Ständewesen

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    Unter dem Begriff Ständewesen versteht man die gesellschaftliche Stufenordnung des Mittelalters auf der Grundlage des Lehenswesens (Feudalismus) und der Grundherrschaft. Stände im eigentlichen Sinne waren daher zunächst nur die privilegierten Herrschaftsstände Adel und (hohe) Geistlichkeit, im Gegensatz zu den breiten (bäuerlichen) Schichten des Gesamtvolkes. Mit dem Aufblühen der Städte im hohen Mittelalter kam das Bürgertum als "Dritter Stand" hinzu.

    Die drei Stände traten im politischen Bereich als in sich geschlossene Gruppen in der Ständeversammlung auf (Reichsstände, Landstände; Vorläufer des neuzeitlichen Parlaments), wo sie ihre korporativen Rechte und Freiheiten gegen den König oder Landesherrn verfochten (im modernen Verfassungsstaat dagegen Wahrung der Rechte und Freiheiten der einzelnen, im Prinzip gleichberechtigten Staatsbürger). Die Bauern, ehedem als Gemeinfreie mit allen politischen Rechten auf der Volksversammlung (Thing) vertreten, waren nunmehr überwiegend von einem Grundherrn abhängig und nur noch vereinzelt in den Landständen vertreten (die politische Entrechtung war Hauptursache der Bauernkriege).

    Die ständische Gliederung kam nicht nur im Politischen zum Ausdruck: ständisches Denken beherrschte alle Bereiche des Lebens (Prinzip der "Ebenbürtigkeit" bei Heiraten; Prinzip der "Standesgemäßen Nahrung", d.h. Lebenshaltung), sein Grundzug war die stark gefühlsbedingte, von keiner Kritik angefochtene Anerkennung der ständischen Schichtung als einer "gottgegebenen" natürlichen Ordnung, verbunden mit ausgeprägtem korporativem Gemeinschaftssinn (im Gegensatz zum modernen Individualismus) in einer teils "patriarchalisch" (Verhältnis zwischen Grundherr und abhängiger Bauer), teils "genossenschaftlich" geordneten Lebenswelt (städtische Gemeinschaftsform: Gilden, Zünfte).

    Ständekämpfe (Zunftunruhen, Bauernkriege) richteten sich zunächst gegen Machtmissbrauch und Rechtsverletzung. Die Zünfte erstrebten gleichzeitig die Demokratisierung der Verfassung, ihre Zulassung zum Rat und damit Teilnahme am Stadtregiment.

    "Unehrliche" (z.B. die Landfahrer) standen außerhalb der ständischen Ordnung. Abstammung von einem Scharfrichter, Abdecker u.a., auch uneheliche Geburt, galt als Makel (keine Aufnahme in die Zunft). Gegen solche Prinzipien der Ungleichheit durch Geburt, besonders aber gegen den Hochmut und die Pflichtvergessenheit der privilegierten Stände richtete sich die Kritik der Aufklärung an der alten Gesellschaftsordnung, der außer dem Gleichheitsprinzip der Menschenrechte auch das praktische Bedürfnis des Dritten Standes nach politischer Mitbestimmung und wirtschaftlicher Freiheit entgegenstand.

    Die Französische Revolution von 1789 (in Deutschland die Reformgesetzgebung Anfang des 19. Jh.s) ersetzte die ständische Ordnung durch die moderne Gesellschaft gleichberechtigter Staatsbürger, die sich jedoch infolge ihrer unterschiedlichen ökonomischen Situation zu Klassen (Bourgeoisie-Proletariat) formierten: An die Stelle des Übereinander und Miteinander der Stände trat das Gegenüber und Gegeneinander der Klassen (Klassenkampf).

    Bestrebungen, einen modernen (Berufs-)Stände- oder Korporationenstaat (an Stelle des parlamentarischen Parteisystems und der Wahl nach Bezirken) zu schaffen, wurden vorübergehend nur im antidemokratischen Sinne z.B. vom faschistischen Italien und teilweise in Österreich (Dollfuß, Schuschnigg) und in Spanien verwirklicht.