Geschichte: Japan (Neuzeit)

    Aus WISSEN-digital.de


    Mit der amerikanischen Geschichte aufs engste verknüpft ist die Entwicklung Japans im 19. und 20. Jahrhundert, vor allem aber sein Eintritt in die Reihe der modernen Weltmächte.

    Am 7. Juli 1853 erschien der amerikanische Kommodore Matthew Calbraith Perry mit vier Kanonenbooten in der Bucht von Tokio und verlangte unter Überreichung von Geschenken den Abschluss eines Handelsvertrags und damit die Beendigung der japanischen Isolationspolitik. Als man ihn abwies, kam er am 12. Februar 1854 mit zehn Schiffen wieder und erzwang durch sein energisches Auftreten am 31. März den Abschluss eines Vertrags. Bis Ende 1861 folgten ähnliche Vereinbarungen mit Großbritannien, Russland, Frankreich und Preußen. Damit war das Mittelalter in Japan beendet. Eine neue Epoche begann.

    Freilich hatte der Zerfall des Feudalsystems von innen her schon längst eingesetzt, als der amerikanische Paukenschlag ein neues Zeitalter in Japan ankündigte. In den ersten drei Jahrzehnten des 19. Jahrhunderts wuchs die Kritik an der überlieferten Ordnung. Der europäische wissenschaftliche Empirismus hielt seinen Einzug in Japan und erschütterte die Herrschaft konfuzianischen Denkens. Angesichts der finanziellen Schwierigkeiten des Landes und der Unfähigkeit der Shogune strebten die Feudalherrscher (Daimyo) nach Beteiligung an der Zentralgewalt. Zugleich erstarkte die Bewegung der kaisertreuen Loyalisten, die eine Restauration der auf kultische und zeremonielle Aufgaben beschränkten monarchischen Gewalt forderten.

    Soziale Kritik lief dazu schon seit dem Ende des 18. Jahrhunderts parallel. Sie galt zunächst der Missachtung des Bauernstandes, später auch der fest gefügten Klassenordnung. Bald setzte auch ein Prozess der Industrialisierung ein; Webereien, Spinnereien, Bergbaubetriebe und Brauereien machten den Anfang. Das Eingreifen Amerikas und Englands war das katalysierende Ereignis, das schließlich 1867 zum Sturz des Shogunatregimes führte; man hatte eingesehen, dass Japan die Auseinandersetzung mit dem Ausland nur durch die Konzentration der Macht in den Händen des Kaisers siegreich bestehen konnte. Wichtiger noch waren die wirtschaftlichen und damit die gesellschaftlichen Veränderungen. Alle fremdenfeindlichen Unruhen der 60er Jahre konnten diese Umwälzung nicht aufhalten. Japan machte sich die technischen, wirtschaftlichen und industriellen Fortschritte Europas und der westlichen Welt in kürzester Frist zu Eigen; es passte sich den Sitten des Abendlandes an und fand zugleich einen Weg der nationalen, spezifisch japanischen Eigenentwicklung. Die Reformen der Meiji-Regierung ab 1869 waren ein Meilenstein in dieser Entwicklung.

    Die neu gewonnene Kraft und Einheit des Staates trieben Japan alsbald auf die Bahn des Imperialismus. Mit der Eroberung Koreas, Formosas und der Pescadoren und der Öffnung Chinas für den japanischen Handel begann nach dem Sieg im japanisch-chinesischen Krieg von 1894/95 die japanische Expansion im Fernen Osten. Seine neu gewonnene Stellung im Kreis der Weltmächte spiegelte sich 1899 in der Revision der Verträge mit den westlichen Staaten, die Japan Gleichberechtigung mit seinen Partnern einbrachte. Die wirtschaftliche Basis dieser Entwicklung war die Errichtung einer modernen Industrie seit dem Ende der 80er Jahre des 19. Jahrhunderts. Leicht- und Textilindustrie machten auf der Grundlage der Dampfkraft den Anfang, die Schwerindustrie, gestützt auf elektrische Energie, folgte um 1900.

    Japans imperialistische Politik bestand ihre Feuerprobe in der Auseinandersetzung von 1904/05 mit Russland, das die Beherrschung der Japanischen See erstrebt hatte. Seine Siege zur See (Tsuschima) und zu Lande (Mukden) machten Japan zur Vormacht des Fernen Ostens und zugleich zu einem entscheidenden Faktor im weltpolitischen Spiel. Wie Preußen im Siebenjährigen Krieg gegenüber Frankreich, so hatte hier Japan die Rolle des englischen Degens gegenüber Russland gespielt. Wenn es auch kein ausschließlicher Festlandsdegen mehr war - oder gerade deshalb vielleicht -, ergab sich aus dieser Politik eine Periode längeren Zusammengehens mit England, eines Interessenausgleiches beider Mächte im Fernen Osten, der gemeinsamen Abwehr russischer und später deutscher Ambitionen in diesem Raum.