Valéry Giscard d'Estaing

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    französischer Politiker; * 2. Februar 1926 in Koblenz

    Staatspräsident de Gaulle berief Valéry Giscard d'Estaing 1959 als Staatsminister ins Finanzministerium, Ministerpräsident Michel Debré machte ihn 1962 zum Kabinettsminister und Leiter des Finanzministeriums. Dieses Amt behielt er auch unter dem nachfolgenden Ministerpräsidenten Pompidou. Die weitgehend erfolgreiche finanzielle Stabilisierungspolitik, die in Frankreich die Preise nach Jahren des unaufhaltsamen Auftriebs bremste, war in erster Linie mit Giscards Namen verbunden. Sein Wirtschaftsprogramm, das eine Rezessionsphase verursachte, war hingegen nicht unumstritten. So wurde er 1965 nach Meinungsverschiedenheiten mit de Gaulle aus seinem Amt entlassen. 1966 gründete Giscard die den Gaullisten hahe stehende Partei FNRI ("Unabhängige Republikaner"), der er bis 1973 vorstand.

    Nach dem Rücktritt de Gaulles 1969, an dem Giscard nicht ganz unbeteiligt war, setzte sich Giscard für Pompidou als dessen Nachfolger ein. Nach der Wahl Pompidous zum Staatspräsidenten übernahm Giscard wieder das Wirtschafts- und Finanzresort. Schließlich wurde er nach dem Tod Pompidous mit knapper Mehrheit (50,8 % zu 49,2 %) am 19. Mai 1974 gegen François Mitterand zum Staatspräsidenten gewählt. "Sie werden von der Schnelligkeit und dem Ausmaß der Reformen überrascht sein", war seine Ankündigung nach der Wahl. Kurz hintereinander wurde das Wahlalter auf 18 herabgesetzt, die Ehegesetze den heutigen Verhältnissen angepasst und die Abtreibungsbestimmungen neu formuliert. Der Gaullist Jacques Chirac war zwei Jahre lang Ministerpräsident, bis er nach Meinungsverschiedenheiten 1976 sein Amt niederlegte. Im Lauf von Giscards Amtszeit wuchsen die Spannungen mit den Gaullisten, auf deren Unterstützung er angewiesen war, weiter an, so dass die Reformen ins Stocken gerieten. Sein Prestige stieg jedoch deutlich, als sich 1977 Risse im linken Bündnis zwischen Sozialisten und Kommunisten zeigten. 1978 gründete der Präsident schließlich die liberal-konservative proeuropäische "Union pour la Démocratie Française" (UDF).

    Wesentlich intensiviert hatte sich in Giscards Amtszeit das Verhältnis zu Deutschland und zu den meisten westlichen Ländern. Sein Berlinbesuch im Oktober 1979 wurde zu einem großen Erfolg, es war der erste Besuch eines französischen Präsidenten in West-Berlin. Zusammen mit dem deutschen Kanzler Helmut Schmidt entwarf er das Europäische Währungssystem, den ersten Schritt zur gemeinsamen Währung, und initiierte die G-7. Die traditionell guten Beziehungen Frankreichs zur UdSSR sorgten dafür, dass Frankreichs Verurteilung des Einmarschs in Afghanistan sehr milde ausfiel, auch stieß der Besuch Giscards in Polen, wo er mit Breschnew zusammentraf und dadurch die Sowjetunion aus der Isolation löste, auf viel Kritik im westlichen Lager. Innenpolitisch trübten anhaltend hohe Arbeitslosigkeit, steigende Inflationsraten und schwindende Einkommen der Bauern die sonst positive Bilanz. Im Mai 1981 verlor Giscard schließlich die Präsidentschaftswahl gegen François Mitterand.

    Von 1989 bis 1993 war Giscard Abgeordneter des Europaparlaments. Er ist derzeit konservativer Abgeordneter in der französischen Nationalversammlung. Von Februar 2002 bis Juli 2003 war er Vorsitzender des Europäischen Konvents; dieser erarbeitete auf Basis der bestehenden Verträge zur Europäischen Gemeinschaft und zur Europäischen Union sowie der Grundrechtecharta der Europäischen Union den Entwurf einer europäischen Verfassung.

    Valéry Giscard d'Estaing erhielt 2003 den Aachener Karlspreis; im gleichen Jahr wurde er in die Académie française aufgenommen. 2006 wurde er zum Ehrenbürger seiner Geburtsstadt Koblenz ernannt.

    Er verfasste unter anderem "Macht und Leben" (1988).