Sinti und Roma

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    hauptsächlich in Europa lebende Minderheitengruppe mit ca. zwölf Millionen Angehörigen (davon acht Millionen in Europa). Es gibt drei Hauptgruppen: Kale (Gitanos) in Südfrankreich, Spanien, Portugal; Roma im Balkan und in Ungarn; Sinti in Deutschland und Mitteleuropa. Die Bezeichnung "Sinti" geht möglicherweise auf die nordwestindische Region Sindh zurück und ließe dann auf eine indische Herkunft schließen. Die früher übliche Bezeichnung "Zigeuner" wird von den Sinti und Roma als diskriminierend abgelehnt. Die Sinti und Roma leben, z.T. noch heute nomadisierend, als Händler, Schausteller, Musiker u.a. Ihr sozialer Rückhalt ist die sehr stabile Großfamilie.

    1982 erfolgte die Gründung des Interessenverbands "Zentralrat deutscher Sinti und Roma", der sich besonders für die Anerkennung der nationalsozialistischen Verfolgung als Genozid und entsprechende Entschädigungsleistungen seitens der Bundesregierung einsetzt. 1997 wurde das Dokumentations- und Kulturzentrum der Sinti und Roma in Heidelberg offiziell eröffnet.

    Geschichte

    Nach Mitteleuropa kamen die "Zigeuner" um 1400 (1407 in Hildesheim urkundlich festgehalten); bis 1600 rasche Verbreitung in Europa, im 18. Jh. in Nordamerika. Im Heiligen Römischen Reich galten die "Zigeuner" zunächst als Pilger mit kaiserlichem Schutz; ab Mitte des 15. Jh.s Vertreibung aus den Städten, durch die Zünfte Verbot "ehrenhafter Gewerbe" für die "Zigeuner" und dadurch Zwang zu Flickarbeiten, Musizieren, Gaukeleien u.Ä. Auf dem Reichstag Ende des 15. Jh.s wurden die "Zigeuner" für vogelfrei erklärt. Zustrom der "Zigeuner" in die Großstädte und Reduzierung der Wanderungen ab 1907, da Gewerbescheinvergabe an festen Wohnsitz gebunden wurde.

    In der NS-Zeit Verfolgung der "Zigeuner"; 1938 Zigeuner-Grund-Erlass; 1939 Unterbringung in Sammellagern; 1940 Deportation nach Polen und 1942 in das KZ Auschwitz-Birkenau; während der Deportationen und Massenvernichtungen der "Zigeuner" wurden an ihnen medizinische Versuche unternommen (Amputationen, Gehirneingriffe u.a.); rund 500 000 "Zigeuner" sind in deutschen KZ ermordet worden, dadurch Zerstörung der traditionellen Strukturen.

    Entschädigungen für das Unrecht in der NS-Zeit wurden nur geringfügig gezahlt, da Antragsfristen versäumt wurden und die "Zigeuner" durch Urteil des Bundesgerichtshofs von 1956 (1963 aufgehoben) erst ab 1.3.1943 als rassisch Verfolgte gelten. Lange kämpften die Überlebenden oft vergeblich um Anerkennung als Opfer der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft. Noch in den 1970er Jahren arbeiteten deutsche Behörden mit Unterlagen des nationalsozialistischen Instituts für Rassenhygiene, die Münchener "Landfahrerzentrale" und andere Polizeidienststellen stützten sich z.T. auf Akten der "Reichszentrale zur Bekämpfung des Zigeuner-Unwesens". Der Völkermord an den Sinti und Roma wurde erst 1982 durch den damaligen Bundeskanzler Schmidt offiziell anerkannt. Erst in den 1990er Jahren kam es zur Einweihung einiger Mahnmale zur Erinnerung an die von den Nationalsozialisten ermordeten Sinti und Roma. 1997 wurde unter der Beteiligung des Bundespräsidenten Roman Herzog ein Dokumentations- und Kulturzentrum der Sinti und Roma in Deutschland eröffnet, das sich dem Gedenken an die nationalsozialistischen Verfolgungen widmet.

    Die Lebensweise der Sinti und Roma wurde und wird nicht nur durch nationalsozialistische Verfolgung und die fortgeführte Diskriminierung gefährdet. Mit der industriellen Entwicklung und der Entwicklung zur Dienstleistungsgesellschaft ging die Marginalisierung der Sinti und Roma weiter. 1969 forderte der Europarat die Abschaffung der Diskriminierung der "Zigeuner" und ihre soziale Integration.

    Die Frage der sozialen Stellung der Sinti und Roma war während der EU-Erweiterungsverhandlungen umstritten; vor allem in der Slowakischen Republik, aber auch in Tschechien und Ungarn lebt eine große Minderheit von Sinti und Roma, oftmals unter ärmlichsten Bedingungen. Offene und unterschwellige Diskriminierung ist an der Tagesordnung. Die EU forderte eine bessere Integration und Förderung der Sinti und Roma als Bedingung für den Beitritt.