschenschänken" sind eine preiswerte und ursprüngliche Alternative zum Wirtshaus; man kann sie in der Regel von März bis Anfang Dezember aufsuchen.

    Seinen Beginn hatte der Brauch wahrscheinlich im Eisacktal, einem der Haupttäler Südtirols. Da die Bauern im Tal meist nur Weinberge besaßen und keine Weiden, überlegten sie sich einen Tauschhandel: Sie wollten den Bauern aus den oberen Lagen Südtirols ein paar Kühe mit auf deren Weiden geben, sie sozusagen kostenlos bei ihnen einmieten, und damit die Bauern vom Berg sich wohlwollend zeigten, revanchierten sie sich mit einer ausgiebigen Weinprobe und einigen Leckereien. Einige Tage, bevor man den Bauer von oben erwartete, wurde geschlachtet. Daraus stellte man Surfleisch, Rippelen, Speck und Kaminwurz her. Dazu wurden Kraut und Knödel gereicht. Als Vorspeise bereitete die Bäuerin "Schlutzer", Kasnocken, Spinatknödel und "Gerstsupp". Nach der langen Wanderung war der Bauer vom Berg natürlich auch durstig und so servierte man ihm voller Stolz den "Nuien" (jungen, halb gegorenen Wein), den "Susen" (süßen Traubenmost) und Federweißen. Geröstete Kastanien, "Keschtn" genannt, Bauernkrapfen, Striezeln, Strauben und Tirtlen bildeten den krönenden Abschluss des Mahls. Eingeladen wurden auch alle Arbeiter und Hilfskräfte, die bei der Ernte dabei waren, um ihnen auf diese Weise zu danken.

    Bild oben: Südtiroler Schüttelbrot; Copyright

    Kleines Törgellen-Lexikon

    Damit Sie wissen, was Sie bei der Törggelen-Partie zu sich nehmen, finden Sie hier eine Übersicht über die beliebtesten südtiroler Speisen.

    • Bauernschöpsernes: Braten aus Hammelfleisch.
    • Gerstsupp: Eine Graupensuppe mit Gemüse, Speck und Selchfleisch.
    • Kaminwurz: Eine kaltgeräucherte und luftgetrocknete Rohwurst aus Rind- und Schweinefleisch oder nur aus Schweinefleisch, die ihren Namen der ursprünglichen Art der Räucherung verdankt. Früher wurde die Wurst meist in einer Räucherkammer am Dachstuhl geräuchert.
    • Kasnocken: Kleine Knödel aus Weißbrot, Milch, Eiern und Schnittlauch, die mit Käse überbacken sind.
    • Kniakiachl, auch Tiroler Kiachl, Ziachkiachl, Ziachkrapfen: Bauernkrapfen, das heißt kreisförmiges Hefegebäck gefüllt mit Marmelade oder Mohn.
    • Marende: Brotzeit; eine kleine Zwischenmahlzeit.
    • Schlutzer, auch Schlutzkrapfen: Der Name stammt wahrscheinlich vom in Südtirol umgangssprachlichen Verb "schluzen" ab, was soviel heißt wie rutschen oder gleiten. Die Teigware ist traditionell gefüllt mit Spinat und Topfen (Quark), doch mittlerweile gibt es auch andere Variationen. Darüber kommt Parmesan und braune Butter.
    • Schüttelbrot: Ein aus Roggenmehl, Wasser, Hefe, Salz und Gewürzen bestehendes, knuspriges Fladenbrot. Geschmack und Aussehen variieren von Region zu Region.
    • Striezeln: Gebäck aus Topfenteig, das in heißem Fett gebraten wird.
    • Strauben: Süßes Backwerk, das aus einem flüssigen Teig (bestehend aus Mehl, Butter, Milch, Schnaps und Eiern) hergestellt wird. Mit einem Trichter wird er spiralenförmig in die heiße Pfanne befördert. Traditionell kommt der Strauben mit Puderzucker und Preiselbeermarmelade auf den Tisch.
    • Surfleisch, auch Pökel- oder Salzfleisch genannt.
    • Tirtlen, auch Tirtln, Tirtlan: Aus dem Pustertal stammende Spezialität, die mit Spinat und Topfen, Sauerkraut oder Kartoffeln gefüllt und in heißem Öl gebacken wird. Besonders beliebt im Eisacktal.

    Reise-Tipps

    Wie man definitiv nicht versuchen sollte, das traditionelle Törggelen zu erleben, ist via einer organisierten Busreise. Meist starten die Reiseveranstalter ihre Touren bereits im September und kutschieren dann ihre Gäste in charakterlose Großgaststätten, um ihnen dort schwindelerregend süßen Wein, der höchstwahrscheinlich gar nichts mit dem echten "Nuien" zu tun hat, vorzusetzen und sie zum Schunkeln zu animieren.

    Wer am traditionellen Törggelen teilhaben möchte, begebe sich im farbenfrohen Südtiroler Spätherbst auf eine Wanderung und kehre überall dort ein, wo es nach deftigen Speisen duftet: Weinhöfe, Weinkeller, Buschenschanken und bäuerliche Jausenstationen. Dort röstet mit Sicherheit ein Bauer mit rußschwarzen Händen über dem offenen Feuer die "Keschtn", die sogleich ein tolles Aroma verbreiten, während die Bäuerin Wein, Suppe und Wurst serviert. Das "echte" Törggelen ist nämlich eine gemütliche Sache, kein Groß-Event: Meist treffen sich die Einheimischen auch im kleinen Freundeskreis. Die traditionelle Weinverkostung findet erst um Martini, den 11. November, statt. Dazu gibt es eine deftige "Marende" mit Speck, Käse und Schüttelbrot.

    Einige traditionelle Geheimtipps in Sachen Törggel-Lokale:

    Eisacktal

    Die Wiege des Törggelen ist noch immer der Spitzenreiter des gemütlichen Herbstbrauchs. Besonders in den höher gelegenen Dörfern wie Feldthurns, Villanders, Lajen und Barbian gibt es eine Menge zu erleben.

    • Hubenbauer, Vahrn

    Romantische Stimmung kommt bereits seit 1614 im steinernen Keller oder auf der weinumrankten Terrasse des Hubenbauer Hofs auf. Die angebotenen Leckereien sind allesamt von Familie Stolz selbst hergestellt, weshalb der Hof zu den beliebtesten Törggelen-Zielen gehört.

    • Moar zu Viersch, Feldthurns

    Am Eisacktaler Kerschtnweg gelegen, ist dies ein urtypischer Hof. Nach einer Wanderung auf dem Eisacktaler Themenweg kehrt der durstige Törggeler dort ein, um eigens angebauten und hergestellten Wein zu genießen.

    Süden Südtirols

    Das beinahe mediterrane Flair ist trügerisch: Auch hier befindet sich eine Törggelen-Hochburg.

    • Föhrner Hof, Bozen

    Nach der etwa 40-minütigen Wanderung von Bozen auf dem Ochsenweg kann man sich auf einige kulinarische Leckerbissen freuen: Terlaner Spargelsuppe, Leberknödel, Kaminwurzen und Kalbskopf sind nur einige davon.

    • Haidgerberhof, Ritten

    Obwohl man hier auf den selbst produzierten Wein verzichten muss, lohnt sich eine Wanderung auf den Hausberg von Bozen: Köstlicher Holunder-, Himbeer-, Johannisbeer- und Apfelsaft löschen den Durst, selbst gebackenes Bauernbrot, Bauernschöpsernes, Knödel und Kniakiachln stellen den knurrenden Magen wieder zufrieden.

    Meran und Umgebung

    Das Zusammenspiel der Natur rund um die Kurstadt Meran hat schon so manchen Törggeler begeistert: Hoch oben die verschneiten Gipfel und unten die sanften Weinberge und Obstwiesen bilden ein außergewöhnliches Gesamtbild.

    • Wirtshaus Thurnerhof, Schenna

    Das Highlight dieses Hofs ist die "Schwarze Küche", eine ehemalige Selchküche, die heute als Stube dient: Die Wände sind noch immer schwarz und auch das eine oder andere Küchenutensil ist noch vorzufinden.

    Kalenderblatt - 23. April

    1980 Im so genannten zweiten Kohle-Strom-Vertrag verpflichten sich die deutschen Stromversorger zur Abnahme der heimischen Steinkohle. Ziel der Vereinbarung ist neben dem Verzicht auf überflüssige Importe die Sicherung von 100 000 Arbeitsplätzen.
    1990 Karl-Marx-Stadt erhält wieder den Namen Chemnitz. Anlass dazu gab eine Bürgerbefragung, bei der 76 % der Einwohner dafür stimmten.
    1998 Internationale Fluggesellschaften dürfen künftig Nordkorea überfliegen.