Sowjetunion

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    Einleitung

    (amtlich seit 1922 "Union der Sozialistischen Sowjetrepubliken",

    Abk.: UdSSR;

    russisch: Sojus Sowjetskich Sozialistscheskich Respublik,

    Abk.: SSSR; kyrillisch: CCCP)

    bis 1991 europäisch-asiatischer Staat mit 15 Unionsrepubliken; Hauptstadt war Moskau; mit 22,5 Millionen km² der größte Staat der Welt; 288,6 Millionen Einwohner (1990). Das Parlament der Sowjetunion beschloss am 26. Dezember 1991 offiziell die Auflösung des Staats.

    Geschichte bis 1917

    Ab 1861 im Zusammenhang mit der Aufhebung der Leibeigenschaft durch Alexander II. (23 Millionen Leibeigene wurden frei) sozialrevolutionäre marxistische Bewegung; 1876 Sammlung der Revolutionäre in der Organisation "Erde und Freiheit". 1883 Gründung der sozialdemokratischen Arbeiterbewegung durch Plechanow und Vera Zapilic, roter Kongress 1898; ab 1900 Lenin im Vordergrund, Führer der Extremisten; 1903 2. Kongress der russischen Kommunisten in London (Fernziel: Beseitigung des Kapitalismus und Diktatur des Proletariats, Weltrevolution; Nahziel: Beseitigung des Zarentums, soziale Reformen, demokratische Republik in Russland.) Über der Frage, ob nationale oder internationale Partei, Spaltung in Menschewiki = Minderheitler und Bolschewiki = Mehrheitler unter Lenin, der Arbeiter und Bauern zusammenzuführen suchte). Nach dem russisch-japanischen Krieg 1905 erste russische Revolution (Streiks, Bauernaufstände, Meuterei), Bildung erster Arbeiterräte (Sowjets); Revolution niedergeschlagen.


    Zeit Lenins (1917 bis 1924): Beim Zusammenbruch Russlands 1917 Rückkehr Lenins, Trotzkis und anderer Bolschewistenführer aus der Emigration (Oktoberrevolution). Lenin forderte sofortigen Übergang vom Zarentum zur Diktatur des Proletariats und Weltrevolution, Friedensschluss, Aufteilung der Güter, Abschaffung des Privateigentums, Kapital und Arbeit unter Parteidirektive, Sowjetkontrolle der Industrie, Übernahme der Staatsgewalt durch Sowjets, Bildung des Rats der Volkskommissare unter Vorsitz Lenins; Gründung der Staatspolizei Tscheka (der Staat sollte jedoch nur vorübergehendes Organ der Klassenherrschaft sein); 1918 Beseitigung des Parlaments, Trennung von Kirche und Staat; Hauptstadt wurde Moskau; Friede von Brest-Litowsk; Organisierung des Bundesstaates der Russischen Sozialistischen Föderativen Sowjetrepublik; Bürgerkrieg zwischen "Weiß" und "Rot" und mit den Interventionstruppen (Japan, England, USA, Frankreich, Polen, Tschechoslowakei).

    Die Zeit zwischen den Weltkriegen

    1919 Gründung der Komintern; 1921 siegreicher Abschluss des Interventionskrieges. Wirtschaftliche und staatliche Zerrüttung sollte durch neue ökonomische Politik (NEP, Lockerung der wirtschaftsrevolutionären Maßnahmen) beseitigt werden.1922 erster Durchbruch durch Isolierungsring des Auslands im Vertrag von Rapallo; Organisation der Räterepubliken (Sowjetische Sozialistische Republiken, erster Präsident Kalinin); 1924 Tod Lenins (Petersburg wurde in Leningrad umbenannt). Zeit Stalins (1924 bis 1953): Stalin forderte entgegen Lenin erst Ausbau des bolschewistischen Systems in Russland ("Sozialistisches Vaterland"), dann Weltrevolution; Beseitigung der Opposition (Trotzki); neue Männer unter anderem Molotow, Tomski, Bucharm; Stalin erreichte Anerkennung der UdSSR durch 26 Staaten; Annäherung an China, Indien, Japan, Türkei, Afghanistan, Persien. 1926 Rückversicherungsvertrag mit Deutschland; ab 1928 lösten Fünfjahrespläne NEP ab mit verstärkter Rüstung, Förderung des Außenhandels, Zusammenarbeit mit kapitalistischen Mächten; Nichtangriffspakte; 1933 Kollektivierung der Landwirtschaft beendet. Ab 1933 Verschlechterung der Beziehungen zu Deutschland (Drittes Reich), Annäherung an Westmächte. 1934 Eintritt in den Völkerbund. 1935 Militärpakt mit Frankreich und Tschechoslowakei. Im Innern ständige "Säuberungen", blutige Bekämpfung tatsächlicher oder angeblicher Opposition (Schauprozesse): Stalin Alleinherrscher (Stalinkult); 1936 Jechow Leiter der NKWD (Volkskommissariat des Inneren); "Prozess der Sechzehn" (u.a. Sinowjew und Kamenjew, Mitarbeiter Lenins, hingerichtet); 1937 "Prozess der Siebzehn" (Massenopfer, unter ihnen Radek). Im gleichen Jahr "Prozess der Generale" (Marschall Tuchatschewski und sein Stab und tausende Offiziere hingerichtet); 1938 "Prozess der Einundzwanzig" (Leiter der Geheimpolizei (GPU) Jagoda, Bucharm, Rykow, Rakowski).

    Die Zeit des Zweiten Weltkriegs

    1939 schloss Außenkommissar Molotow den deutsch-sowjetischen Nichtangriffspakt mit Festlegung gegenseitiger Interessenzonen und erreichte 1941 Entspannung im Fernen Osten (sowjetisch-japanischer Neutralitätspakt). 1939 nach Polenfeldzug Aufteilung Polens; wegen des Einfalls in Finnland Ausschluss aus dem Völkerbund; 1940 im 2. Weltkrieg Annexion Litauens, Lettlands, Estlands, Bessarabiens, der Nordbukowina. Dadurch Ende des Zusammenspiels Stalin-Hitler, der 1941 in den Krieg mit Sowjetrussland eintrat. Stalin verkündete "Vaterländischen Krieg" (1941 bis 1945, 2. Weltkrieg). Teilnahme der UdSSR an Konferenzen in Teheran (1943), Jalta (1945) und San Francisco (1945); Eintritt in die Vereinten Nationen; 1945 Krieg gegen Japan.

    Nachkriegszeit und "Kalter Krieg"

    Nach Zusammenbruch Deutschlands Einflussgebiete in Deutschland, Österreich, Polen, auf dem Balkan, in China; 1945 Konferenz von Potsdam; Bildung eines Rates der Außenminister der Großen Fünf und des Alliierten Kontrollrats für das besetzte Deutschland; Beistandspakt mit China; 1945 keine Abrüstung, ab 1946 Abklingen der Allianz mit Westalliierten wegen des zunehmender Imperialismus Sowjetrusslands; Spaltung der Welt in West und Ost: Polen, Tschechoslowakei, Ungarn, Jugoslawien, Albanien, Bulgarien, Rumänien, DDR wurden kommunistische Satellitenstaaten (Volksfront-Politik, "Volksdemokratien"): Kalter Krieg um Berlin (erste Berlinkrise, Blockade 1948/49); Koreakrieg (1950 bis 1953): Nach Stalins Tod (1953) "Neuer Kurs" unter Malenkow (1953 bis 1955); gewisse innenpolitische und wirtschaftspolitische Erleichterungen, Entmachtung der Geheimen Staatspolizei GPU (Ermordung Berijas). Unter Chruschtschow (1953 bis 1964: Erster Sekretär des Zentralkomitees, 1958 bis 1964 auch Ministerpräsident, Vorsitzender des Ministerrats) Aktivierung der Außenpolitik (Politik der "Koexistenz" und des expansiven "Antikolonialismus"), Kampf gegen Titoismus; jedoch im Sinne des Leninismus-Stalinismus weiterhin gewaltige militärische und schwerindustrielle Aufrüstung; Kein Aufgeben der weltrevolutionären Endziele des Bolschewismus; 1956 (XX. Parteitag) Beginn der Entstalinisierung, 1957 Entmachtung der Kremlpolitiker Molotow, Malenkow, Kaganowitsch, Schukow, Bulganin; 1960 Inszenierung der zweiten "Berlinkrise"; Breschnew löste Woroschilow als Vorsitzenden des Obersten Sowjets und Staatsoberhaupt ab; 1961 (XXII. Parteikongress) Ausschluss der stalinistischen "Dogmatisten" Molotow, Malenkow, Kaganowitsch und Woroschilow aus allen Ämtern und Würden. Aufdeckung des Terrors der Stalinzeit; Kampfansage an den albanischen (und chinesischen) Stalinismus. Unter Machtdemonstration gegen das Ausland (Superbombe) Verkündung des neuen Parteiprogramms ("Die heutige Generation des Sowjetmenschen wird noch im Kommunismus leben"). Nach dem Sturz Chruschtschows wurde Breschnew Erster Sekretär der Partei und Kossygin Ministerpräsident. Die Aufrechterhaltung der sowjetischen Vormachtstellung im Ostblock blieb eine Priorität. Als die tschechoslowakische KP unter Führung Dubceks ein eigenes reformkommunistisches Modell entwickelte, kam es zur Besetzung der Tschechoslowakei (Breschnew-Doktrin). Gegenüber den Staaten des Nordatlantikpaktes betrieb die Sowjetunion seit 1963 eine Politik der Entspannung: Moskauer Vertrag mit der Bundesrepublik Deutschland 1970, Berliner Abkommen 1972, Europäische Sicherheitskonferenz 1975, Abrüstungsgespräche. Im Mittelmeerraum und in Südostasien bemühte sich die Sowjetunion, ihren Einflussbereich zu erweitern. Seit 1975: Mitte der siebziger Jahre wurden ökonomische Probleme der Sowjetunion deutlich: Mangelnde Effizienz der Volkswirtschaft durch Bürokratismus führte zur Stagnation der wirtschaftlichen Entwicklung; die Arbeitsproduktivität ging deutlich zurück. Hinzu kamen innenpolitische Probleme, unter anderem durch die so genannte Dissidentenbewegung: Januar 1980 Verbannung des Atomphysikers Andrej Sacharow nach Gorki (Verbannung 1986 von Gorbatschow aufgehoben). Die Außenpolitik der Sowjetunion war um 1975 durch die Befreiung Vietnams und Angolas (mit sowjetischer Hilfe) bestimmt, aber auch durch Einflussverlust in Nahost (1976 Rufkündigung des sowjetisch-ägyptischen Freundschaftsvertrages); 1979 Unterzeichnung von SALT II, jedoch nicht ratifiziert durch US-Senat wegen Einmarsch der Sowjetunion in Afghanistan (Dezember 1979), der zur Vereisung der internationalen Beziehungen der Sowjetunion führte.

    Die Zeit der verstärkten Abrüstungspolitik

    In den achtziger Jahren stand die Abrüstung im Vordergrund sowjetischer Außenpolitik: Ab 1981 Genfer Verhandlungen über Mittelstreckenraketen, 1986 Gipfeltreffen in Reykjavik, 1987 Abschluss und Ratifizierung des INF-Vertrages, ab 1988 Abzug sowjetischer Truppen aus Afghanistan; 1988 begann die Zerstörung von Abschussrampen und Trägersystemen der SS-20. Infolge der politischen Veränderungen in der Sowjetunion unter Gorbatschow normalisierten sich die Beziehungen der Sowjetunion zu China (Mai 1989 Besuch in Peking). 1979 waren in der sowjetischen Nomenklatura alle wichtigen Positionen durch Parteigänger Breschnews besetzt, was sich auch auf dem XXVI. Parteitag der KPdSU (1981) nicht änderte. Nach dem Tod Breschnews (1982) gab es dann schnelle Änderungen im Amt des KPdSU-Generalsekretärs: Es folgte Jurij Andropow, der bereits einzelne Aspekte der Politik Gorbatschows vorwegnahm (Kampagne gegen Korruption), dann Konstantin Tschernenko und ab 1985 Mihail Gorbatschow, der einen vollständigen Wechsel in der Partei- und Staatsführung durchsetzte.

    Gorbatschows "Perestroika"

    Mit Gorbatschow erlebte die Sowjetunion eine innenpolitische Liberalisierung, wirtschaftspolitische Umgestaltung (Perestroika), Offenheit der politischen Strukturen (Glasnost) und eine Demokratisierung des politischen Systems. Im Juni 1988 wurde die Reformpolitik von Gorbatschow durch die XIX. Allunionskonferenz der KPdSU bestätigt. Auf der ZK-Sitzung der KPdSU (September 1988) und im Obersten Sowjet (November 1988) wurden die gesellschaftlichen und Partei-Strukturen reformiert. Im Oktober 1988 übernahm Gorbatschow von Andrej Gromyko (der am 2. Juli 1989 starb) das Amt des Staatsoberhauptes. Seit Ende der achtziger Jahre spitzen sich in der Sowjetunion die Nationalitätenprobleme zu. Seit 1988 zwischen Armenien und Aserbaidschan Streit um die autonome Region Nagorny-Karabach; in den baltischen Republiken Forderungen nach politischer Autonomie; nationalistische Demonstrationen in der Moldauischen SSR, in Georgien, in Usbekistan, Kasachstan u.a. Die unvermindert kritische Wirtschaftslage und die Nationalitätenkonflikte gefährden den Erfolg von Perestroika und Glasnost. Das Einparteiensystem in der Sowjetunion wird seit Beginn der neunziger Jahre allmählich überwunden. Es haben sich verschiedene Bürgerbewegungen; 1990 setzt Gorbatschow im ZK den Verzicht der KPdSU auf das Machtmonopol durch; im Mai 1990 Berufung des Reformers Boris Jelzin zum Vorsitzenden des Obersten Sowjets; auf Grund des Macht- und Prestigeverlustes der KPdSU Massenaustritte aus der Partei (darunter auch Jelzin (1990) und Schewardnadse (1991); im Dezember 1990 Rücktritt des Außenministers Schewardnadse aus "Protest gegen eine nahende Diktatur" Gorbatschows, der zuvor seine Präsidialmacht ausgebaut hatte; im bis zum Dezember 1990 erklärten sich alle 15 Unionsrepubliken als souverän; dadurch Versuch, das endgültige Auseinanderbrechen der Sowjetunion zu verhindern; Gorbatschows Referendum am 17. März 1991 über den Fortbestand der Sowjetunion als "Föderation gleichberechtigter souveräner Republiken"; 1990 Teilnahme an den Zwei-plus-vier-Gesprächen über die Wiedervereinigung der beiden deutschen Staaten; Unterzeichnung des START-Vertrages beim Amerikanisch-Russischen Gipfeltreffen im Juli 1991 in Moskau; 19. August 1991 Putsch konservativer kommunistischer Politiker und Militärs gegen Gorbatschow; Einsetzung eines "Notstandkomitees", Verhängung des Ausnahmezustands und Inhaftierung Gorbatschows in seinem Anwesen auf der Krim; der Putsch scheiterte am 21. August am Widerstand der demokratischen Kräfte unter der Führung Jelzins; 24. August Rücktritt Gorbatschows vom Amt des Generalsekretärs der KPdSU.

    Die GUS-Ära

    8. Dezember 1991: Gründung der GUS (Gemeinschaft Unabhängiger Staaten).