Kommunismus

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    (von lateinisch: communis, "gemeinsam")

    1) die gedankliche Vorstellung von einer Gesellschaft, in der das Privateigentum an Produktionsmitteln (Boden, Maschinen, Rohstoffe) in Gemeineigentum überführt wird. Alle Mitglieder einer solchen Gesellschaft besitzen soziale Gleichwertigkeit.

    2) die Gesamtheit der ökonomischen und politischen Lehren, die das Ziel einer kommunistischen Gesellschaft auf der Grundlage der Theorien von Karl Marx und Friedrich Engels sowie von Wladimir I. Lenin und ihren Nachfolgern verfolgen.

    3) die politischen Systeme, die die marxistisch-leninistischen und alternative kommunistische Lehren in die Praxis umsetzten.

    Begriffsgeschichte

    Im 18. Jh. erschien der Begriff "communiste" in der französischen Rechtssprache und bezeichnete die Teilhaber an ländlichen Gemeineigentum sowie die Mitglieder bäuerlicher Erbengemeinschaften, die ihren Grundbesitz gemeinschaftlich nutzten. Seit 1842 bezeichnet der Begriff "communiste" in Frankreich alle Theorien, die auf die Abschaffung des Privateigentums und auf die Errichtung einer egalitären Gesellschaftsordnung zielen. In Deutschland wurde der Kommunismus zum sozialrevolutionären Programm. Als Initiator gilt der Schneider W. Weitling, der sich auf urchristliche Vorbilder bezog und das von ihm entwickelte Modell eines "gütergemeinschaftlichen Zukunftssystems" mit dem Begriff Kommunismus belegte. M. Heß bemühte sich um eine philosophische Begründung des Kommunismus und interpretierte ihn als logische Folge des deutschen Idealismus. F. Engels schied die volkstümliche Richtung um Weitling von einer philosophischen Richtung, die im Hegelianismus gründet, ab. Die Beschäftigung mit den Verhältnissen in England führte Engels zur Überzeugung, dass der "Kommunismus für Deutschland eine ökonomische Notwendigkeit" sei; die Ökonomie wurde zur Wissenschaft des Kommunismus. K. Marx sah die Aufhebung des Privateigentums als nicht ausreichend an, um die zwischen dem Menschen und dessen Arbeit aufgetretene Entfremdung aufzuheben. Er verstand Kommunismus als Negation des Kapitalismus. In Verbindung mit der ökonomischen Theorie formulierte Marx einen Kommunismusbegriff, der folgende Gesichtspunkte beinhaltet:

    a) Es ergibt sich eine revolutionäre Dynamik, die sich aus den Veränderungen der industriellen Revolution herleitet und als Klassenkampf zwischen Arbeiterschaft ("Proletariat") und Bourgeoisie bezeichnet wird.

    b) Kommunismus steht für die Bewegung in der Geschichte überhaupt.

    c) Kommunismus als eine Theorie zum Verständnis und zur Beschleunigen dieser Bewegung.

    Mit der Zuwendung zum "Bund der Gerechten" (einem Geheimbund von Handwerkern in England, Frankreich und der Schweiz, ab Juni 1847 in "Bund der Kommunisten" umbenannt, 1852 aufgelöst) setzten Marx und Engels ihren Kommunismusbegriff gegenüber anderen Richtungen durch. Der "Bund der Kommunisten" verabschiedete auf seinem zweiten Bundeskongress das von Marx und Engels verfasste Kommunistische Manifest als Programm. Die Anhänger Weitlings wurden aus dem "Bund der Kommunisten" ausgeschlossen.

    In der deutschen Revolution von 1848/49 spielte der Kommunismusbegriff keine große Rolle. Die entstehende Arbeiterbewegung um Ferdinand Lassalle lehnte ihn ebenso ab wie die 1869 gegründet Sozialdemokratische Arbeiterpartei August Bebels und Wilhelm Liebknechts. 1871 charakterisierte Liebknecht unter Berufung auf die Staatsideale des Altertums den Kommunismus als eine "Unterordnung von Sonderinteressen unter die allgemeinen Interessen" - das Eigentum müsse nicht abgeschafft, wohl aber allgemein zugänglich gemacht werden. Marx und Engels, als Exilanten in England den Ereignissen in Deutschland fernstehend, trugen den Gegebenheiten insofern Rechnung, als sie ihre Theorie zum "wissenschaftlichen Sozialismus" erklärten. Gleichzeitig bezeichneten sie die Kommunisten als diejenigen, "die den verborgenen Sinn des Klassenkampfes ... am besten deuten".

    Ende der 1870er Jahre übernahm der politischen Anarchismus den Kommunismusbegriff für seine Theorien. Michail Bakunin lehnte den Kommunismus Marx'scher Prägung jedoch als zu autoritär ab, seine Ideen zielten auf die Abschaffung des Staates. Nach seinem Tod bezeichneten sich in Italien um E. Malatesta und in der Schweiz um P.A. Kropotkin anarchistische Gruppen als Anarchokommunisten.

    Wladimir I. Lenin berief sich auf den Kommunismus, indem sich die von ihm geführten Bolschewiki ideologisch von der alten russischen Sozialdemokratie (1903 Spaltung der russischen Sozialdemokratie in Menschewiki und Bolschewiki, Kommunistische Partei der Sowjetunion, KPdSU) abgrenzten. Lenin unterschied einen niederen von einem höheren Kommunismus, was ihm zur Begründung der "revolutionären Diktatur des Proletariats" diente, die die parlamentarische Demokratie ablösen sollte.

    In Deutschland grenzten sich die linksradikalen Gruppen von der Sozialdemokratischen Partei (SPD) durch die Verwendung des Begriffs "revolutionärer Sozialismus" ab. Das Programm des Spartakusbundes bezog sich auf das Kommunistische Manifest und sprach vom Sozialismus. Rosa Luxemburg lehnte in Auseinandersetzung mit Lenin die Identifizierung mit der KPdSU strikt ab, denn dies würde eine eigenständige Linie u.a. in der Frage der Parlamentarisierung verhindern. Mit dem Namen "Kommunistische Partei Deutschlands" (KPD, Spartakusbund) erfolgte jedoch die Festlegung auf die politische Linie der Bolschewiki. Die KPD trat der Kommunistischen Internationale bei, die nur Parteien, die den von Lenin formulierten Leitsätzen entsprachen, als kommunistisch anerkannte. Daraus ergab sich die Gleichsetzung von Kommunismus mit Bolschewismus. In Deutschland markiert dies den Bruch zwischen Sozialdemokratie und Kommunismus und so bezeichnete die Sozialdemokratie den Kommunismus in der von den Bolschewiki vertretenen Form als Fortsetzung und Instrument russischen Großmachtpolitik. Kommunismus wurde damit in der Zeit der Weimarer Republik zum Synonym für den Imperialismus der Sowjetunion.

    Innerhalb des kommunistischen Machtbereichs wurde die Diskussion um den Kommunismusbegriff wieder aufgeworfen, nachdem die Kommunistische Partei Chinas unter Mao Tse-tung 1964 mit der KPdSU gebrochen hatte (Maoismus). In Westeuropa strebten ab 1975 einige kommunistische Parteien (Frankreich, Italien und Spanien) die ideologische Unabhängigkeit von der KPdSU an (Eurokommunismus). Die wirtschaftliche und politische Entwicklung in der Sowjetunion führte im August 1991 zum Verbot der KPdSU und damit zum Eingeständnis des Scheiterns des Kommunismus in diesem Land. Nach Polen (1988) kam es 1989 zu unblutigen Revolutionen in der CSSR und der DDR. Heute bestehen kommunistische Gesellschaftssysteme unter anderem in der Volksrepublik China, in Nordkorea und Kuba.

    Siehe auch Leninismus, Marxismus, Titoismus.