Sechs Monate Protestbewegung in Arabien

    Aus WISSEN-digital.de


    Vor ziemlich genau sechs Monaten, am 17. Dezember 2010, formierte sich in Tunesien eine demokratische Oppositionsbewegung, die inzwischen als Arabischer Frühling fast die gesamte arabische Welt ergriffen hat. Für eine abschließende Betrachtung ist es zwar noch zu früh, einige Konsequenzen sind aber schon heute erkennbar.

    Die sichtbarsten Erfolge können die Tunesier und Ägypter feiern, denen es auf friedlichem Weg gelungen ist, die jahrzehntelange Herrschaft von Zine Ben Ali und Hosni Mubarak zu beenden und die politischen Systeme zu öffnen. Eine freiheitliche, säkulare Demokratie nach westlichem Vorbild ist aber sicher nicht zu erwarten, denn sowohl Tunesien als auch Ägypten werden in öffentlichen Auseinandersetzungen und Diskussionen ihren eigenen, arabischen Weg zur Demokratie finden müssen. In jedem Fall ist die Absetzung zweier langjähriger arabischer Autokraten ein Erfolg der Demokratiebewegung, der Signalwirkung weit über den arabischen Raum hinaus entfaltet: Die Forderung eines vereinten Volkes nach mehr Mitspracherechten kann kein Herrscher auf Dauer ignorieren.

    In Syrien und Libyen versuchen Assad und Gaddafi trotzdem, die offenen Proteste an ihrer Herrschaft auszusitzen und gewaltsam zu unterdrücken. Zumindest im Fall Libyen hat sich der Westen entschlossen, zum Schutz der libyschen Bevölkerung in den Bürgerkrieg einzugreifen, die Lage in Syrien spitzt sich weiter zu. Aber selbst wenn Assad und Gaddafi die Proteststürme in ihren Ländern politisch überleben, durch ihr Vorgehen sind sie in der internationalen Staatengemeinschaft auf lange Sicht geächtet. Auch dies kann bereits als Erfolg des Arabischen Frühlings gelten: Die Unterstützung von Oppositionsgruppen wird nicht mehr automatisch als Eingriff in die Souveränitätsrechte eines Staates gewertet, und die Legitimität einer Regierung bemisst sich ein Stück mehr als zuvor am Umgang mit dem eigenen Volk.

    Ausgehend von innerstaatlichen Veränderungen werden sich auch die politischen Gewichte in der Region verschieben. Je überzeugender Tunesien und Ägypten ihre Demokratisierung durchführen, desto größer wird die diplomatische Unterstützung aus Europa und dem Westen ausfallen, und umso größer wird ihr außenpolitischer Einfluss auf die Region langfristig werden. Im Gegenzug hat aber auch Saudi-Arabien durch seine Niederschlagung der Protestbewegung im kleinen Nachbarstaat Bahrain seine Einflusssphäre abgesteckt, begleitet von auffälligem Schweigen der USA. Saudi-Arabien ist als Ölförderland offensichtlich global zu wichtig, um aufgrund des Eingreifens in Bahrain unter Druck gesetzt zu werden.

    Durch die gesteigerte Aufmerksamkeit des Westens gegenüber der arabischen Welt wird zudem die Türkei eine noch größere Bedeutung als Brückenbauer zwischen christlichem, demokratischem Westen und muslimischer Welt erlangen - vor allem im Dialog mit all jenen arabischen Staaten, die sich bislang dem Druck der demokratischen Opposition noch entgegenstellen. Glaubwürdigkeit erhält die heutige Türkei dabei aus dem Umstand, dass sie einst selbst aus einem Militärputsch hervorgegangen ist und inzwischen den Schritt zur bisher einzigen arabischen Demokratie vollziehen konnte.

    Die Protestbewegungen in der arabischen Welt sind noch lange nicht am Ende angekommen, und doch haben sie bereits jetzt erstaunliche Erfolge vorzuweisen. Solange sich die Forderungen auf politische Inhalte beschränken und die Demokratiebewegung nicht durch religiöse, islamistische Forderungen unterwandert wird, wird der Westen auch weiterhin auf der Seite der Opposition stehen. Wer weiß, wie die Erfolgsbilanz in einem Jahr aussieht.

    Copyright Bild: Orhan Çam/Fotolia.de Das Bild zeigt den Perlenplatz in Bahrains Hauptstadt Manama, den zentralen Ort der bahrainischen Protestkundgebungen.