Kirchenstaat

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    auch: Patrimonium Petri;

    Als Kirchenstaat bezeichnet man das ehemalige weltliche Hoheitsgebiet der Päpste in Mittelitalien.

    Es entstand mit der Herauslösung des Papsttums aus der Abhängigkeit vom Byzantinischen (Oströmischen) Reich, das nach der Zerschlagung der Gotenherrschaft in Italien neben dem Exarchat von Ravenna u.a. das Dukat von Rom als byzantinische Provinzen errichtet hatte, sie jedoch gegen die Übergriffe der Langobarden nicht verteidigen konnte, so dass der Papst als Erbe der römischen Kaiser die Herrschaft über Rom übernahm und sich und die Stadt unter die Schutzherrschaft der von ihm zu Hilfe gerufenen Franken stellte.

    Frankenkönig Pippin schenkte ihm 754 außer dem zurückeroberten römischen Gebiet das Exarchat von Ravenna und die Pentapolis (Küstenstrich zw. Ancona und Rimini). Karl der Große bestätigte und erweiterte die (so genannte Pippin'sche) Schenkung seines Vaters; unter seiner wie unter Otto des Großen Machtfülle war der Kirchenstaat vom deutschen Kaisertum abhängig, erkämpfte sich jedoch im Investiturstreit uneingeschränkte Selbstständigkeit, die auch im Kampf gegen die Hohenstaufen nicht wieder verlorenging.

    Die Lebenshoheit über Benevent und die Normannen in Unteritalien (aus denen das Königreich Neapel-Sizilien hervorging), die Erweiterung um den größten Teil des Erbes der Markgräfin Mathilde von Tuszien ("Mathildische Güter") und die kraftvolle Herrschaft Innozenz' III. verhalfen dem Kirchenstaat zu einer für die politischen Verhältnisse Italiens im Mittelalter ungewöhnlichen Machtentfaltung, die nach einer Periode des Verfalls und der Auflösung (besonders während des Aufenthaltes der Päpste in Avignon) von Julius II. im Machtkampf des Renaissancezeitalters mit militärischen wie diplomatischen Mitteln erneuert wurde.

    Rückschlägen (durch den Sacco di Roma 1527 und durch den päpstlichen Nepotismus) folgten neue Erwerbungen (unter anderem 1597 Ferrara, 1631 Urbino), aber im 18. Jh. setzte erneuter Machtschwund ein. Die Gegnerschaft des Papsttums gegen das revolutionäre Frankreich wie gegen Napoleons Gewaltpolitik führte dazu, dass der Kirchenstaat durch die Ausrufung der Römischen Republik (1798) und schließlich durch die Gründung des Königreichs Italien 1808/09 praktisch zu bestehen aufhörte.

    1815 auf dem Wiener Kongress völkerrechtlich wieder hergestellt, wurde der Kirchenstaat der liberal-demokratischen wie der nationalstaatlichen Bewegung (Revolutionen 1831, 1848/49) nur mithilfe fremder Mächte Herr. 1860 eroberte Piemont-Sardinien den Kirchenstaat bis auf Rom (das eigtliche Patrimonium Petri), das nach dem Abzug der französischen Schutzbesatzung bei Ausbruch des deutsch-französischen Krieges dem jungen italienischen Königreich einverleibt wurde.

    Der Papst beharrte als "Gefangener im Vatikan" in Protest gegen die (durch Volksabstimmung herbeigeführte) Auflösung des Kirchenstaates und schloss erst 1929 in den Lateranverträgen Frieden mit dem italienischen Staat (Vatikanstadt).