Vietnam Geschichte

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    Vor- und Frühgeschichte

    Etwa ab dem 4. Jh. v.Chr. drangen Angehörige der ursprünglich aus Südchina kommenden Viet-Völker auf das Gebiet des heutigen Vietnam vor. Im Delta des Roten Flusses wurde um 208 v.Chr. das Königreich Nam-Viêt gegründet ("Land im Süden"). Im 2. Jh. v.Chr. eroberten die Truppen des chinesischen Kaisers das Gebiet und übernahmen die Herrschaft über das Reich der Viet, das nun als Provinz Annan ("befriedeter Süden") zum Reich der Mitte gehörte. Infolgedessen wurden die chinesische Kultur, Verwaltung und Religion (Buddhismus) verbreitet und prägten das Land. Aufstände der Bevölkerung gegen die chinesische Oberherrschaft wurden niedergeschlagen, die Führungsschicht des Landes durch chinesische Staatsbeamte ersetzt.

    10. bis 16. Jahrhundert

    Die chinesische Herrschaft endete im 10. Jh. n.Chr., als es Ngô Quyen gelang, die kaiserlichen Truppen aus dem Land zu vertreiben. Er begründete das Reich Dai Viêt, das zunächst nur den Norden des heutigen Vietnam umfasste. Im Süden herrschte das Reich Champa seit dem 2. Jh. n.Chr. Das Reich Dai Viêt orientierte sich vom Aufbau her am chinesischen Kaiserreich: Ein gut strukturierter Verwaltungsapparat und ein absoluter, durch den Buddhismus legitimierter Kaiser lenkten das zentralistische Reich, dessen Hauptstadt Thang-long war, das heutige Hanoi.

    Im 11. Jh. gelang eine Ausdehnung des Gebietes nach Süden, die dort herrschenden Cham wurden zurückgedrängt. Im 14. Jh. wurde Dai Viêt vorübergehend erneut von chinesischen Truppen der nun herrschenden Ming-Dynastie besetzt, diese konnten jedoch unter Führung des Partisanen Le-loi schon nach kurzer Zeit wieder vertrieben werden. Le-loi begründete die Le-Dynastie, die offiziell bis 1788 herrschte. Allmählich verlor der Kaiser an Macht gegenüber einem neu entstandenen Adel: Viele wichtigen Posten wurden von Mitgliedern einflussreicher Familien besetzt, die miteinander konkurrierten. Im 16. Jahrhundert dominierten vor allem zwei Adelsfamilien das politische Geschehen im Reich: Nach der Entmachtung des Kaisers herrschte im Norden die Familie Trinh von Thang-long aus, im Süden die Nguyen von Huë aus. Sie bekämpften sich gegenseitig und versuchten, ihre Reiche auch in Richtung Westen (heute Laos und Kambodscha) weiter auszudehnen. Diese Zweiteilung des Landes führte zu unterschiedlichen Entwicklungen der Landesteile: Während sich im Norden ein starkes und freies Bauerntum entwickeln konnte, blieben im Süden die feudalistischen Strukturen weitgehend unverändert.

    Kolonisierung durch Frankreich

    In der ersten Hälfte des 17. Jh.s kamen die ersten Europäer nach Dai Viêt, überwiegend Spanier, Niederländer und Franzosen, die vor allem die Nguyen-Familie u.a. mit Waffen belieferten. Nach dem Tay-Son-Aufstand, der 1772 im Süden Vietnam ausbrach, wurde das geteilte Land unter Führung von Nguyen Anh und mit Hilfe französischer Truppen wiedervereinigt. Die Hauptstadt des 1804 in Viêt Nam umbenannten Reiches wurde Huë. In den folgenden Jahrzehnten nahm der Einfluss Frankreichs in Vietnam rasch zu, zwischen 1862 und 1885 besetzten französische Truppen allmählich das Land und erklärten Kotschinchina, Annam und Tonkin zu französischen Protektoraten. 1887 wurden die drei Gebiete gemeinsam mit Kambodscha zur "Union Indochina" zusammengeschlossen, 1893 wurde auch Laos mitangegliedert. Offiziell blieben die Nguyen-Herrscher an der Macht, de facto wurden sie aber von Frankreich aus gelenkt.

    Unter der französischen Herrschaft wurde die Landwirtschaft Vietnams modernisiert, es entstanden große Plantagen (Kaffee, Tee, Kautschuk), die für den Export arbeiteten. Auch Rohstoffe wurden gefördert und exportiert. Nutznießer des regen Handels waren neben den Franzosen in Vietnam selbst nur die Mitglieder einer kleinen Oberschicht. Demgegenüber lebte der Großteil des vietnamesischen Volkes in großer Armut. Während Reis-Rekordernten die Exporterlöse steigerten, litten die Vietnamesen Hunger. Immer wieder führte dies zu Aufständen gegen die französische Kolonialmacht, die aber von den französischen Truppen - oft blutig - niedergeschlagen wurden. Der Yen-Bai-Aufstand von 1930 wurde maßgeblich von der vier Jahre zuvor gegründeten Vietnamesischen Nationalpartei getragen. Im gleichen Jahr gründete Ho Chi Minh (1890-1969) die Kommunistische Partei Vietnams, die sich mit den gleichgesinnten Bewegungen in Laos und Kambodscha zur Kommunistischen Partei Indochinas zusammenschloss. Ho Chi Minh (geboren als Nyuyen That Thanh) hatte jahrelang in Frankreich gelebt und gehörte dort zu den Gründern der KP Frankreichs.

    Der Weg in die Unabhängigkeit

    1940 unterlag Frankreich im Rahmen des Zweiten Weltkriegs dem Deutschen Reich. Vietnam wurde im Mai 1941 von japanischen Truppen besetzt, die infolgedessen fast ganz Südostasien einnahmen. Im gleichen Jahr gründete die Kommunistische Partei Indochinas gemeinsam mit vietnamesischen Nationalisten die "Liga für die Unabhängigkeit Vietnams" (Viet Minh), die unter der Führung von Ho Chi Minh stand. Nach der japanischen Kapitulation im August 1945 proklamierte er die Demokratische Republik Vietnam, dessen erster Präsident er selbst wurde. Frankreich entsandte daraufhin Truppen in das Land. Die französische Staatsführung erklärte sich bereit, die Unabhängigkeit Vietnams im Rahmen der Indochinesischen Föderation und der Französischen Union anzuerkennen, doch sollten weiterhin französische Truppen im Land verbleiben. Nach mehreren Zwischenfällen zwischen der Vietnamesischen Volksarmee und französischen Truppen brach im November 1946 der so genannte Indochina-Krieg aus, der bis 1954 andauern sollte. Im Verlauf des Kriegs wurde die Demokratische Volksrepublik Vietnam unter der Führung von Ho Chi Minh von der Sowjetunion und ab 1949 auch von China unterstützt, während die von Frankreich in Saigon eingesetzte "Provisorische Zentralregierung Vietnams" mit dem ehemaligen Kaiser Bao Dai an der Spitze von Großbritannien und den USA als rechtmäßig anerkannt wurde. Die breite Masse des vietnamesischen Volkes stand im Indochina-Krieg auf der Seite der kommunistischen Viet Minh. Der Konflikt endete mit der Niederlage Frankreichs bei Diên Biên Phu im Mai 1954, die französischen Truppen zogen sich aus Nordvietnam zurück. Bald darauf gab Frankreich seine Stellung als Kolonialmacht in Indochina auf.

    Teilung und Vietnamkrieg

    Das Genfer Indochina-Abkommen von 1954 trug der Lage in Vietnam Rechnung und schrieb zunächst eine provisorische Teilung des Landes entlang des 17. Breitengrades fest. Im Norden entstand die Demokratische Republik unter Führung von Ho Chi Minh mit Hanoi als Hauptstadt, der südliche Teil des Landes mit der Hauptstadt Saigon wurde ein Königreich unter dem ehemaligen Kaiser Bao Dai. Für 1956 wurden Wahlen avisiert mit dem Ziel einer Wiedervereinigung der Landesteile.

    Doch die beiden Teile Vietnams entwickelten sich vollkommen unterschiedlich: In Südvietnam errichtete der neue Staatschef Ngô Dinh Diêm, der den ehemaligen Kaiser Bao Dai noch 1955 gestürzt hatte, die antikommunistische Republik Vietnam, die von Seite der USA massive Wirtschaftshilfe erhielt. Gleichzeitig festigte Ho Chi Minh seine Position in Nordvietnam und trieb mit Unterstützung der kommunistischen Sowjetunion und der Volksrepublik China die Industrialisierung des Landes voran. Als sich der südvietnamesische Staatschef 1956 weigerte, die vereinbarten Wahlen zur Wiedervereinigung des Landes abzuhalten und allmählich einen diktatorischen Führungsstil entwickelte, begann eine verstärkte Untergrundtätigkeit verschiedener Widerstandsgruppen in Südvietnam, die sich 1960 zur Nationalen Befreiungsfront (Front National de Libération du Vietnam-Sud/FNL, gemäß der Führungsrolle der Kommunisten Viet Cong genannt) zusammenschlossen. Bis 1964 kontrollierten die Verbände der Viet Cong, die durch Nordvietnam unterstützt wurden, weite Teile Südvietnams.

    Der südvietnamesische Staatschef Ngô Dinh Diêm wurde 1963 vom Militär gestürzt, das die Macht übernahm. Ab 1962 entsendeten die USA über 15 000 Militärberater nach Südvietnam, befürchtet wurde eine kommunistische Machtübernahme. 1964 kam es nach einem angeblichen Angriff auf US-Kriegsschiffe durch Nordvietnam (Tonkin-Zwischenfall) zum offenen Eingreifen der USA in den Vietnam-Konflikt. Insgesamt wurden bis 1969 über eine halbe Million US-Soldaten entsendet, nordvietnamesische Ziele wurden durch die US-Luftwaffe bombardiert. Ziel der Angriffe war auch der so genannte Ho-Chi-Minh-Pfad, ein Nachschubweg der Viet Cong, der teilweise durch Laos und Kambodscha führte. Die USA setzten u.a. chemische Entlaubungsmittel ein, um die Guerillakämpfer in den undurchdringlichen Wäldern aufzuspüren. Ab 1968 begannen unter dem wachsenden Druck der amerikanischen Öffentlichkeit erste Verhandlungen über einen Waffenstillstand zwischen Nord- und Südvietnam bzw. den USA. Im Januar 1973 wurde zwischen den Kriegsparteien ein Waffenstillstandsabkommen beschlossen, das den vollständigen Abzug der US-amerikanischen Truppen und eine gemeinsame Übergangsregierung für Südvietnam und später freie Wahlen vorsah. Im September 1969 war Ho Chi Minh gestorben und die politische Macht in Nordvietnam war in den Händen der so genannten "Vierergruppe" (Pham Van Dong, Vo Nguyen Giap, Truong Chinh, Le Duan).

    Nach dem Abzug der USA aus Südvietnam wurde der Krieg zwischen Nord- und Südvietnam weitergeführt und endete mit der Kapitulation Südvietnams im April 1975. Saigon wurde in Ho-Chi-Minh-Stadt umbenannt. Insgesamt rund 3,3 Millionen Vietnamesen fielen dem Vietnamkrieg zum Opfer, auf amerikanischer Seite verloren knapp 60 000 Soldaten ihr Leben.

    Die Sozialistische Republik Vietnam

    Im Juli 1976 wurden beide Landesteile, in denen große Gebiete verwüstet waren, zur Sozialistischen Republik Vietnam vereint. Im Süden begann die kommunistische Umgestaltung des bestehenden Systems in Form von Verstaatlichungen, Kollektivierung und Umerziehung der Bevölkerung. Hunderttausende flohen im Verlauf der nächsten Jahre in andere südostasiatische Länder ("Boat People").

    Ende 1978 marschierten vietnamesische Truppen in Kambodscha ein und stürzten dort das chinafreundliche Regime der Roten Khmer. Daraufhin drangen chinesische Truppen in Vietnam ein, zogen aber nach zwei Monaten wieder ab. Wiederholt kam es zu Grenzzwischenfällen zwischen beiden Ländern. Anfang der 80er Jahre kam es in Vietnam durch Nahrungsmittelknappheit zu schweren Unruhen unter der Bevölkerung. In der zweiten Hälfte der 80er Jahre reduzierte die Sowjetunion ihre finanzielle Unterstützung, worauf die vietnamesische Wirtschaft schwere Einbußen erlitt und sich die Lage der vietnamesischen Bevölkerung weiter verschlechterte. 1989 musste Vietnam seine Truppen aus Kambodscha abziehen, zwei Jahre später unterzeichneten die Führungen beider Länder einen Friedensvertrag.

    Wirtschaftsreformen führten zu einer Reprivatisierung einiger Betriebe. Unter der Führung von Le Duc Anh (Staatspräsident 1992-97) und Vo Van Kiet (Ministerpräsident 1991-97) öffnete sich das Land in Richtung Westen und für ausländische Investoren. Eine neue Verfassung hatte 1992 die Umwandlung der Plan- in eine Marktwirtschaft mit sozialistischer Orientierung festgeschrieben. Daraufhin kam es zu einer Reihe von Handelsverträgen (z.B. mit Japan und Australien), die USA hoben 1994 das seit 1975 bestehende Handelsembargo gegen Vietnam auf (seit 1995 bestehen wieder offizielle diplomatische Beziehungen). Internationale Entwicklungshilfe begann nach Vietnam zu fließen, das Mitte der 90er Jahre zu den ärmsten Ländern der Welt gehörte. 1995 wurde Vietnam auch Mitglied des 1967 gegründeten südostasiatischen Staatenverbundes ASEAN (Association of Southeast Asian Nations, bestehend aus Thailand, Malaysia, Singapur, Indonesien, Philippinen; seit 1984 auch Sultanat Brunei). In der zweiten Hälfte der 1990er Jahre führten die inzwischen durchgeführten Wirtschaftsreformen zu einem Wirtschaftsaufschwung, trotzdem ist das Land noch von Entwicklungshilfe abhängig. 2007 wurde Vietnam als 150. Staat in die Welthandelsorganisation (WTO) aufgenommen.

    1997 vollzog sich in der politischen Führungsspitze Vietnams ein Wechsel, sowohl Staats- als auch Ministerpräsident konnten aus Altersgründen nicht mehr zur Wahl antreten. Neuer Staatspräsident wurde der 60-jährige Tran Duc Luong, neuer Ministerpräsident und damit Regierungschef wurde Phan Van Khai. 2006 änderte sich die Führungsspitze erneut. Neuer Präsident wurde Nguyen Minh Triet; Premierminister wurde Nguyen Tan Dung. Staatspräsident seit Juli 2011 ist Truong Tan Sang.

    Die am 1. Januar 2014 in Kraft getretene Verfassung schreibt unverändert die führende Rolle der Kommunistischen Partei Vietnams (KPV) in Staat und Gesellschaft fest. Legislative, Exekutive und Judikative werden weiterhin von der KPV-Führung kontrolliert. Auch die neue Verfassung gewährt formal die Grundrechte wie Meinungs-, Glaubens-, Versammlungs- und Pressefreiheit. In der Praxis werden diese Rechte aber durch weit gefasste Gesetze und behördliche Vollmachten erheblich eingeschränkt.