Palästina

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    ursprünglich Bezeichnung für das Gebiet der Philister. Im griechisch-lateinischen Sprachgebrauch für Heiliges Land der jüdisch-christlichen Tradition, etwa das Gebiet der Staaten Israel und Jordanien (ohne die Wüstenregion im Nordosten und Südosten).

    Palästina erfährt seit Jahrhunderten ein wechselhaftes politisches und ethnografisches Schicksal, sodass keine präzise territorriale Begrenzung möglich ist. Palästina ist religiös-nationaler Bezugspunkt der Juden, aber es gibt auch einen christlichen und islamischen Anspruch auf die heiligen Stätten (insbesondere Jerusalem als Heilige Stadt).

    Die Vorgeschichte Palästinas geht in die Anfänge der Faustkeilkultur zurück. In der Antike war Palästina Teil des südsyrischen Gebiets, dennoch blieben alte Stammesstrukturen bestimmend, so im Süden philistäische Küstenstädte, im Norden phönikische Städte, im Zentrum die Samaritaner, im Innern Galiläa und Judäa. Etwa 445 v.Chr. wurde Jerusalem und Umgebung (ein Teil von Judäa) als halbautonomer Tempelstaat vom Perserkönig konstituiert, 301 fiel es an die Ptolemäer, 198/195 an die Seleukiden, 167 nach einem Bürgerkrieg und Aufstand der Makkabäer wieder unter die Kontrolle Jerusalems; 63 eroberte Pompejus Jerusalem, danach Herodes I. der Große, der Judäa nach Nordosten ausweitete; ab 6 n.Chr. war es unter römischen Prokuratoren.


    Der wachsende Gegensatz zwischen Juden und Nichtjuden führte 66 zum 1. jüdisch-römischen Krieg führte mit dem Ergebnis einer selbstständigen, erweiterten Provinz Judäa. 132-135 wurde unter Bar Kochba der Provinznamens in Syria Palaestina geändert. Im 4. Jahrhundert veränderten sich durch Aufstieg des Christentums die Bevölkerungsmehrheiten. Ab 634 wurde Palästina durch die Araber erobert, so dass Christen und Juden zu Minderheiten wurden; seit 878 war Palästina Teil von Ägypten; 1099 eroberten die Kreuzfahrer Jerusalem; seit 1291 war es unter Mameluckenherrschaft und nach 1517 wurde es Teil des Osmanischen Reiches.

    Seit 1882 begann die osteuropäisch-jüdische Palästinabesiedlung und seit 1897 gibt es die öffentliche Forderung nach einer Heimstätte in Palästina für das jüdische Volk. Seit 1905 wuchs die jüdische Immigration nach Palästina. Nach britischer Eroberung der Region (1917/18) kam eine verstärkte zionistische Aufbauphase durch die Balfour-Deklaration und ein erster Widerstand der arabischen Bevölkerung. 1922 erhielt Großbritannien für Palästina das Völkerbundmandat. Wachsende Spannungen zwischen Arabern und Juden führten 1936-39 zur bürgerkriegsähnlichen Zuspitzung (wegen Forderung nach einem unabhängigen arabischen Staat Palästina). Am 29. November 1947 brachte Großbritannien die Palästinafrage vor die UNO-Vollversammlung: Empfehlung einer Zweiteilung Palästinas bei wirtschaftlicher Einheit und einem internationalen Status Jerusalems; blieb ohne Wirkung. Nach Erlöschen des britischen Mandats für Palästina und dem Abzug britischer Truppen am 15. Mai 1948 kam es zur Ausrufung des Staates Israel, verbunden mit dem Beginn einer bis heute ungelösten Flüchtlingsproblematik und der palästinensischen Befreiungsbewegung (Dachorganisation PLO, "Palestine Liberation Organization").

    1948/49 kam es zum 1. israelisch-arabischen Krieg mit Neuaufteilung der Region (Gebietsausweitung für Israel, Ost-Palästina an Jordanien, Gazastreifen an Ägypten); dadurch vertieften sich die Spannungen in Nahost. Die Palästinafrage wurde internationalisiert (Ost-West-Konflikt, Suezkrise 1956, Energiekrise 1973, terroristische Aktivitäten von Teilen der palästinensischen Befreiungsbewegung in aller Welt).

    Juni 1967 Sechstagekrieg; März 1979 ägyptisch-israelischer Friedensvertrag, der ohne Wirkung blieb. Dezember 1987 begann in den besetzten Gebieten der Aufstand der Palästinenser (Intifada); seit 1988 Deklaration des autonomen Staates Palästina (Hauptstadt Jerusalem) durch die PLO, der bis 1989 von 80 Staaten anerkannt wurde.

    Nachdem Jasir Arafat für die PLO das Existenzrecht Israels akzeptiert hatte, kam es zu Gesprächen der USA mit der PLO (ab 1988) trotz israelischer Proteste. Die UNO hat in verschiedenen Resolutionen zur Palästinafrage Stellung bezogen: 1967 für einen Gewaltverzicht und 1973 für die Anerkennung Israels; 1988/89 trat die UNO-Vollversammlung für eine internationale Friedenskonferenz ein; 1989 forderte die UNO alle Mitgliedsstaaten auf, diplomatisch, wirtschaftlich und kulturell auf Israel einzuwirken (unter anderem durch Boykott), um die israelische Haltung zur Palästinafrage zu verändern. Israel lehnte den Rückzug aus den besetzten Gebieten und Verhandlungen mit der PLO ab.

    Während der Regierung Rabin in Israel kam es zur verstärkten Aufnahme von Verhandlungen und 1994 wurde das Gaza-Jericho-Abkommen unterzeichnet; 1995 Beginn der Umsetzung der palästinensischen Autonomie. 1996 kam es zur offiziellen Aufgabe des Ziels der Vernichtung Israels. Im gleichen Jahr errang die PLO bzw. ihre Kernorganisation Al Fatah bei den Wahlen zum Palästinenserrat in den palästinensischen Autonomiegebieten den Sieg; Jasir Arafat wurde Palästinenserpräsident. Nach der Ermordung Rabins durch einen israelischen Extremisten wurde nach Neuwahlen Benjamin Netanjahu Regierungschef, der die Umsetzung der vereinbarten Beschlüsse immer wieder hinauszögerte. Die Führung der PLO hatte für Mai 1999 die Proklamation des Staates Palästina angekündigt, diese aber mit Rücksicht auf die Parlamentswahlen in Israel ausgesetzt. In der Regierungszeit des israelischen Regierungschefs Barak wurde der Kontakt zwischen Israel und Palästina wieder intensiver, jedoch ohne konkrete Fortschritte.

    Nach dem Besuch des israelischen Konservativen Ariel Scharon auf dem Tempelberg im August 2000 kam es erneut zu blutigen Zusammenstößen zwischen Israelis und Palästinensern, die sich auf palästinensischer Seite zu einer zweiten Intifada (Al-Aksa-Intifada) ausweiteten. Durch die Wahl von Scharon im Januar 2001 zum neuen Regierungschef Israels erlitt der Friedensprozess einen weiteren Rückschlag. Die Gewalt in Israel und den besetzten Gebieten eskalierte erneut. Israel verstärkte die Übergriffe auf das palästinensische Autonomiegebiet, vor allem im Gazastreifen. Diese Übergriffe wurden als Vergeltungs- bzw. Präventivmaßnahmen für palästinensische Granatenangriffe auf israelische Siedlungen und die zunehmenden Selbstmordattentate von Palästinensern gegen Israelis gerechtfertigt. Ab Juli 2001 unternahm Israel gezielte Anschläge auf Einrichtungen von Organisationen wie Hamas und Al Fatah sowie auf mutmaßliche palästinensische Aktivisten und Terroristen. In der Folgezeit wechselten sich Phasen der Gewalt und kurze Phasen der Ruhe miteinander ab. Trotz internationaler Vermittlungsbemühungen ergab sich bis heute keine politische Lösung des Konflikts. Im Juni 2002 begann Israel im Westjordanland mit dem Bau eines mehrere 100 Kilometer langen Schutzzauns, um das Eindringen palästinensischer Terroristen zu verhindern. Der Verlauf des Zaunes verletzt palästinensisches Gebiet.

    Arafats Kabinett trat im September 2002 zurück, nachdem das palästinensische Parlament ein Misstrauensvotum angedroht hatte. Die für Januar 2003 angesetzten Präsidentschaftswahlen wurden von der Autonomiebehörde wieder abgesagt, da in den besetzten palästinensischen Autonomiezonen keine ordnungsgemäße Durchführung von Wahlen möglich sei. Im März 2003 stimmte das palästinensische Parlament der Schaffung eines Ministerpräsidentenamts zu. Arafat ernannte seinen designierten Nachfolger Mahmud Abbas, der vom Parlament im April mit absoluter Mehrheit zum ersten palästinensischen Ministerpräsidenten gewählt wurde. Er trat bereits im September 2003 wieder zurück, unter anderem wegen eines Machtkampfs mit Palästinenserpräsident Arafat. Sein Nachfolger wurde der Ex-Parlamentspräsident und Vertraute Arafats, Ahmed Kurei. Arafat starb im November 2004 in einem Militärkrankenhaus bei Paris.

    Im Mai 2003 stimmte Israel zum ersten Mal in seiner Geschichte einem internationalen Friedensplan ("Road Map") zu, der den Palästinensern einen eigenen, unabhängigen Staat zugesteht. Nach dem von der EU, der UN, Russland und den USA entworfenen Plan sollen Gewalttaten eingestellt und die militärische Präsenz der israelischen Armee im Westjordanland sowie im Gazastreifen verringert werden. Eine Lösung des Flüchtlingsproblems ist allerdings nicht vorgesehen. Der Nahostkonflikt wurde im April 2004 durch Scharons Bekanntgabe seines Rückzugplans, der nur einen teilweisen Rückzug Israels aus den besetzten Gebieten im Westjordanland vorsieht, wieder verschärft. Dies stellt einen Bruch der Vereinbarungen der "Road Map" dar. US-Präsident Bushs Unterstützung für Scharons Plan wurde weltweit stark kritisiert.

    Vergleiche für die aktuelle Entwicklung Nahostkonflikt.